Kapitel 23

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„Guten Morgen. Ich gehe mich duschen." War alles was er dann schließlich sagte und ging. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging einfach. Hätte ich Anstand würde ich ihm nicht folgen, würde ich ihn verkraften lassen, dass nicht nur ich mich in ihm, sondern auch er sich in mir getäuscht hatte. Doch ich hatte keinen Anstand. Ich lächelte Eva entschuldigend zu, bevor ich ihm folgte. Plötzlich war es egal, dass ich mich für mein Geständnis schämte. Im zweiten Stock holte ich ihn schließlich ein.

„James. Es tut mir leid."

Er wirbelte herum und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.

„Was genau."

Ich schluckte.

„Dass gestern. Ich hätte dir das auch schonender beibringen können. Ich verstehe, dass du es jetzt bereust, das alles auf dich zu nehmen."

Er lachte.

„Eden, ich fasse es manchmal wirklich nicht, wie man so intelligent und blöd zugleich sein kann." Was ihn anging war ich geistig tatsächlich nicht ganz auf der Höhe. Ich kam einfach nicht mit. Was zum Teufel wollte er mir nun damit sagen?

„Ich verstehe nicht."

„Nein. Das tust du offensichtlich nicht. Es hat nichts mit gestern Abend zu tun, dass ich wütend bin. Und du bist auch nicht Schuld daran."

„Was ist es dann?"

Er schien sich kurz sammeln zu müssen, als er dann sprach war seine Stimme merklich sanfter.

„Ich gehe mich duschen. Und dann sollten wir uns vielleicht einmal über alles unterhalten. Wir könnten spazieren gehen, das wäre vielleicht mal eine nette Abwechslung zu all dem Scheiß." Er wartete meine Antwort nicht ab und ging stattdessen einfach weiter. Gut, dann würde nun also das Gespräch kommen.


„Das Wetter heute ist schön." Ich blinzelte gegen die Sonne an. Es war definitiv nicht warm, aber eben auch nicht so kalt, wie es eigentlich zu dieser Jahreszeit sein sollte.

James neben mir lachte.

„Daran sieht man wohl, dass du Britin bist."

Ich verdrehte die Augen, musste aber ebenfalls schmunzeln. Mein Ablenkungsmanöver mit dem Wetter war ziemlich billig. Dass James überhaupt darauf eingegangen war, machte nur allzu deutlich, dass auch er sich unwohl fühlte. Wir hatten uns entschieden ein wenig am See entlang zu gehen, doch den Grund für diese Entscheidung verdrängten wir wohl beide lieber.

„Es soll kälter werden, in den nächsten Tagen. Da sollten wir die letzten Sonnenstrahlen wohl genießen." Sprach er weiter. Ich nickte. Wann würde er wohl zum Punkt kommen. Oder sollte ich anfangen. Nein. Ich würde nicht wie gestern wieder unsensibel und ohne jegliche Empathie handeln. Er sollte entscheiden, wann er bereit für das Gespräch war. Allerdings würde es auch nichts nützen, wenn wir uns weiter über das Wetter unterhielten.

„James." Sagte ich in eben diesem Moment, als er meinen Namen aussprach. Ich deutete ihm an anzufangen.

„Eden, ich habe noch nicht gefragt, was du dir wünscht. Mein Plan sieht so aus, dass wir zunächst hierbleiben und du dir dann in Ruhe überlegen kannst, wo du ein neues Leben beginnen möchtest. Egal wo es sein soll, oder wie es aussieht, ich werde es für dich ermöglichen. Geld spielt keine Rolle. Ich weiß es wird schwierig für dich sein mit allen Menschen, die dir nahe stehen keinen Kontakt zu haben, aber solange Daemon lebt, wird es anders nicht möglich sein."

Darüber hatte er mit mir sprechen wollen?

„Es gibt keine andere Möglichkeit? Mein Vater ist vielleicht nicht so einflussreich wie Daemon, aber wir haben auch unsere Leute. Ich kann sie nicht schon wieder glauben lassen, mir sei etwas zugestoßen."

„Es ist zu riskant. Ich hätte ihn umbringen sollen, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Es tut mir leid."

„Er ist dein Bruder."

James schüttelte den Kopf.

„Er ist dermaßen krank, dass ich ihn kaum als einen Menschen bezeichnen würde, geschweige denn als meinen Bruder. Ich hätte genug Gründe gehabt ihn zu töten. Er hätte mich schon tausendmal getötet, wenn wir seit, na du weißt schon seit wann, je wieder alleine gewesen wären."

„Er hat es aber nicht geschafft. Meinst du nicht, dass mein Vater mich auf ähnliche Weise schützen könnte, wie du dich?"

„Es ist nicht dasselbe." Er kickte einen Kieselstein von sich.

„Doch natürlich ist es das."

„Daemon würde über Leichen gehen dich in seine Finger zu bekommen. Hätte er bei mir zufällig die Chance gehabt mich umzubringen, hätte er sie damals nicht verstreichen lassen. Aber aktiv versucht hat er es nicht."

„Wie kannst du dir da so sicher sein?"

„Weil nie jemand bei mir eingebrochen ist und mir im Schlaf ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hat."

Ich zuckte angesichts seiner scharfen Worte zusammen.

„Und wo liegt jetzt bei uns beiden der Unterschied? Ich meine aus irgendwelchen Gründen hasst dich der Mann wie die Pest. Was er von mir will weiß ich ehrlich gesagt nicht so wirklich. Warum sollte es also wichtiger für ihn sein mich zu bekommen statt dich?"

James Blick wurde leer.

„Weil er dich liebt, Eden. Nicht auf eine normale Weise, aber dennoch liebt er dich. Was mich angeht weiß er, dass ich mehr leide, wenn ich weiterhin am Leben bleibe."

Ich erstarrte.

„Was bedeutet das, du leidest?"

„Ich habe es auch nicht immer leicht. Belass es bitte einfach dabei."

Ich hätte gerne nachgehakt. Es dabei zu belassen, war das letzte wonach mir der Sinn war. Doch möglicher Weise war es sein Tonfall, oder auch die Tatsache dass ich ganz genau wusste, wie es war lieber nicht über etwas zu sprechen. Ich war nicht mehr in der Position Antworten von ihm einzufordern. Ich hatte kein Recht dazu, wenn ich nicht vorhatte ebenfalls mit vollkommen offenen Karten zu spielen.

„Ich finde deinen Plan gut. Wie lange habe ich, um zu entscheiden, wie es weitergehen soll?"

James wirkte tatsächlich überrascht.

„Du hast alle Zeit der Welt. Ich denke nicht dass ich weiterhin auf eine gewisse Toleranz von Daemon bauen kann, demnach ist es keine Option für mich zurück nach New York zu gehen. Außerdem habe ich meine Mutter lange nicht mehr gesehen. Ich denke für uns alle ist es gut erst einmal nichts zu überstürzen. Deshalb nimm dir die Zeit, die du brauchst, um dir klar zu werden, was das Beste für dich ist."

Ich hatte Zeit. Seine Worte nahmen mir eine Last von den Schultern, die ich bis gerade eben gar nicht bemerkt hatte. Ich hatte Zeit alles zu überdenken.

EdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt