Why'd you catch me?

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Die Zirkaden klagten leise ihr Leid. Diese Jahreszeit war mir die allerliebste. Am Tag war es unheimlich warm gewesen, beinahe zu warm, um rauszugehen, und wir hatten die ganze Zeit am Pool verbracht. Jetzt, halb 12 in der Nacht war der Himmel tiefschwarz, die Temperatur aber sehr angenehm.
Ein lauer Luftzug zog an mir vorbei, als ich auf meinem Skateboard durch die Kleinstadt sauste. Sie war viel eher ein viel zu groß geratenes Dorf als eine Stadt. Nachts war hier nie was los und selbst tagsüber war es hier recht beschaulich.
Ich ging im Sommer immer nachts Skaten. Am Tag war es immer viel zu heiß, und alle guten Orte, an denen ich meine Leidenschaft ausleben wollte, waren eingenommen: Passanten aßen ein Eis, junge Jugendliche chillten viel eher, als das sie skateten, ältere Ehepaare saßen zusammen und beobachteten Enten. Sehr schön, aber leider sehr unpassend für mich. In der Nacht waren alle, die meinem Vorhaben im Weg hätten stehen können, schon längst im Bett.
Die roten Lichter der Leuchtreklame schienen mir ins Gesicht und zeigten mir an, dass ich nun an meinem Lieblingsort angekommen war. Das Einkaufszentrum, welches aus einem großen Parkplatz, gesäumt von vielen kleinen und größeren Gebäuden, bestand, war perfekt um zu üben. Keine Autos befanden sich im Weg, mehrere Metallstangen boten sich super für slides und tricks an, und die Reklamen und Straßenlaternen agierten als Lichtquelle.
Doch dieses Mal war etwas anders. Ich konnte die Stimmen, das Gelächter schon von hier hören, und nun auch ihre Silhouetten ausmachen. Chris musste ich nicht sehen. Sein Lachen hätte ich überall wiedererkannt. Ich kannte ihn von früher. Er ging eine Klasse über mir, wir waren uns bekannt. Ab und an ist man sich begegnet, und um ehrlich zu sein, hatte ich damals einen kleinen Hauch Verliebtheit.
Ich war gerade dabei mein Board so lautlos und unauffällig wie möglich zu wenden um dann hinter dem nächsten Schatten zu verschwinden, als ich eine tiefe Stimme hörte. Auch die würde ich immer wieder erkennen.
„Du glaubst, wir haben dich nicht gesehen?", fragt er, ich kann sein grinsen tatsächlich hören.
„Ich hab's gehofft", stotter ich vermutlich viel zu leise, und drehe mich dann um.
Chris sieht so gut aus. Er sah schon immer gut aus, aber jetzt ist er älter geworden. Sein Körper ist gut doppelt so breit wie in meiner Erinnerung, und sein Gesicht ist markanter geworden.
„Wie lange ist es her?", grinst er, als er mich ansieht. Ich hätte nie gedacht, dass er mich wiedererkennt. Ganz abgesehen davon, dass er sich an mich erinnert.
„Gefühlte Ewigkeiten."
„Du siehst immer noch wie damals aus. Ich hab dich gleich erkannt."
Und dann weiß ich nicht mehr, was ich darauf noch erwidern soll. Eine ganz einfache, menschliche Reaktion, aber mein Mund wird staubtrocken, meine handinnenflächen auf Kommando klitschnass und mein Gesicht vermutlich tomatenrot.
„Ich wollte schon immer was machen."
„Was?", krächze ich.
„Du rennst, ich fange."
„Du fängst mich?"
„Auf dem Board."
„Auf dem Board?", wiederhole ich ihn und ich weiß, dass ich mich wie ein heiserer Papagei anhöre.
„Ich gebe dir einen Vorsprung von drei Sekunden."
„10."
Ich habe mein Board schon bereit.
„4.", seine Augen blitzen.
„7."
„5."
„5."
Und schon fängt er laut an, von fünf rückwärts zu zählen. Ich bin schon Meter von ihm entfernt.
Nach den fünf Sekunden kommt er immer wieder nah an mich, fängt mich aber nie richtig. Ab und an piekst er mir in die Wange, den Rücken oder stupst mich an, aber deswegen gebe ich mich noch längst nicht geschlagen. Christopher wird sehen, was er davon hat. Ich bin nicht einfach zu fangen. Und doch muss ich irgendwann zugeben, dass er unheimlich schnell ist, und immer wieder näher an mich kommt. Ich wage ein für mich riskantes Manöver und Steuer mein Board auf eine der metallstangen, die eigentlich viel zu hoch für mich ist, durch die ich aber sicherlich einen großen Vorsprung generieren könnte.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Beim Aufkommen auf der Stange merke ich schon, das das keine gute Idee war, und ich das Gleichgewicht verliere. Der Boden scheint auf einmal unheimlich nah, bis mir etwas anderes noch viel näher erscheint.
Chris steht unter mir, mit einem Arm stützt er meinen Rücken, den anderen hat er unter meine Beine geschoben. Sein Gesicht ist nur Millimeter von meinem entfernt. Keine Ahnung, warum, ob das von dem Adrenalin oder durch die unerwartete Nähe zu Chris kommt, aber mein Herz macht einen Satz. Ich bin mir sicher, das selbst er es fühlen konnte. Ich beobachte sein Gesicht. Sein wunderschönes Gesicht, das zuerst überrascht, verwundert und beinahe ängstlich aussieht, sich dann aber in erleichtert und glücklich ändert. Kleine Grübchen erscheinen auf seiner einen Wange, seine Augen werden zusehends kleiner, blicken aber weiterhin in meine.
Und in genau dem Moment küsst er mich, und ich bin unwiderruflich in diesen Mann verliebt.

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