Kapitel 18

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Rose

Nach unserer Landung in Prince George, hatte James ein Auto für uns gekauft. Während der Fahrt hatten wir kaum ein Wort miteinander gewechselt, doch immerhin wusste ich nun, was unser endgültiges ziel war. Marsh Lake, ein kleines Kaff, perfekt um sich vor dem Rest der Welt zu verstecken. 

 Gegen Abend waren wir in einem kleinen Hotel angekommen und hatten mit Glück noch eines der freien Zimmer ergattern können. Morgen hatten wir noch knappe sieben Stunden Fahrt vor uns, doch erst mal konnten wir schlafen. Ausnahmsweise sogar in einem richtigen Bett. 

Ich hatte geduscht und mein eigenes Nachthemd aus meinem eigenen Koffer an. Ich sollte mich ausruhen, denn die Reise schaffte mich allmählich und auch morgen würde es noch einmal anstrengend werden. Doch ich konnte einfach nicht einschlafen. Stattdessen starrte ich an die Decke. 

Gott sei danke, war ein Zimmer mit zwei Einzelbetten übriggeblieben. James nähe im Flugzeug war schon schwierig genug zu verkraften und dann im Auto. Ich wusste nicht wie ich es beschreiben sollte. Die ganze Sache war vor einer halben Ewigkeit geschehen und doch schien sich mein Herz noch viel zu genau an sie zu erinnern. Immer wenn ich James ansah, spürte ich den Schmerz. Nicht weil ich wütend war, diese Phase hatte ich recht schnell überwunden. Ich war unendlich traurig. 

Und ich vermisste ihn. Den Mann in den ich mich verliebt hatte, nicht der Mann der fünf Meter neben mir lag. Himmel tat das weh. Es war mir irgendwann leichter gefallen nicht mehr jeden Tag an ihn zu denken, doch New York hatte die alten Wunden wieder aufgerissen. Ihm zu begegnen hatte alles wieder aufgewühlt, auch wenn mir klar war, dass er niemals das gleiche gefühlt hatte wie ich. Und dann war da noch das mit Shae, meinem Bruder, meinen Eltern, Anna. Ich hatte ihnen allen Kummer bereitet und Shae war wegen mir sogar gestorben.

Erst dachte ich, das Geräusch käme von mir. Ich hatte mich so in meine eigenen Gedanken hineingesteigert, dass ich tatsächlich zunächst annahm, ich hätte das leise Schluchzen ausgestoßen. Es dauerte kurz bis ich realisierte, dass nicht ich diejenige war sondern James. Weinte er etwa?

Ich stand leise auf, darum bedacht kein Geräusch von mir zu geben und schlich zu ihm herüber. Sein Bett lag unter einem schmalen Fenster und der einzigen Lichtquelle des Raums. Es war nicht Vollmond, dennoch erhellte das kalte, weiße Licht schemenhaft die Umrisse James kantigem Gesichts. Ich hatte mich nicht getäuscht.

„James?", flüsterte ich vorsichtig. Träumte er schlecht, oder was wer hier los? Nein er war wach.

„Leg dich wieder hin, Eden. Hier gibt es nichts für dich zu sehen." Ich zuckte zusammen angesichts des wütenden Zischens, das er ausstieß. Seine Augen blieben dennoch geschlossen.

„Was ist los mit dir?"

„Gar nichts. Lass mich schlafen."

Ich lies mich auf der Bettkante nieder. Nun riss er doch die Augen auf und fuhr zu mir herum.

„Was genau wird das?"

„Es geht dir nicht gut. Kann ich irgendetwas für dich tun?"

Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Maske.

„Bitte lass das. Das macht es nicht besser."

„Was?"

Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt fühlte ich mich plötzlich wahnsinnig nackt. Gott warum hatte ich mir nicht erst etwas übergeworfen? Ich liebte den dünnen seidigen Stoff meiner Nachthemden. Zum Schlafen waren sie perfekt. Für Gespräche mit dem Exfreund, oder was auch immer James nun für mich war, eigneten sie sich allerdings eher mäßig.

„Mich so anzusehen, als würde ich dir leid tun."

Meine nächste Handlung konnte ich selbst nicht so wirklich nachvollziehen. Ich könnte es auf den Stress, die Müdigkeit und die ganzen aufgestauten Emotionen der letzten Stunden schieben, oder aber ich stand einfach dazu wie es war. Ich vermisste es mit ihm zusammen zu sein und nun ja, er war hier. Ich war hier. Möglicherweise würde Daemon mich finden und womöglich umbringen, also warum konnte ich nicht einfach für fünf Stunden so tun als wäre all das Schlimme zwischen mir und ihm nie geschehen. Kurz entschlossen hob ich die Decke an und schob mich unter sie.

„Eden lass den Scheiß." James klang regelrecht entsetzt. Sollte er doch.

„Stell dich nicht so an. Es ist ja nicht so, als wäre es das erste Mal." Ich spürte die Wärme seines Körpers, als ich näher an ihn heranrückte. Meinen Kopf legte ich an seine Schulter, wie ich es schon im Flugzeug hatte machen wollen. Er zuckte zusammen als sich meine Hand auf seinen nackten Bauch legte, er schlief immer noch ausschließlich in Boxershorts. Wir hassten es also beide allzu viel beim Schlafen am Leib zu tragen. Eine leichte Gänsehaut breitete sich in meinem Nacken aus, als ich die festen Muskeln unter meinen Fingern spürte. Er war etwas größer und schlanker als sein Bruder. Seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte ich das an Männern toll gefunden.

„Bitte.", flüsterte James. Doch er sagte nicht mehr, was er wollte und er bewegte sich auch keinen Zentimeter von mir fort. Ich atmete seinen Geruch ein. Nach Wind und ein wenig nach Meer. 

Es konnten Minuten oder Stunden gewesen sein, bis ich allmählich einschlief. Ich hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren.

EdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt