-Kapitel 71-

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Drew

Wie in Trance starre ich in das Glas in meiner Hand. Das ist schon der dritte Drink, den ich mir heute erlaube und wie es aussieht wird es auch nicht der letzte für heute Abend sein. Als Cole mit Jamie im Schlepptau die Küche betreten, kippe ich den Jacky in einem Zug runter und knalle das Glas mit voller Wucht auf den Küchentresen.

»Willst du die ganze Zeit allein in der Küche rumgammeln?«, entgegnet Jamie als Begrüßung und krallt sich die Jacky Flasche um sich selbst einen Drink zu genehmigen.

»Das kann euch scheiß egal sein«, lalle ich leicht und schlucke daraufhin fest. Mir war während der letzten Stunde nicht aufgefallen, dass ich schon einen sitzen habe. Das kommt davon, wenn man aus dem Nichts wieder mit dem Trinken beginnt. Ich wollte das abschließen, nie mehr in diese schiefe Bahn geraten und wo stehe ich jetzt? Wieder am Anfang, nur ist alles noch viel schlimmer geworden.

»Ich glaube es wäre besser, wenn du heute nichts mehr trinkst.« Cole tritt vor mich, möchte nach meinem leeren Glas greifen, doch ich halte es schnell in die Höhe.

»Du glaubst, ja? Das hatten wir schon mal. Du hast auch geglaubt, es würde uns helfen zu erfahren was Luna weiß, aber in Wahrheit hat es alles nur schlimmer gemacht!«, fahre ich ihn an und merke, wie sich mein Griff um das Glas herum verstärkt. Meine Hand schmerzt, trotzdem mache ich weiter und taxiere Cole mit zusammengezogenen Augenbrauen.

Es ist schon fünf Tage her, seitdem die Bombe auf der Grillparty geplatzt ist. Fünf Tage, in denen ich Luna nicht einmal zu Gesicht bekommen habe. Sie ist weder in der Schule noch zu Hause. Auf meine Anrufe und Nachrichten geht sie erst recht nicht ein, sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Cole behauptet, dass nur Richard weiß, wo sie ist und wie es ihr geht. Sie hat sich von allen abgeschirmt, vor allem aber von mir.

In den letzten Tagen war ich so wütend auf Cole gewesen, ich konnte nicht mit ihm sprechen. Ich kann nicht fassen, wie er reagiert hat und dass er mich einfach in die Pfanne gehauen hat. Dann kommt mir wieder ins Gedächtnis, dass auch ich einen Fehler begangen habe. Nicht nur einen, sondern mehrere zugleich. Ich hätte Coles Aufforderung nicht nachkommen sollen, jedenfalls nicht so hinterhältig wie ich es getan habe. Luna hätte die Wahrheit von mir erfahren sollen und nicht auf diese grauenhafte Weise und das sie glaubt, ich wäre nur aus diesem Grund gerne mit ihr zusammen gewesen, rammt den Pfahl an meinem Herzen immer ein Stückchen mehr hinein.

Ich kann ihren eisernen Blick nicht vergessen, sie wirkte so zerbrechlich und verletzt. Sie wollte so schnell es ihr nur möglich ist verschwinden, Cole und Richard waren dabei keine große Hilfe. Und ich Vollidiot war in den ersten Minuten wie in einer Schockstarre. Ich konnte mich nicht bewegen, die Wände des Schuppens schienen mich zu erdrücken. Erst eine gefühlte Ewigkeit später setzten sich meine Beine in Bewegung und ich rannte an den Straßenrand. Ich klopfte an die Fensterscheibe, ich wollte, dass sie mich anhört und mir eine Chance gibt das alles zu erklären. Sie wollte nicht, sie sah aus, als hätte sie ihre Entscheidung getroffen. Und zwar, dass sie mich nie wieder sehen will.

»Endlich sprichst du das Thema mal an«, meint Cole gelassen und lehnt sich mit dem Rücken gegen das Waschbecken, seine Arme verschränk er lässig vor der Brust. Das Haus ist rappelvoll, Jamie hat schon wieder einen Haufen Leute eingeladen, von denen wir mindestens die Hälfte gar nicht kennen. Aus dem Wohnzimmer sind laute Stimmen zu hören, genau wie die Musik. Heute läuft ausschließlich amerikanischer Rap, was mein Verlangen meinen Kopf gegen die Theke zu schlagen, nur noch bestärkt.

»Wie konntest du es wagen, dich an Luna ranzuschmeißen?«, fährt er fort, als ich nichts erwidere. Ich brumme laut auf, greife nach dem Jacky und setze den Flaschenhals an meinen Mund. Das Zeug brennt wie Feuer in meinem Hals, trotzdem lasse ich es über mich ergehen. Ich kann dieses Gespräch mit Cole nicht führen und schon gar nicht in einem vollbehausten Stockwerk. Cole kommt auf mich zu, schnappt sich die Flasche und schüttet den gesamten Inhalt in das Waschbecken.

»Was machst du?«, schreit Jamie fassungslos.

»Ich versuche ein anständiges Gespräch mit Drew zu führen und dieses Zeug ist nicht hilfreich!«

»Auf einmal? Du und Jamie habt die letzten zwei Jahre versucht eure Gedanken mit dem Gesöff zu unterbinden, aber wenn ich einmal danach greife, ist es falsch?« Ich lache hysterisch auf und schnalze mit der Zunge. Mein Brustkorb wärmt sich langsam auf, die Wirkung vom Jacky erleichtert mir diese Konversation zu führen.

»Wenn wir uns unterhalten wollen, dann lässt du gefälligst die Finger vom Alkohol und von Luna auch!« Ich erhebe mich vom Hocker und taumle auf Cole zu. Nur mit viel Selbstbeherrschung komme ich einen Schritt vor ihm zum Stehen.

»Hör auf mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Als wir drei nach San Francisco gezogen sind, habe ich mich auch nicht in deine Angelegenheiten eingemischt und habe dich einfach machen lassen. Ich habe nicht gesagt, dass du ein Feigling bist, weil du Luna immer wieder von dir stößt. Ich habe sogar in Kauf genommen sie auszunutzen um dir deine beschissenen Informationen zu besorgen und wofür? Für das hier?« Ich deute abwechselnd auf uns drei.

»Damit wir aus dem Schneider sind? Nein. Ich bin Luna nicht aus Spaß an die Wäsche gegangen und auch nicht um dir deine Informationen zu besorgen. Sie wurde zu der wichtigsten Person in meinem Leben und ich werde das wieder geradebiegen, Cole. Ich möchte eine zweite Chance und wenn es nötig ist, erzähle ich ihr von der Wahrheit.« Ich funkle ihn scharf an, seine Lippen sind zu einer schmalen Linie gezogen, sein Körper bebt.

Da ich alles Nötige gesagt habe, verlasse ich mit schweren Schritten die Küche und steuere den Weg nach oben an.

-Losing Game-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt