<<Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst.>> (Faust 1, Vers 328)
Am nächsten Morgen wurde ich durch mein Handy geweckt: Ich hatte eine Nachricht von Oskar erhalten. Verdammt, Oskar... Ich hatte gestern keine Sekunde an ihn gedacht. Was, wenn er bereits alles wusste? ‚Sei nicht albern, Sahra, woher sollte er es denn wissen?', ermahnte ich mich selbst.
Vorsichtig, um Lille nicht aufzuwecken, löste ich meinen rechten Arm und mein rechtes Bein, die auf ihr gelegen hatten, und setzte mich an die Bettkante. „Guten Morgen, mein Engel!", lautete die Nachricht meines Ehemanns. Beim Wort ‚Engel' wurde mir übel. Welcher Engel betrog denn seinen Partner? ‚Engel sind nicht verheiratet', meldete sich die Stimme der Vernunft in mir, die ja streng genommen Recht hatte, doch ich ignorierte sie.
„Guten Morgen...", meldete sich Lille mit verschlafener Stimme. Sie setzte sich auf, umarmte mich von hinten, und küsste meine Wange. „Ich hole mir was zu trinken...", verkündete sie. „Tu das!" Ich zwang mich zu einem Lächeln, das sie sofort erwiderte und mein Herz zum Salto schlagen brachte. Ich beschloss, mein Handy und Oskar zu ignorieren, solange Alice noch hier war. Es war sowieso eine einmalige Sache, Oskar würde es schon verstehen, redete ich mir ein.
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In der Küche war Lille gerade damit beschäftigt, den Kühlschrank zu durchsuchen. Sie sah in meinem hellrosa-weiß karierten Nachthemd mit Kragen, das ich ihr gestern Nacht noch gegeben hatte, einfach umwerfend aus. Ihre Haare waren offen und fielen ihr mit leichten Wellen auf die Schultern. „Es kann sein, dass du hier nichts findest", erklärte ich entschuldigend, „ich vergesse leider oft, einzukaufen, aber ich habe noch Müsli, wenn du möchtest." Ich öffnete einen der Schränke und stellte die Packung auf den Tisch. „Macht doch nichts, Müsli ist super! Außerdem bist du das beste Frühstück, das ich haben könnte." Ich lachte etwas verlegen. Alice war immer so direkt, daran musste ich mich noch gewöhnen. Sie kam auf mich zu, strich mir eine Strähne hinters Ohr, hob mein Kinn leicht an und küsste mich zärtlich. „Frau Weidel, Sie kleine Romantikerin" kommentierte ich zwinkernd, als kleine Anspielung auf gestern Abend. „Haha.", meinte Alice kopfschüttelnd, doch sie lächelte dabei.
Der zum Greifen nahe Abschied war schwerer als gedacht. Wir beide wussten natürlich, dass wir uns nachmittags im Bundestag bei der Plenarsitzung wiedersehen würden, doch dort mussten wir selbstverständlich unsere professionelle Fassade beibehalten. „Ich wünschte, du könntest noch hierbleiben" Zu meinem Erschrecken musste ich feststellen, dass ich diese Worte todernst meinte. „Ich auch..." Bildete ich mir das nur ein, oder klang Lilles Stimme wirklich ein bisschen traurig? Ich schlang meine Arme um ihren Hals und küsste sie ein letztes Mal. „Bis später", flüsterte Alice und schon fiel die schwere Eingangstür ins Schloss.
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Leere breitete sich in mir aus. Das, was gestern und heute geschehen war, würde mich noch lange beschäftigen, da war ich mir sicher. Wir hatten uns von unseren Emotionen leiten lassen, unsere jeweiligen Partner betrogen. Dennoch verspürte ich keine Reue und dies bereitete mir Sorgen. Ich wusste nur zu gut, dass unsere Beziehung nicht richtig war, es durfte einfach kein „uns" geben. Doch wie konnte etwas, das so gut war, gleichzeitig so falsch sein? Aber genau das war es ja, was der ganzen Sache das gewisse Etwas verlieh, das Wissen, etwas Verbotenes zu tun, etwas Heimliches zu tun und das auch noch mit einer Frau wie Alice. Eine Frau wie Alice...hatte ich das gerade wirklich gedacht?
Ich durfte auf gar keinen Fall mehr in den Vorfall interpretieren, als wirklich passiert war. Ich durfte meinem inneren Konflikt nicht ausweichen, ich musste ihn mit mir selbst ausdiskutieren, beenden und mein Leben weiterleben, als wäre nichts gewesen. Aber konnte ich das? Einfach alles vergessen und weitermachen? Mit ihr fühlte ich mich frei, wie ich selbst. Mit Alice konnte ich einfach ich sein, ohne mir darüber Sorgen machen, das jemand wohl schlecht über mich denken könnte. Mit ihr war es fast so, als wären wir wieder sorgenfreie, ausgelassene Teenager. Obwohl...mit einem Altersunterschied von 10 Jahren wäre unsere Beziehung damals nicht möglich gewesen. Als ich 16 Jahre alt gewesen war, war Alice gerade mal 6 und als sie 16 war, war ich schon 26. Nein, nein, das wäre absolut nicht in Ordnung – verfassungswidrig, wie Lille wahrscheinlich jetzt sagen würde. Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln. Was war nur mit mir geschehen, dass ich nun sogar schon darüber nachdachte, was sie wohl denken oder sagen würde? Mit ihr war einfach alles anders.
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nur wir zwei // weidelknecht
Hayran KurguNoch so eine Weidelknecht-Fanfiction, natürlich alles frei erfunden (aus Sahras Sicht) Ein kleiner Einblick in die Story: Wie konnte etwas, das so gut war, gleichzeitig so falsch sein? Aber genau das war es ja, was der ganzen Sache das gewisse Etwas...