Schlafen und Erwachen

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Kapitel 6: Schlafen und Erwachsen

Lillians Sicht

Wir gelangen wieder in den Eingangsbereich seiner Wohnung. Kurz muss ich die Augen zusammen kneifen, denn das Licht blendet mich.

Es ist eigenartig wie er auf meine Geschichte, die ich eigentlich niemals jemanden anvertraut hätte, reagiert. Er fällt einfach aus dem Schema eines Menschen.

Mein Lehrer öffnet nun die Tür eines Zimmers, das der Küche gegenüberliegt. Der Raum wird, durch eine Stehlampe in ein sanftes, dämmerndes Licht getaucht. Es ist ein Schlafzimmer. Er steht einfach neben mir und lässt mich den Raum inspizieren.

Die Wände sind in einem hellgrau gestrichen, es wirkt nicht zu dunkeln, sondern einladend, genauso wie das Bett aus dunklem Holz, mit blutroter Bettwäsche. Es ist kein Doppelbett, sondern nur für eine Person, bin mir aber sicher, dass hier mein Lehrer seine Nächte verbringt. Auf seinem Nachtkästchen steht ein Foto und es liegen auch ein paar Bücher darauf. Ob er die alle schon gelesen hat? Ich habe noch nie ein Buch gelesen, außer die Schulbücher.

Mein Blick geht weiter zur Fensterfront. Hier findet man ein Fenster vor, das eigentlich eine Tür ist, denn es ist genauso groß. Ein Blick nach draußen und ich stelle fest, es ist noch immer dunkel draußen und ich bin froh, so kann ich mir noch ein bisschen Schlaf holen, bevor ich mir Lösungen einfallen lassen muss.

„Ich denke mir du bist sehr müde und Schlaf würde uns beiden jetzt nicht schaden", eröffnet er wieder das Gespräch. Erschrocken drehe ich mich zu ihm, ich hab schon ganz vergessen wie sich seine Stimme anhört. Sie nimmt den ganzen Raum ein und mich überkommt, das Gefühl von Sicherheit. Was denke ich da eigentlich? Ich bin nirgendswo sicher.

„Ja das ist eine gute Idee", erwidere ich.

„Du kannst hier schlafen, ich werde im Wohnzimmer sein. Wenn etwas ist kannst du jederzeit zu mir kommen. Einfach den Flur gerade aus", erklärt er in einem ruhigen Ton. Jetzt geht er zum Schrank, der mir vorhin gar nicht aufgefallen ist, obwohl er schwarz ist. Ich gehe einen Schritt zur Seite, damit mein Lehrer durchkommt, denn der Schrank steht gleich rechts neben mir.

„Du möchtest bestimmt nicht in deiner jetzigen Kleidung schlafen", wobei er mir eine schwarze etwas weitere Hose und ein einfaches schwarzes T-Shirt in die Hand drückt. Ich möchte einfach nur schlafen, deshalb nehme ich die Kleidung kommentarlos an. „Das Bad ist gleich hier rechts." Herr Stolz zeigt auf die Tür. Ich nicke und verschwinde dahinter.

Im Bad zieh ich mich erstmal um. Ich hab noch immer seinen Mantel an und sauge ein letztes Mal seinen Duft ein. Er beruhigt mich einfach und schiebt meine Probleme ein Stück weg von mir. Seufzend lege ich den Mantel über die Badewanne und entledige mich anschließend von meinem restlichen Anziehsachen. Sie stinken entsetzlich nach Kotze. Wieso hat mein Lehrer kein Wort darüber verloren, dass ich so stinke? Naja seine Sache. Ich zieh mir flink noch die neuen Anziehsachen an, die natürlich viel zu groß sind.

Als ich wieder ins Schlafzimmer eintrete, sehe ich meinen Lehrer auf der Bettkante sitzen, das Bild vom Nachttisch in der Hand haltend, sein Kopf zu Boden geneigt. Ich habe ihn nie zuvor so gesehen, so zerbrechlich, kein besseres Wort fällt mir ein um das Bild zu beschreiben, das sich mir darbietet. Er hat mich noch nicht bemerkt. Ich schließe die Badezimmertür vorerst nicht und schleiche auf Zehenspitzen um das Bett herum. Ohne zu wissen warum ich das mache, setzte ich mich neben ihn und lege eine Hand auf seinen warmen Arm. Es erschien mir richtig, in diesem Moment, doch er entzog seinen Arm, bleibt aber weiterhin sitzen. Was ist ihm nur widerfahren? Langsam stellt er das Foto wieder auf das Kästchen und geht zur Schlafzimmertür.

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