Kapitel 1: Anne Will

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<<Den lieb ich der Unmögliches begehrt.>> (Faust 2, Vers 7488)

Als ich ans Set von Anne Will kam, wurde ich schon von Alice Weidels süffisantem Grinsen empfangen. Wie schon so oft fragte ich mich, wie diese Frau so dermaßen arrogant und von sich selbst überzeugt sein konnte, wo sie doch Teil der umstrittensten Partei im Bundestag war, die dazu auch noch ihren eigenen Lebensumständen widersprach. Naja, ist nicht meine Sache. Ich besann mich auf das Thema, das ich sogleich mit Peter Altmaier, Wolfgang Kubicki, Kevin Kühnert, Melanie Amann und natürlich Alice Weidel diskutieren würde, das sogenannte Wahl-Eklat in Thüringen.

Anne Will riss mich aus meinen Gedanken, indem sie mir mitteilte, dass ich am linken Rand neben Alice Weidel sitzen würde - na toll, auch das noch! Ich setzte mich also auf den mir zugeteilten Platz, Frau Weidel zu meiner linken tat dasselbe.

Die anderen Gäste der Show waren nun auch schon alle eingetroffen und hatten sich auf ihre jeweiligen Plätze begeben. Bevor die große Diskussion startete, nahm ich noch einen großen Schluck Wasser. Ich vermied es nämlich, während wichtigen Gesprächen zu trinken, denn ich fand, dass dies einen selbst und die Zuhörerinnen und Zuhörer nur ablenkte. „Nervös?", quatschte mich Frau Weidel von der Seite an. Was wollte die denn jetzt von mir? „Nein, und Sie?" „Ich habe keinen Grund dazu.", erwiderte sie, lächelte selbstgefällig und wandte sich ab. ‚Alles klar', dachte ich mir nur kopfschüttelnd und trank noch einen letzten Schluck.

„Hallo und herzlich willkommen, heute Abend bei uns, ich freue mich, dass Sie da sind!", sprach Anne Will die einleitenden Worte, während Alice sich noch ihre Bluse und ihr Jackett zurechtzupfte und ihren rechten Arm betont lässig auf die Lehne des Mini-Sofas legte. Nachdem alle Gäste unter Applaus der Zuschauerinnen und Zuschauer vorgestellt worden waren, folgte ein kleiner Rückblick über das Thüringer Wahl-Eklat, bei dem nur durch die Stimme der AfD ein neuer Ministerpräsident, Thomas Kemmerich von der FDP, gewählt worden war. Mittlerweile war jener wieder zurückgetreten.

Die Debatte startete relativ ruhig und zivilisiert, doch als Peter Altmaier erklärte, dass die AfD keine richtige Partei sei und, dass man mit ihr keine Koalition eingehen könne, merkte ich, wie sich Frau Weidel neben mir verkrampfte. Uiuiui, ich konnte die Eskalation schon riechen! Kevin Kühnert positionierte sich ähnlich: Er fügte hinzu, dass die AfD für alle Parteien ausgeschlossen sei und forderte Neuwahlen. Frau Weidel räusperte sich. Ich fragte mich, warum sie nicht wenigstens versuchte, ihre Partei zu verteidigen, doch vielleicht hob sie sich ihre Wut für später auf oder sie hatte einfach keine Argumente. Bei dieser Frau konnte man nie wissen.

„Eine Wahl durch die Stimme der AfD ist inakzeptabel und muss inakzeptabel sein für die Wählerinnen und Wähler; die AfD-Stimmen dürfen nicht entscheidend sein.", endete Herr Kühnert.  „Unglaublich!", entfuhr es Alice Weidel, doch sie sagte nichts Weiteres.

Nach ein paar Minuten wurde es interessant: Frau Weidel und der AfD wurde vorgeworfen, mit schmutzigen Tricks gearbeitet zu haben und Alice versuchte nun, die Wahl ihrer Partei von Thomas Kemmerich zu verteidigen: „Herr Kemmerich ist ein sehr guter Mittelständler, der sehr gute Politik macht und die AfD-Fraktion in allen Landtagen und auch im Bundestag stimmt auch für FDP-Anträge, wenn wir sie sachlich für richtig halten, wir machen Sachpolitik, wir ziehen keine Brandmauern ein, wenn Vorschläge vernünftig sind!", stellte sie klar. Was für eine schlechte Ausrede, das kaufte sie sich doch selbst nicht ab! „Sie haben genau das gemacht, was Sie den anderen Parteien vorwerfen, Sie sind nicht nach Ihrer Überzeugung gegangen, sondern...", entgegnete Melanie Amann, die jedoch von Kevin Kühnert unterbrochen wurde: „Wir haben jetzt gelernt, die AfD muss man gar nicht wählen, sondern sie geben eigentlich eine Wahlempfehlung für die FDP ab, dann haben wir die Sache ja geklärt, wunderbar!" Lachend versuchte Alice ihre Verzweiflung zu überspielen: „Sie vertreten überhaupt kein pluralistisches Meinungsbild!"

nur wir zwei // weidelknechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt