2. Kapitel
Prägung ist scheiße!
Als ich an meinem Strohhalm zog, betrachtete Seth mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Fragend erwiderte ich seinen Blick. „Was denn?", wollte ich wissen. „Der wievielte ist das jetzt schon?", fragte er und deutete auf den Cocktail in meiner Hand. „Der Dritte", nuschelte ich und zog zum wiederholten Male an dem giftgrünen Strohhalm. Mit großen Augen sah er mich an. „Nicht dein ernst?", hakte er verblüfft nach. „So schlimm sind die gar nicht. Nach dem ersten oder zehnten Schluck gehts eigentlich", meinte ich nicht sehr überzeugend. Sobald ich zu Hause war, musste Carlisle mir wahrscheinlich den Magen auspumpen. Er pfiff anerkennend. „Wow, entweder bist du verdammt mutig oder einfach nur lebensmüde", schlussfolgerte er grinsend. Gespielt empört schubste ich ihn an der Schulter. In dem Moment kam Paul rein. Ohne Jacobs Schwester. Eine gewisse Erleichterung machte sich in mir breit. Die verschwand aber recht schnell, als sich unsere Blicke trafen. Vielleicht lag es an Halluzinationen, verursacht von den Cocktails, aber ich bildete mir ein, so etwas wie Reue in seinem Blick zu erkennen. Verletzt wandte ich den Blick ab. Ich konnte mir denken, was die Beiden draußen gemacht hatten und eigentlich hätte es mir dezent am Arsch vorbeigehen müssen aber scheiße, das tat es nicht. Er ließ mich, seine gottverdammte Prägung, eiskalt stehen um zwanzig Meter weiter eine andere zu vögeln. Sein beschissener ernst? Die Erkenntnis tat weh. So hatte ich mir die Prägung echt nicht vorgestellt. Sie hatten mir immer gesagt, man fände damit seinen wahren Seelenverwandten. In unserem Fall war es aber wohl eher der Grund zum Selbstmord. Ich seufzte gequält auf. „Ich gehe mal kurz raus an die frische Luft", sagte ich zu Seth. Ich musste hier dringend raus. Noch fünf Minuten länger mit ihm in einem Raum und er wäre der erste Wolf in seinem Rudel, der kastriert ist. Seth musterte mich besorgt. „Soll ich mitkommen?", fragte er. Beschwichtigend winkte ich ab. „Nein, alles gut", versuchte ich so glaubhaft wie möglich rüber zubringen. Und bei jedem anderen hätte es wahrscheinlich funktioniert aber nicht bei Seth. Er kannte mich schon mein ganzes Leben, kannte mich in- und auswendig. Wehmut machte sich in mir breit. Warum konnte er sich nicht auf mich prägen? Mit ihm war alles so leicht. Wie atmen. „Ich will nur mal kurz alleine sein", gestand ich schließlich, als sein prüfender Blick immer noch auf mir ruhte. Verstehend nickte er. Als ich den Saal verließ, spürte ich Paul's Blick in meinem Rücken. Ich betete zu unserer beiden Unversehrtheit, dass er mir jetzt nicht nach draußen folgte. Das würde kein gutes Ende nehmen.
Draußen angekommen setzte ich mich auf die verschneite Treppenstufe vor dem Eingang. Es hatte mittlerweile aufgehört zu schneien. Ich zog meine Knie näher an den Körper, als mir langsam aber sicher kalt wurde. Ich hatte vergessen meine Jacke anzuziehen und bei den minus Graden und dem eisigen Wind, fror ich auch als Halbvampir. Damit hatte ich mich dann mal wieder erfolgreich für den Award als menschlichster Halbvampir ever nominiert.
Kurze Zeit später kam Seth raus. Er lächelte mir schwach zu und setzte sich dann neben mich. Kurz beäugte er mich prüfend. „Du hast kalt", schlussfolgerte er, als er mein leichtes zittern bemerkte. Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. „Ein bisschen", meinte ich nur. Kommentarlos zog er seinen Kapuzenpullover aus und zog ihn mir über den Kopf. „Danke", murmelte ich und hatte meinen Blick immer noch geradeaus in den Wald gerichtet. Vorsichtig stupste Seth mich von der Seite aus an. „Es wird besser. Bis jetzt hat jede Prägung zueinander gefunden", fing er an und lächelte mir aufmunternd zu. Kritisch erwiderte ich seinen Blick. „Ohne scheiß, Carlie, die Prägung macht keine Fehler. Er ist dein Seelenverwandter und du seine. Ihr seid füreinander bestimmt, du bist die einzig Richtige für ihn", fügte er ernst hinzu. Mit gequälten Gesichtsausdruck sah ich ihn an. „Mir wird schlecht", grummelte ich und hielt mir den Bauch. Seth schnaubte. „Jetzt werd nicht gleich wieder so theatralisch", ermahnte er mich halbherzig. „Nein, ernsthaft. Ich glaub, ich muss kotzen", kaum hatte ich das gesagt, hing ich auch schon über Treppengeländer. Schwer zu sagen, ob es an Seth's ernüchternder Rede oder an den Cocktails lag. Wahrscheinlich beides. „Soll...soll ich dir die Haare weghalten?", fragte Seth und stand mit besorgten Blick hinter mir. „Geh weg!", keifte ich ihn an und machte mit der freien Hand scheuch Bewegungen. Ein Seufzen seinerseits ertönte. „Du hättest keine Cocktails trinken sollen. Mit den Dingern könnte man in den Krieg ziehen, um die Feinde zu vergiften", erklärte er und zuckte gelassen mit den Schultern. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Ausgerechnet jetzt musste er mich belehren? Sein Ernst? Als ich sicher war, das nichts mehr folgte, ließ ich mich zurück auf die Treppenstufe sinken. Seth tat es mir gleich. Schmollend lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter. „Ich will nicht, dass er der Richtige für mich ist und ich will erst recht nicht, die Richtige für ihn sein", meinte ich und schnaubte wehleidig. Seth sah mich mitleidig von der Seite aus an, dann legte er seinen Kopf gegen meinen und schnaubte er ebenfalls. „Ich weiß", murmelte er leise.
Ich zuckte zusammen, als plötzlich die Tür hinter uns wuchtvoll aufgerissen wurde. Paul stand im Türrahmen und sah argwöhnisch zu uns herab. „Deine Mutter sucht dich", sagte er an Seth gerichtet. In seiner Stimme schwang Wut mit. Seufzend stand Seth auf. „Sehen wir uns drinnen?", fragte er mich. Ich nickte ihm bestätigend zu. Paul ließ Seth keine Sekunde aus den Augen, erst als dieser durch die Tür marschierte und außer Sichtweite war, machte er einen Schritt nach vorne, sodass die Tür ins Schloss fiel. Er sah zu mir und sein Blick traf mich mit voller Wucht. Es fühlte sich an, als würde mein Herz für den Bruchteil einer Sekunde stehen bleiben, nur um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen. Schnell wandte ich meinen Blick ab und richtete ihn wieder nach vorne. Ich hatte gehofft, dass er wieder reingehen würde aber das wurde zunichtegemacht, als er sich wenige Minuten später wortlos neben mich setzte. Mit genügend Abstand, so als würde er peinlichst genau darauf achten, bloß keinen Körperkontakt herzustellen. Ich schnaubte spöttisch. „Tut mir leid, dass du dich auf einen Halbvampir geprägt hast. Muss echt hart für dich sein? Rachel wäre dir bestimmt lieber", meinte ich schnippisch und sah ihn von der Seite aus an. Er verzog das Gesicht, als er seinen Blick nach unten auf den Boden richtete. "Mir tut es leid, dass es nicht Seth war, der sich auf dich geprägt hat. Das muss echt hart für dich sein", antwortete er schließlich und ich spürte, wie er versuchte, nicht die Fassung zu verlieren. Ich zog scharf die Luft ein. Wow, das saß. „Naja", meinte ich trocken und versuchte zu überspielen, wie sehr er damit ins Schwarze getroffen hatte, „Ehrlich gesagt, wäre mir jeder aus dem Rudel lieber als du". Sofort fing am ganzen Körper an zu zittern. Man sah förmlich, wie sich jede seiner Muskeln anspannte.
DU LIEST GERADE
Er kam, er sah und er ging - Prägung auf Umwegen (Twilight FF)
FanfictieCarlie Elizabeth Rose, jüngere Zwillingsschwester der bezaubernden Renesmee Cullen. Weniger talentiert, weniger perfekt. Als sie zum ersten Mal La Push betritt, hatte sie mit vielem gerechnet, aber nicht mit dem Bombenhagel, der plötzlich in ihrem...