Kapitel 4: Nachts im Park
Lillians Sicht
Wie bin ich hier herkommen? Mein Kopf dröhnt und ich fasse mir an die Stirn. Sie glüht. Na super, sind das auch irgendwelche Nebenwirkungen von diesem Alk. Was das genau ist weiß ich immer noch nicht. Ich weiß aber, dass ich keinen Plan habe wo ich bin und es hier ziemlich dunkel ist. Ich gehe die Straße hinunter, wobei ich mir beim Atmen zu hören kann. Sonst höre ich nichts. In meinen Ohren hört sich alles 3-mal so laut an, was mich ein bisschen beunruhigt. Ist das bei Menschen auch so?
Nach einer Weile habe ich das Ende der Straße erreicht, die wirklich lang war und stehe nun vor einem schwarzen Eisentor. Ich kann ein Schild im fahlen Licht erkennen, es stand irgendwas mit Park darauf. Ich dachte mir nicht viel und versuche nun das Tor zu öffnen, wobei ich eine Eisenstange aus dem Boden ziehen muss. Es glückt mir nicht, die Eisenstange flutscht mir dauernd aus der Hand. Zudem bekomme ich ein seltsames Gefühl im Magen, ich hoffe mal das ist nichts Schlimmes.
Endlich gelingt es mir und ich schwinge das Tor zur Seite. Es ertönte ein kurzes Quietschen, das meine Ohren schmerzlich wahrnehmen. Wodurch das Dröhnen im meinem Kopf an Stärke gewinnt und das seltsame Gefühl in der Magengegend will auch nicht nach ein paar Schritten in diesem Park verschwinden. Auch das Gehen selbst fällt mir nicht leicht, in wechsel von der linken Seite auf die rechte Seite des Weges und umgekehrt. Nennt man das nicht Schlangenkurven gehen? Aufjedenfall möchte ich das es aufhört. Ich stützte mich auf der nächstbesten Banklehne ab, die ich durch das Laternenlicht erkennen kann.
Und versuche das was in meinem Körper passiert unter Kontrolle zu bringen, aber ein bitterer Geschmack, der jetzt in meinen Mund gelang, bestätigt mir wie machtlos ich bin.
Ich kann es nicht aufhalten, gehe ein Schritt nach rechts, weg von der Bank und krümme mich zu Boden, sofort läuft eine bräunliche Flüssigkeit (?) oder ein Brei aus meinem Mund.
Ein widerlicher Geschmack gewinnt die Oberhand, worauf ich noch mehr zu Boden spucke. Wenn mich so jemand sieht.
Dann sehe ich so schwach aus, wie mich alle halten, schießt es mir durch den Kopf.
Ich würge immer mehr heraus und merkte dabei gar nicht, dass jemand hinter mir steht und mir die Haare aus dem Gesicht hält. Nach einer gefühlten Ewigkeit bin ich leer.
Vollkommen.
Auf meiner Zunge liegt ein säuerlicher, einfach ekliger Geschmack, den ich sicherlich nicht so schnell wegbekommen werde.
„Hier", erklingt eine sanfte dunkle Stimme hinter mir, wobei eine Hand mir ein Papiertuch reicht.
Ich möchte fragen, wer das überhaupt ist und mich bei demjenigen bedanken, aber ich bringe kein einziges Wort über meine Lippen. Ich nehme es zitternd entgegen. Jetzt erst nehme ich die Kälte wahr. Wieso hab ich das vorher nicht bemerkt. Ich fühle mich ausgelaugt und wische mir den Brei vom Mund. Sowas möchte ich nie wieder erleben. Wirklich nie wieder.
Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Nur verschwommene einzelne Bilder tauchen vor meine Augen auf, Menschen die tanzen, laute Musik und überall standen Flaschen rum und ein Satz geht mir durch den Kopf. „Trink nicht zu viel, sonst musst du kotzen". Warum hab ich darauf nicht gehört?
Resigniert betrachte ich das Papiertuch in meiner rechten Hand, als würde es mir Antworten geben können. Ich möchte nicht schwach sein. Ich weiß, dass mein Helfer noch hinter mir stehen muss. Er hält noch immer meine Haare, wofür ich sehr dankbar bin, denn Haare, die nach diesem widerlichen Brei stinken, wären nicht gerade vom Vorteil. Alle würden mich fragen, was ich angestellt hatte.
Ich entnehme meine Haare seinem Griff, wobei ein Finger von ihm zufällig mein Gesicht streift. Es kribbelt an der Stelle und mir wird augenblicklich wärmer. Wer ist das? Hoffentlich kenne ich denjenigen nicht.
Letztendlich drehe ich mich um und schaue auf. Dunkelbraune besorgte Augen sind auf mich gerichtet. Augen die mir sehr bekannt vorkommen, aber nicht zuordnen kann. In meinem Kopf herrscht Nebel. Diese dunkelbraunen Augen, die sanft und wütend sein können, woher kenne ich sie. Es muss ein Ort sein, wo ich schon öfters war.
„Du musst sicherlich frieren bei den Temperaturen."
Ja das stimmt. Ich schaue an mir herunter, ich hab schon lange vergessen, was ich an hatte. Nicht viel eine Hose und ein Pullover, der nicht gerade warm hält. Als ich den Mann vor mir wieder anschaue, hält er mir schon seinen Mantel entgegen. Er lächelt mich aufmunternd an, damit ich ihn auch nehme.
Sobald umhüllt mich eine wohlige Wärme und ich atme den Duft des jungen Mannes ein, er riecht nach Meer und Zimt. Ich kenne diesen Duft. Schlagartig fällt es mir von den Schuppen. Es steht kein geringerer als mein Lehrer vor mir. Herr Stolz.
Da hab ich mir was Schönes eingebrockt. Wie war das noch mal mit dem unauffällig sein? Wieso muss mir auch mein verdammter Physiklehrer helfen! Hat der nichts Besseres zu tun, das haben Menschen doch immer.
„Nichts zu danken", verkündet mein junger Lehrer ruhig.
„Lillian?" Es hört sich nicht nach einer Frage an, eher um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Seine Augen haben eine beruhigende Wirkung auf mich, sodass ich ihn erst mal reden lassen. Stumm nicke ich, als Zeichen, das er fortfahren kann.
„Was war das gestern? Hast du Probleme in der Klasse? Zuhause?"
Verblüfft schaue ich ihn an. Ich hätte jetzt etwas anderes erwartet, ich weiß nicht genau was aber ich rechnete nicht mit so einer Frage. Ob ich Probleme habe? Ja gewaltige, aber die würde er nicht ansatzweise verstehen.
„Nein", antworte ich nur in der Hoffnung es wäre dann geklärt.
„Nun gut, dann sag deinen Eltern, dass ich am Montag in der 4.Stunde Sprechstunde habe." Eltern, ja ganz sicher. Wenn er das unbedingt möchte. Er muss meinen belustigten Blick gesehen haben, denn er fügt noch ein „Außer du möchtest selbst mit mir sprechen." hinzu.
Nein ich möchte nicht mit ihn über meine Probleme reden. Er würde sie nicht verstehen und das alles zu erklären, dafür hätte ich keinen Nerv. Außerdem sollte ich ja gar nicht auffallen.
Wir schweigen einen Moment lang. Ich betrachte meinen Lehrer in dem Laternenlicht genauer. Er hat eine verwaschene Jeans und nur noch ein graues T-Shirt an, wodurch man seine Muskeln am Oberarm besser erkennen kann auch hat er eine sehr breite Schulter. Warum ist er wohl Lehrer geworden?
„Geht es dir jetzt wieder besser?" Sein Kopf weist kurz in die Richtung in der, das Ausgekotzte verweilt. „Ja." Ich möchte dieses Gespräch nicht weiter führen, ich habe heute schon zu viel falsch gemacht. Doch eine Frage brennt mir förmlich auf der Zunge.
„Wieso machen sie das?", frage ich ihn aufgebrachter als ich wollte. Ein verwunderter Gesichtsausdruck ziert sein fast quadratisches Gesicht.
„Du willst wissen warum ich mir Sorgen machen?" Ich quittiere seine Vermutung mit einem Nicken. Er seufzt.
„Ich meine die meisten Menschen sind abweisend, kümmern sich nur um sich allein. Ich habe das schon oft genug beobachtet. Wenn ich jemand schon nach der Uhrzeit frage, ist dieser genervt. In der Schule ist es nicht besser." Herr Stolz fährt sich durch seine dunkelbraunen etwas längeren Haare. Er nickt verständnisvoll.
„Lillian ich bin nicht so wie du glaubst", gibt er bedauernd zu. Woher will er wissen, was ich von ihm halte oder denke? Er will es anscheinend nicht bei dem Satz belassen, denn er setzt von neuem an.
„Ich bin verwundert, dass du so über uns Menschen sprechen kannst. Es steckt viel Wahres in deinem Gesagtem."
„Weil wir anders sind", murmle ich und hoffe, dass er es nicht gehört hat. Anscheinend ist mein Lehrer aber mit einem guten Gehör gesegnet. „Wir?", bei der Frage zieht er die Stirn kraus. Es lässt ihn älter wirken und viel zu ernst.
„Das verstehen Sie nicht", erwidere ich entschieden.
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Danke an alle, die meine Geschichte lesen und ich hoffe sie gefällt euch :)
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Wie aus einer anderen Welt
RomanceDie Vergangenheit fordert viel von uns, die Gegenwart aber auch. Alex ist ein junger Lehrer am Gymnasium, der seit viele Monaten nur für seine Arbeit lebt. In dieser Zeit kümmert er sich auch verstärkt um leistungsschwächere Schüler/-innen. Jedoch b...