4. Kapitel
Wer ist Paul?
Carlie parkte den Wagen vor Seth's Haus und atmete tief ein und aus. Und wieder tief ein und aus. Zane beobachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen von dem Beifahrersitz aus. „Alles in Ordnung?", fragte er sie besorgt. „Ja", erwiderte Carlie, „Ich versuch mich nur...". Sie suchte nach dem richtigen Wort. „Zu beruhigen?", schlug ihr gutaussehender Mitfahrer ihr vor. Carlie überlegte. Sie dachte eher an vorbereiten, für in die Höhle des Löwen, besser gesagt Wolfes. Mit sehenden Augen in den sicheren Tod. „Ja, sowas in der Art", antwortete sie schließlich. „Und wegen was versuchst du dich zu beruhigen?", wollte Zane wissen und beäugte sie prüfend. „Nicht was, sondern wer", verbesserte sie ihn. „Ist es wegen Seth?", befürchtete der Braunhaarige mit aufmerksamen Blick. Er konnte sich nur vorstellen, dass die Beiden einen Streit hatten. Einen großen, heftigen Streit. „Nein", erwiderte Carlie seufzend, „wegen jemand anderem". Genau genau wegen einem jungen Adonis, dessen selbstgefälliges, unwiderstehliches Grinsen sie ihm am liebsten mit einem Baseballschläger aus der Visage schlagen würde. Seth trat aus dem Haus und rettete Carlie so vor weiteren, unangenehmen Fragen. Fast fluchtartig eilte sie aus dem Wagen. Zane sah ihr stirnrunzelnd nach. Seufzend stieg er ebenfalls aus dem alten Opel.. „Na, alles klar?", grüßte Seth die Beiden mit seinem typischen Lächeln, als er auf sie zu ging. Er umarmte Carlie zur Begrüßung und gab Zane einen freundschaftlichen Handschlag. „Lang nicht mehr gesehen, Alter", kam es von diesem grinsend. „Tatsache. Meine Cousine und ihr Verlobter grillen heute, mit großen Salatbuffet und so, weil sie und meine Mum gestern zu viel Essen für die Feier gemacht haben. Ihr könntet mitkommen, dann können wir mal wieder 'n bisschen zusammen abhängen", schlug Seth vor und sein Blick glitt zu Carlie, „Emily hat mich eh gebeten dich einzuladen, wenn ich dich seh". Er sah die junge Halbvampirin mit seinem berüchtigten Welpenblick an. Ein Blick der eigentlich immer funktionierte. Ausgenommen dieses Mal. „Geht nicht, sobald Zane's Bruder da ist verschwinden wir", antwortete sie. „Ihr könnt bei Emily auf ihn warten", schlug Seth vorsichtig vor. Prompt kassierte er einen vernichteten Blick seiner besten Freundin. „Zane will noch an den Strand", meinte sie nur trocken. „Naja", fing dieser an, brach aber abrupt ab, als er den warnenden Blick von Carlie bemerkte, „Du wolltest mir doch mal deine neue Cross zeigen", sagte er stattdessen schnell zu Seth. Dieser begann augenblicklich zu strahlen. „Die hast du noch gar nicht gesehen?", hakte der junge Wolf ungläubig nach. „Nur auf Fotos", antwortete Zane schulterzuckend. „Dann komm mal mit zu meinem Baby", erwiderte Seth mit einem breiten grinsen. Carlie schnaubte innerlich. Das konnte dauern. „Ich geh dann schon mal vor. Vielleicht sind Ness und Jake zuhause, ansonsten treffen wir uns am Strand", sagte sie an Zane gerichtet, der ihr nur ein abgelenktes „Alles Klar!", zurief und sich schon mit halben Fuß in Seth's Garage befand. Kaum merklich verdrehte sie die Augen und machte sich auf den Weg zu Jacob's Haus.
Paul rannte seit gestern Abend ziellos durch die Gegend. Bis heute morgen war er in den Wäldern von Neah Bay herum geschlichen, 60 Meilen von La Push entfernt. Er dachte, dass ihm das guttun und er wieder auf andere Gedanken kommen würde aber weit gefehlt. Je weiter er sich von seiner Heimat und demnach auch von seiner Geprägten entfernte, desto lauter heulte der Wolf in ihm. Der Wolf wollte nichts lieber als zurück, zurück zu seiner vermeintlichen Gefährtin. Als der Druck kaum noch auszuhalten war, gab er schließlich nach und drehte um. Und als er vor wenigen Minuten den Geruch seiner Prägung wahrnahm, gab es für den Wolf kein halten mehr. So schnell wie er nur konnte, rannte er zurück ins Reservat. Höchstens eine Horde Vampire hätten ihn jetzt noch dazu bringen können, die Richtung zu wechseln. Ihr Geruch wurde immer stärker. Er stoppte, als er sie endlich erblickte. Weit genug entfernt um von ihrer oder ihrer Schwester nicht wahrgenommen zu werden, besten Falls Black würde ihn bemerken. Aber das interessierte ihn einen Scheiß, er war nah genug um Carlie zu sehen – sein Wolf war zufrieden. „Carlie!", kam es überrascht von Resnesmee, als sie ebenfalls ihre Schwester bemerkte. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so schnell zurückkommst", Sie sah ihre Schwester besorgt an, während sie mit Jacob die Stufen von dessen Haus herunter kam. Die Angesprochene lächelte, als sie die Einfahrt hinauf lief, ein aufgesetztes Lächeln. „Gezwungenermaßen, hab nur Seth's Auto zurückgebracht", antwortete sie wahrheitsgemäß. „Sollen wir dich nachhause fahren?", fragte Renesmee und umarmte ihre Schwester zur Begrüßung. „Jacob hilft gleich noch an den Getränkekisten und danach hätte er kurz Zeit". Carlie winkte ab. „Nicht nötig, Liam holt uns nachher ab", erklärte sie. Paul zog eine Augenbraue in die Höhe. Uns? Wer war uns? Und wer zur Hölle war Liam? „Uns?", sprach Nessie die Frage laut aus und hob ebenfalls eine Augenbraue in die Höhe. „Zane und mich", meinte Carlie nur. Renesmee nickte verstehend und grinste schwach. Warum grinste sie? Und nochmal, wer zur Hölle war Liam? Und noch viel wichtiger, wer war Zane? Und verfickte scheiße, warum interessierte ihn das überhaupt? Paul knurrte kaum merklich. Gottverdammte Prägung. Renesmee wurde plötzlich ernst. „Tut mir leid, wie es gelaufen ist. Ich hatte gehofft, du würdest dich hier wohlfühlen. Ich weiß, dass du hier super reingepasst hättest", fing sie auf einmal an und sah ihre Schwester betrübt an. Jacob schnaubte. „Das tut sie immer noch. Sie gehört hierher, zum Rudel. Zu Paul", erwiderte er. Es war offensichtlich, dass er Paul's Anwesenheit bemerkt hatte. Warum auch sonst sollte er seiner Geprägten widersprechen. Er versuchte offensichtlich den Schaden möglichst gering zu halten. Renesmee schüttelte entschlossen den Kopf. „Paul ist nicht gut für sie. Warum nicht Seth oder meinetwegen Embry? Die Beiden würden viel besser zu ihr passen", meinte sie. Paul konnte nichts gegen die Eifersucht und die Wut tun, die sich in ihm ausbreiteten, wenn er sich einer der Beiden an der Seite seiner Geprägten vorstellte. Jacob schnaubte, erneut. „Wäre das so, dann hätte sich einer von Beiden auf sie geprägt. Haben sie aber nicht, weil Paul der Richtige für sie ist. Er ist ihr Seelenverwandter", erklärte er seiner eigenen Seelenverwandten ruhig. „Sie steht direkt neben euch und hört euch", mischte sich nun auch Carlie ein. Renesmee sah ihre Schwester prüfend an. Der gequälte Gesichtsausdruck blieb ihr nicht verborgen. „Du hättest ihn davon abhalten sollen", richtete sie ihr Wort vorwurfsvoll an Jacob. Paul, der bis eben noch seine Geprägte ausgiebig musterte, zog seine Augenbrauen nun gefährlich in die Höhe. Als hätte Black irgendeinen Einfluss auf ihn. Einen Scheiß hatte er. Schon gar nicht bei der Prägung, die er ja noch nicht mal selbst in irgendeiner Form beeinflussen konnte. „Wie denn?", wollte Jacob nun wissen. „Mit einem 10 Tonnen Truck vielleicht", nuschelte Carlie leise. Paul zuckte zusammen. Schmerz breitete sich wie ein Lauffeuer in seinem Körper aus. Gefolgt von Wut. Er hatte sich das genauso wenig ausgesucht, wie sie. Und ihn hatte es ja wohl am Härtesten erwischt. Sie bekam schließlich keine übernatürlichen, abgefuckten Gefühlen aufgezwungen und wenn doch, waren sie nur ein Bruchteil von dem, was er fühlte. Sie sollte also gefälligst von ihrer beschissenen Erbse runterkommen. Er war hier das wahre Opfer und er litt, wie ein verdammter Köter. Er wollte sich weiß Gott niemals nie prägen. Und was geschah? Natürlich, er prägte sich und als wäre das nicht schon beschissen genug, musste es ja ausgerechnet auch noch auf die vorlaute Brut des Vampirgesöcks aus Forks sein. „Du verdienst jemand Besseren", kam es von Renesmee. Das war zuviel. Er war ohne Scheiß nur einen Millimeter großen Schritt davon entfernt, die Kontrolle zu verlieren und durchzudrehen, als seine Prägung erneut das Wort ergriff: „Vielleicht hat sich die Prägung bei uns geirrt, vielleicht auch nicht, keine Ahnung. Aber was ich weiß, ist dass wir Beide etwas besseres verdient haben als das, was da jetzt gerade ist und vor allem haben wir es verdient eine Wahl zu haben. Und die hat er jetzt noch weniger als ich. Ich weiß, du willst mich nur schützen aber bitte, Ness, sieh ihn nicht als Feind an". Paul stand da wie angewurzelt. Reue überkam ihn und Schuldgefühle. Doch am allermeisten überkam ihn stolz. Stolz darauf, dass Carlie sich für ihn einsetzte. Er wusste am besten, dass er es nicht verdient hatte, doch umso glücklicher war er in diesem Moment darüber. Vielleicht war er so wütend über die Tatsache, dass er sich geprägt hatte, dass er der Prägung die Chance verwehrte, ihm zu zeigen, dass es richtig ist und er es als Glück bezeichnen konnte, dieses Mädchen tatsächlich als seine Seelenverwandte anzusehen, dazu bestimmt ihr Leben mit ihm zu verbringen. „Und es reicht, wenn eine von uns ihn scheiße findet und ihm die Pest an den Hals wünscht", fügte Carlie hinzu und zerstörte damit den kleinen, zarten Funken von Erkenntnis, der in Paul aufzusteigen versuchte. Paul knirschte mit den Zähnen. Sie war doch nur ein vorlautes, verzogenes Vampirprinzesschen.
Carlie verabschiedete sich von ihrer Schwester und dessen Freund. Sie machte sich auf den Weg zum Strand, dort wollte sie sich mit diesem Zane treffen. So hatte sie es jedenfalls ihrer Schwester erzählt. Paul wusste nach wie vor nicht, wer Zane war aber er riet diesem Kerl lieber schwul zu sein oder zu werden, wenn er Paul Lahote nicht als Feind haben wollte.
Er war eher am Strand als Carlie. Er fand recht schnell eine Stelle, in der er den Strand weitläufig genug sehen konnte, Carlie gut hören würde und es trotzdem eher unwahrscheinlich war, dass sie ihn bemerkte. Zumal er von Jacobs früheren Erzählungen noch wusste, das Carlie schwächere Sinne besaß, als ihre Schwester. Nicht das es ihn kümmerte, wenn sie ihn entdeckte aber es würde doch ein klein wenig peinlich werden, wenn sie erfuhr, dass er ihr wie ein räudiger Köter nachlief und sie ausspionierte. Das war hochgradig unter seinem Niveau und nur dieser scheiß Prägung zu verdanken. Paul Lahote lief keinen Frauen hinterher, sie liefen verdammt nochmal ihm nach. Er schnaubte. Vielleicht sollte er einfach gehen. Es konnte ihm immerhin scheißegal sein, wer zum Teufel Zane war und was sie mit ihm hier trieb. Es ging ihn nichts an und ehrlich gesagt, wollte es ihn auch nichts angehen. Sollte sie doch sonst was mit ihm machen. Der Wolf in ihm knurrte augenblicklich. Okay, gut, sie sollte besser nichts mit ihm anstellen. E wusste beim besten Willen nicht, wo er eine komplett zerfetzte Leiche verscharren sollte. Naja, er könnte diesen Zane notfalls auffressen. Beweise vernichten und so. Aber was war mit Carlie? Sie würde ihm bestimmt nicht den Rücken freihalten, wenn er vor ihren Augen ihren Freund zerfleischte. Und was noch viel schlimmer war, sie würde es ihm niemals verzeihen. Paul seufzte innerlich. Nein, das war kein guter Plan. Er könnte auch als Mensch dazwischen gehen aber dem Typen vor ihren Augen die Schädeldecke einzuschlagen, war sicherlich auch nicht sehr kontraproduktiv. Ihm blieb also nur eine einzige Wahl: die Beherrschung nicht verlieren. Nichts leichter als das, er war schließlich Paul Lahote. Das würde ein Spaziergang werden. Total locker flockig.
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Er kam, er sah und er ging - Prägung auf Umwegen (Twilight FF)
FanfictionCarlie Elizabeth Rose, jüngere Zwillingsschwester der bezaubernden Renesmee Cullen. Weniger talentiert, weniger perfekt. Als sie zum ersten Mal La Push betritt, hatte sie mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem Bombenhagel, der plötzlich in ihrem...