5. Na schön, versuch es...

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Ich setzte mich auf und sah mich um. Da fiel mir ein, war Kai die ganze Zeit hier bei mir?

"Warst du die ganze Zeit hier?'' fragte ich ihn mit noch etwas zittriger Stimme.

Er nickte und setzte sich neben mich.

"Ich hab auf dich aufgepasst. Schlaf brauchte ich im Gegensatz zu dir nicht wirklich. Hab heute bis mittag gepennt. Und du siehst besser aus." lächelte er mich an. Wieso tat er sich das nur an? Er wollte ganz offensichtlich irgendwas von mir.

"Wieso rennst du mir eigentlich nach und machst dir Sorgen um mich? Ich stoße dich doch immer weg und hab mühe damit, dich nicht zu verletzen. Ich meine..." stammelte ich und sah ihm fest in die hellen, lebensfreudigen Augen. Er schüttelte den Kopf und flüsterte ein 'weiß ich nicht'

"Aber ich will es versuchen. Bitte lass mich an dich ran, ja?"

𝑲𝒐𝒎𝒎 𝒔𝒄𝒉𝒐𝒏 𝒑𝒓𝒐𝒃𝒊𝒆𝒓𝒔 𝒘𝒆𝒏𝒊𝒈𝒔𝒕𝒆𝒏𝒔.

𝑁𝑎 𝑠𝑐ℎ𝑜̈𝑛...

Ich seufzte, nickte aber dann und er grinste wie ein Honigkuchenpferd. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich schüttelte den Kopf.

"Komm kleiner. Ich mach dich mal bekannt. Meine Mutter wird sich über dich freuen." lächelte ich und stand auf. Er sprang auf und ging mir geduldig nach. Hoffentlich gewöhnte er sich daran, dass ich 1. ein Sturkopf bzw, wie mein Vater war, 2. Berührungen hasste und 3. eigentlich Einzelgänger war... Aber ja... er wollte es ja versuchen.

Zuhause angekommen rannte ich erstmal am Türrahmen an und stellte dann fest, dass meine Mutter ja heute arbeiten war und nur ein Zettel am Küchentisch lag

𝐻𝑎𝑙𝑙𝑜 𝑚𝑒𝑖𝑛 𝑆𝑐ℎ𝑎𝑡𝑧.
𝐼𝑐ℎ ℎ𝑎𝑏𝑒 𝑏𝑒𝑚𝑒𝑟𝑘𝑡, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑑𝑢 𝑤𝑜 𝑎𝑛𝑑𝑒𝑟𝑠 𝑏𝑖𝑠𝑡 𝑢𝑛𝑑 𝑤𝑜𝑙𝑙𝑡𝑒 𝑛𝑢𝑟 𝑠𝑎𝑔𝑒𝑛, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑖𝑐ℎ ℎ𝑒𝑢𝑡𝑒 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝑎𝑟𝑏𝑒𝑖𝑡𝑒𝑛 𝑚𝑢𝑠𝑠. 𝐸𝑠𝑠𝑒𝑛 𝑖𝑠𝑡 𝑛𝑜𝑐ℎ 𝑣𝑜𝑛 𝑔𝑒𝑠𝑡𝑒𝑟𝑛 𝑖𝑚 𝐾𝑢̈ℎ𝑙𝑠𝑐ℎ𝑟𝑎𝑛𝑘. 𝐷𝑢 𝑘𝑎𝑛𝑛𝑠𝑡 𝑑𝑖𝑟 𝑎𝑏𝑒𝑟 𝑔𝑒𝑟𝑛𝑒 𝑤𝑎𝑠 𝑘𝑜𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝑑𝑎𝑠 𝑣𝑜𝑛 𝑔𝑒𝑠𝑡𝑒𝑟𝑛 𝑒𝑠𝑠𝑒 𝑖𝑐ℎ 𝑑𝑎𝑛𝑛.
𝑏𝑖𝑠 𝑏𝑎𝑙𝑑.
𝑀𝑜𝑚

"Planänderung. Ich koch was." murrte ich und zeigte Kai den Zettel.
"Du kannst kochen?" fragte er verwundert und ich nickte.

"Is ja ganz normal, ne? Ich musste alles immer allein machen und mich um Mom kümmern. Also ja, ich kann kochen. Würde sagen, ganz gut sogar." murmelte ich vor mich hin, während ich diverse Kochutensilien herrichtete. Kai staunte und sah mir die ganze Zeit zu. Er war richtig begeistert, als ich das Essen auf den Tisch stellte. Schmunzelnd räumte ich auf und setzte mich ihm gegenüber auf die Bank. Ich hatte schnell Bernerwürstel gemacht, was nicht gerade eine Kunst war, aber er schien, so und so garnicht kochen zu können. Auf einmal hörte ich einen lauten, nahen Song und fuhr hoch. Verzweifelt versuchte ich, die Gabel wieder zu fangen und als mir das gelang, sah ich zu Kai, der sein Handy in der Hand hatte. Er zitterte und sah ängstlich auf den Bildschirm. Als ich fragte, wer das war, antwortete er mit 'ein Bekannter' und verschwand aus dem Raum. Er redete hitzig mit jemandem und alles was ich verstand war

"Heute... raus... beschäftigt... Schule... ende..."

Als er wieder zurückkam, sah er verängstigt aus. Schweigend setzte er sich wieder hin und starrte auf seinen Teller. Ich stand seufzend auf, ging zu ihm und drehte seinen Kopf zu mir.

"Wer war das?" fragte ich in strengem Ton und beugte mich zu ihm. Er versuchte, wegzusehen aber ich ließ ihn nicht. Er fing an, zu zittern und kniff die Augen zusammen. Ich ließ ihn los und räumte schnell die leeren Teller weg.

"Steh auf." befahl ich ihm. Verwirrt sah er mich an und bekam einen mach-schon-blick von mir zurück. Schnell stand er auf und ging vom Tisch vor. Ich zögerte nicht lange, beugte mich weiter runter und hob ihn mit einem Ruck hoch. Im Brautstyle trug ich ihn die Stufen hoch in mein Zimmer.
"Was?... waru-..." weiter kam er nicht, den ich ließ ihn demonstrativ aufs Bett fallen und schmiss ihm die Fernbedienung zu.

"Such du aus. Ich hol Kekse. Schoko macht ja bekanntlich happy." flüsterte ich und drehte mich um. Als ich zurückkam saß er im Schneidersitz auf dem Bett und schaltete auf Netflix herum. Kai grinste mich an und klickte auf einen Film namens 𝑀𝑜𝑛𝑠𝑡𝑒𝑟 ℎ𝑢𝑛𝑡𝑒𝑟. Kannte ich zwar nicht, aber hörte sich gut an. Also klickte er auf play und ich bastelte daran herum, die Keksverpackung aufzubekommen. Ich schloss noch die Tür, dimmte das Licht mit den Vorhängen und plazierte meine 5 Buchstaben mit etwas Abstand neben Kai. Er knabberte schon an einem Keks und starrte gebannt auf den Bildschirm. Das nutzte ich aus und ließ meine Hand vorsichtig in seine Jackentasche gleiten, um sein Handy rauszuholen. Der Anruf, der ihm so Angst machte, ließ mich einfach nicht los... also schaute ich schnell, wer ihn zu letzt angerufen hatte und traf auf einen wohlbekannten Namen. Jay. Er war dieser typische Mobber, der mit seiner Gang alle kleineren unter Druck setzte. Keine Ahnung, wieso er seine Nummer hatte, aber ich wusste, dass das keinen guten Grund hatte. Am Montag würde ich eben mal schauen, was Kai und Jay so machten.

Als der Film aus war und ich Kais Handy unauffällig wieder zurückgegeben hatte, war die Kekspackung auch schon leer. Ich stand auf und ging schnell runter, um die leere Verpackung wegschmeißen. Als ich wieder rauf kam, lag Kai mit geschlossenen Augen auf meinem Bett.
"Brauchst keinen Schlaf, hm?" flüsterte ich belustigt und deckte ihn vorsichtig zu.

𝑰𝒓𝒈𝒆𝒏𝒅𝒘𝒊𝒆 𝒔𝒖̈𝒔𝒔 𝒉𝒎?

𝐽𝑎, 𝑠𝑐ℎ𝑜𝑛...

Ich setzte mich einfach leise auf meinen Schreibtischstuhl und fischte ein Zeichenblatt aus der Lade. Dann begann ich das, was ich am besten konnte. Zeichnen. Feine Striche zogen sich über das Blatt, hier ein Schatten dort eine Form. Ich hielt das Blatt hoch und bemerkte erst jetzt, was ich überhaupt zeichnete...

Es war der lächelnde, lebensfreudige Kai.

𝑀𝑦 𝐷𝑎𝑟𝑘𝑠𝑖𝑑𝑒 [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt