Erfolgreiche Reparatur

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Ich brauchte für die Befestigungen des Querbalkens den ganzen Vormittag. Das Mittagessen ließ ich einfach aus, genauso wie eine Pause. Erst, als ich den Kaffee wirklich nicht mehr in meiner Blase lassen konnte, eile ich zur nicht weit entfernten, nächsten Toilette. Da die Kabinen einzeln abgetrennt waren, sah mich auch keiner der Männer. Mal davon abgesehen, dass sowieso keiner da war.

Als ich wieder zurück zur Werkstatt ging und die Tür aufstieß, kam mir der Geruch von Essen entgegen. Wie auf Knopfdruck knurrte mein Magen. Meine Augen scannten den Raum ab, bis ich auf einem der Schübe einen Teller mit dampfenden Curry entdecken konnte. Daneben standen mehrere Flaschen Wasser. Nur ich konnte niemanden entdecken, der mir mein spätes Mittagessen gebracht hatte.

Auch wenn ich das Curry genießen wollte, schlang ich es innerhalb von Minuten herunter. Da-nach trank ich eine der Wasserflaschen auf Ex aus, ließ meine übrige Luft aus meinen Lungenflügeln und arbeitete an den dringend benötigten Befestigungen weiter.
Zwei musste ich noch fertigen. Da ich bereits die benötigte Größe meiner Materialien zusammen hatte, brauchte ich nicht mehr lange. Zum Schluss bepinselte ich die fertigen Teile mit einem speziellen Lack.

Seufzend betrachtete ich meine fertigen Befestigungen und strich mir den Schweiß von meiner Stirn. Nur leider wurde die kommende Arbeit nicht weniger schweißtreibend. Da der Navigator noch nicht Alarm geschlagen hatte, nahm ich den normalen Leim. Mehrere Eimer schleppte ich gleichzeitig an Deck und stellte sie geordnet neben den Hauptmast hin. Dabei wurde ich von vielen aus der Crew beobachtet.

„Wie sieht es aus?", Bens Stimme veranlasste mich dazu, mich zum Steuerrad umzudrehen. Dafür musste ich gegen die stechende Sonne sehen und kniff meine Augen zusammen, um ihn richtig erkennen zu können. Zum Glück gab er seine Position auf und kam die wenigen Treppen zu mir zum Hauptdeck herunter. „Ich bin fertig mit den Befestigungen. Die letzten trocknen noch. Ich werde alle an Deck bringen und mit der eigentlichen Arbeit anfangen." Da-bei zeigte ich über mich auf den aktuell sehr schief hängenden Querbalken.

Der Vize nickte. „Ein paar Männer sollen dir beim tragen helfen. Rick, Mars und Jack. Helft Sagi." Er deutete mit einem Kopfnicken auf die drei Männer, welche an der Reling herumlungerten. Mit einer Handbewegung von Ben zur Tür unter Deck standen die Piraten schwerfällig auf. „Aye, Ben.", gab einer mit einem roten Kopftuch die Antwort. „Wohin?", fragte ein Anderer mit schwarzem Freibeuterhemd. „In die Werkstatt. Kommt, ich zeig euch den Weg."

Ich trottete voran, nahm die zusätzliche Hilfe gerne entgegen. Immerhin brauchte ich so nicht ständig hin und her laufen.

Rick, Mars und Jack protestierten nicht, als ich ihnen die ganzen Befestigungen zeigte, die an Deck mussten. Sie nahmen wohl ihr Schicksal hin, heute als meine Arbeitskräfte abgeordnet worden zu sein. Dafür sahen sie sich ein wenig in der Werkstatt um, bis ich alles zusammen-hatte.

Gemeinsam mussten wir nur zweimal umherlaufen, bis alle Materialien an Deck waren. Als alles stand, wo es sein sollte, breitete ich ein großes Netz aus. Das würde ich mit Seilen hoch-hieven, um die Materialien auch Griffbereit am Mast zu haben. Immerhin musste ich es in der luftigen Höhe montieren, etwas anderes blieb mir nicht übrig.

„Sollen wir dir noch weiter helfen, Sagi? Allein bekommst du das doch alles gar nicht hin." Mars, der das rote Kopftuch trug und seine langen Rasterlocken zurückgebunden hatte, trat auf mich zu und deutete auf das Netz. Überrascht hielt ich inne und musterte die Drei. „Ihr seid doch eigentlich erlöst von eurer Aufgabe, oder?" „Das stimmt schon, aber ohne Hauptsegel kommen wir nicht weit. Wir gehören zum Navigationsteam weißt du? Wir wissen, wie wichtig das hier ist.", erklärte nun Rick und rückte sein Freibeuterhemd zurecht. Jack nickte nur zu-stimmend.

Blinzelnd und baff über diesen Arbeitseifer musterte ich die Drei, ehe ich nickte. „Okay, ja ein paar helfende Hände wären nicht verkehrt. Gut, dann erklär ich euch mal das Wichtigste..."

Die kommende Stunde ging ich mit ihnen durch, was ich vorhatte und wie ich den Querbalken wieder anbringen musste. Sie hörten mir die ganze Zeit zu und stellten sogar Fragen, wenn sie etwas nicht verstanden. Dieser Arbeitseifer war mir neu - jedoch konnte ich sie auch verstehen. Wie sie bereits sagten: Es hatte oberste Priorität, das Hauptsegel mit dem Querbalken wieder an den Hauptmast zu befestigen.

Am späten Nachmittag, ca. 16 Uhr wenn ich mich anhand dem Stand der Sonne orientierte, hängte ich mit meiner Ausrüstung in den Seilen. Zuerst brachte ich die ganzen Halterungen an, dann musste ich den Leim verteilen. Dabei koordinierte mich Mars mit meinen Seilen, während Rick und Jack ein paar andere Männer zusammengetrommelt hatten, um den Querbalken an die richtige Position zu bringen.

Sobald ich zufrieden war mit meinen Halterungen, blickte ich nach unten zu Mars und hob meinen Daumen. Sofort bellte er einen Befehl und der Querbalken wurde nach oben gezogen. Bei den letzten Zentimetern drückte ich meine Schulter unter den Balken und wedelte mit meiner Hand, dass sie langsamer werden sollten.

Was sich auf dem Deck abspielte, bekam ich nicht mehr mit. Mein Fokus war ganz und gar auf die Arbeit gerichtet. Der Querbalken musste perfekt am Hauptmast anliegen, sonst gab es keine Stabilität und er würde wieder nach unten krachen.

Ich brauchte lange, bis ich wirklich zufrieden war mit der Position des Balkens. Erst danach drückte ich den Balken endgültig an den Mast und befestigte ihn mit viel Leim und weiteren Befestigungen.

Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden bereits hinter dem Horizont, als ich mich abseilte und wieder festen Boden unter den Füßen bekam. Zufrieden sah ich nach oben, musterte den an der richtigen Stelle befindenden Querbalken mit dem neuen Hauptsegel. Dieses war jedoch eingeholt, noch durfte der Balken nicht belastet werden. Viele Seile hielten das Holz dort, wo es auch hingehörte, bevor der Leim endgültig fest wurde.

Dieser Grund war es auch, warum ich die Takelage noch nicht wieder angebracht hatte. Aber ich war stolz auf meine erste wirkliche Arbeit an Board der Red Force.

Neben mir blieben Mars, Rick und Jack stehen. Grinsend starrten sie nach oben, genauso wie ich. „Das war wirkliche eine gute Teamarbeit! Wenn du uns wieder brauchst, wir helfen dir gern.", Mars klopfte mir anerkennend auf die Schulter. „Bist ein toller Kerl, Sagi.", gab Rick von sich. Jack nickte nur wieder unterstützend.

„Danke.", leicht verlegen kratzte ich mir am Hinterkopf. So viel Lob war ich gar nicht gewohnt..

„Das sieht doch schon wieder nach einem anständigen Schiff aus. Gut gemacht!" Die Stimme von Shanks ließ uns alle umdrehen. Breit grinsend stand er am oberen Deck und sah zu uns herunter. „Danke Boss!", die drei Piraten salutierten. Verwirrt musterte ich sie, dann schüttelte ich nur grinsend den Kopf und tat es ihnen verzögert gleich.

Jetzt lachte Shanks. Und bevor ich es wirklich realisierte, rief er auch schon: "Das schreit nach einer Party!"

Mein Magen zog sich geschockt durch die letzte Party schmerzhaft zusammen und gequält verzog ich mein Gesicht. "Bitte nicht!"

Leider hatte ich keine andere Wahl...

Kaum hatte der Rothaarige erneut verkündet, dass er wieder eine Party schmeißen wollte, wurden Tische und Stühle aus der Kombüse ins Freie getragen. Ich hatte mich mit vor der Brust verschränkten Armen an die Reling etwas abseits gestellt und beobachtete kritisch das Treiben an Deck. Mein Gesichtsausdruck schien nicht der glücklichste zu sein. Jeder, der irgendwie in meine Nähe kam, zog mich bitterlich auf. "Nah, Sagi? Wieder am Wetten heute Abend?" "Wie wärs mit Stripp-Poker? Dann lernen wir dich auch mal so richtig kennen!" "Wetten, du verlierst im Wett-Essen gegen mich?" Der letzte Kommentar kam von Lou. Einem großgewachsenen Piraten. Er hatte immer - wirklich IMMER - etwas zu Essen in der Hand, wenn ich ihn sah. Wie schaffte er das, verdammt? Ich wollte das auch können! Nur wollte und brauchte ich seinen Körperbau nicht. Immerhin war es deutlich zu erkennen, dass er immer aß.

"Ich weiß nicht, im Essen ist er viel zu schlecht. Seh ihn doch an! Ein Klappergestell!" Yasopp, der Scharfschütze und zuständiger Kanonier formte mit seinen Händen einen Strich und kicherte. Ich rollte mit den Augen, Lou fiel ins Lachen mit ein. "Denkst du? Vielleicht versteckt er ja was unter dem dicken Stoff seines Overalls!" "Ja, einen großen Schwanz! Dann kann ich dich schön hart rannehmen!", antwortete ich prompt. Kurz war es totenstill an Deck, dann brachen die meisten vor Lachen zusammen. "Mensch, der hats euch gegeben!" "Dass die Unteroffiziere auch immer so frech sein müssen!" "Jetzt will ich dich aber wirklich mal nackt sehen, Sagi!"

Lauter solcher Kommentare folgten. Und ich? Ich grinste vor mich hin.

Bis sich eine Hand tätschelnd auf meinem Kopf wiederfindet. Langsam sah ich nach links und fixierte Linux. Der Arzt grinste, tätschelte mich weiter und hörte erst auf, als ich seine Hand wegschlug. "Dass du dich gleich mit den Unteroffizieren anlegen musst...", kicherte er, "Du musst eine schlechte Laune haben." "Ach, so eng sehen wir das nicht. Indirekt haben wir es ja auch verdient.", gab Yasopp seine Meinung dazu ab und grinste breit. "Aber deine Schlagfertigkeit... man merkt echt, dass du vom Handwerk stammst." Lou nickte lachend, dann verabschiedete er sich zum mittlerweile aufgebauten Büfett.

Ich sah ihm mit hochgezogener Augenbraue hinterher. "Ist das jetzt gut oder schlecht..." "Beides! Und jetzt kommt schon Neulinge, sonst plündert Lou noch das Essen und wir bekommen nichts mehr ab!" Yasopp kannte keine Gnade. Er packte Linux und mich und schleifte uns mitten ins Geschehen der startenden Party.


Später am Abend sah ich mich verstohlen um. Die Wenigstens beachteten mich, keiner interessierte sich wirklich für mich. Yasopp befand sich mitten in einem Tanz-Battle mit einem seiner Truppe, Lou plünderte die Reste des Büfetts, Ben blieb nüchtern und machte gerade einen Kontrollgang am Heck. Linux lag betrunken in im Getümmel und schnarchte. Und Shanks? Der stand am Bug und pinkelte ins Meer.

Meine Gelegenheit, mich unbemerkt einfach davon zu stehlen. Zufrieden grinsend lief ich durch die spärlich beleuchteten Gänge der Red Force, strich sanft über das Holz der Wände und gelangte ohne Zwischenfälle in meine Kajüte. Dort warf ich alle Klamotten von mir und stellte mich unter die Dusche.

Ein entspannter Laut glitt aus meiner Kehle und langsam rollte ich meine Schultern, um die Anspannung loszuwerden. Ich ließ mir unglaublich viel Zeit, stieg zufrieden und schläfrig aus der Nasszelle und trocknete mich träge ab. Zum Schlafen zog ich die selben Klamotten wie letzte Nacht an, bevor ich das Bad verließ und auf den Balkon spazierte.

Dort setzte ich mich an die Wand neben meiner Tür, streckte meine Beine aus und starrte in den Sternenhimmel.

Dank der fehlenden Wolken konnte ich einige Sternenbilder sehen. Sowohl die der Menschen - aber auch meine eigenen, bzw. die aus meinem Volk. War das nicht Amaterasu dort oben? Die Göttin der Sonne in Gestalt eines Löwen. Wenn wir heute unter ihrem Sternenbild segelten, dann hieß das Sonne für die nächsten Tage. Ein wunderbares Zeichen für meinen trocknenden Leim.

Aber auch, wenn mich der Anblick des Löwen glücklich stimmte, so vermisste ich doch auch ein wenig meine Heimat. Ein kleines bisschen zumindest.

Ein Ziehen begann in meiner Brust immer stärker zu werden und seufzend schloss ich die Au-gen. Wann war ich wohl zuletzt in meiner tierischen Gestalt gewesen? Es musste Monate her sein. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich mich anfing zu konzentrieren und mein Körper kleiner wurde. Heute war doch eine schöne Nacht, um meine Gestalt anzunehmen.

Und während sich in meinem Körper die Knochen verformten, knackten und brachen, bildete sich schneeweißes Fell über meiner Haut. Ich spürte die Schmerzen, die jedes verdammte Mal mit der Verwandlung präsent waren. Aber ich schrie nicht. Ich biss mir auf die Zunge, schmeckte mein eigenes Blut.

Nach Minuten der Qual verklangen die Schmerzen und ich öffnete meine Augen wieder. Jetzt war ich kleiner als die Reling, und doch fühlte ich mich endlos frei. Prüfend streckte ich meine Pfoten, ließ meine Hinterläufe ein wenig kreisen und stellte meine langen Ohren auf.

Dann wackelte ich mit meinem Hintern und schon sprang ich in die Höhe. Mein Sprung war weit, beinahe bis zum anderen Ende des Balkons, wo Ben seine Kajüte hatte. Meine Landung dafür war sehr tollpatschig. Ich kullerte über meinen eigenen Kopf. Alle viere von mir gestreckt blieb ich auf dem Bauch liegen und pustete, bis ich aufsprang. Immer wieder hoppelte und sprang ich als Schneehase über den Balkon, bis sich meine Motorik soweit verbessert hatte und ich sicher auf der Reling hocken konnte.

Dieses Gefühl hatte ich unglaublich vermisst. Auch, wenn ich nicht groß war als Hase, fühlte ich mich in der Tierform einfach frei und glücklich. Das war ich. Der Hase war ich und ich war der Hase. So wie mein Name es sagte. Nousagi steht für Hase.

Nousagi steht für Hase [One Piece]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt