Neuer Status und mitsich bringender Streit

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Nach etlichen weiteren Stunden Arbeit stand ich auf dem beinahe fertigem Schiff der Rothaarpiraten. Zufrieden inspizierte ich alles ins kleinste Detail. Dabei arbeitete ich die Liste auf meinem Klemmbrett ab, strich Notizen wenn diese bereits erledigt waren und notierte neue Dinge hinzu, wenn etwas fehlte.

Doch schien alles soweit fertig zu sein. Die Galionsfigur fehlte noch, die würde ich heute Nacht fertig stellen und somit ein Stück des alten Schiffes einarbeiten. Hoffentlich würde somit die Seele des Schiffes übernommen werden, auch wenn das Schiff neu wirkte.

Nachdenklich lehnte ich mich an die Reling und fuhr dessen Konturen nach. Das Holz besaß einen leichten Rotton, passend für den Namen der Bande. Der Farbton des gesamten Schiffes passte meiner Meinung nach sehr viel besser zu der Crew und dessen Kapitän. Die Frage war nur, ob es ihnen so gefiel. Nicht einmal Shanks hatte das Schiff sehen dürfen. Nur ich und meine ausgewählten Arbeiter. Der Chef im übrigen auch.

Als ich so an meinem Stift zu knabbern begann und über den letzten Schliff nachdachte, kam mir etwas in den Sinn. Ich könnte ja eigentlich die Piraten selbst fragen, was sie als Design noch wollten oder sich vorstellen konnten.

Gedacht, getan. Mit einem Sprung befand ich mich schon auf dem Weg zu ihrem Quartier. Die sonst leerstehenden Schlafräume dienten der Werft schon länger als Unterkunft für Seeleute, die ihr Schiff reparieren ließen. So kannte ich den Weg und schob mich kurzerhand ins Innere des externen Gebäudes. Die lauten Stimmen ausgehend vom Gemeinschaftsraum konnte ich deutlich hören, genauso wie die angeregte Diskussion. Instinktiv stellten sich meine Ohren hoch, da ich im Laufe der heutigen Arbeit mein Kopftuch abgezogen hatte.

Lauschen gehörte sich normalerweise nicht. Aber ich war zu neugierig, ob sie über ihr neues Schiff redeten, oder gar stritten. Auf leisen Hasensohlen schlich ich mich deshalb zur großen Doppeltür und setzte mich davor.

„Ich finde es gar nicht so schlecht! Soll die Marine doch schreiben was sie will. So können wir den neuen Status ausnutzen! Denk doch mal an unsere Verbündeten und die Inseln!" Die Stimme konnte ich dem Schützen zuordnen. Yasopp hieß er, wenn ich mich nicht irrte. „Aber dieser Status basiert auf Blut! Blut von Unschuldigen, das jetzt an meiner Hand klebt!", donnerte es durch den Raum. Oh. Shanks war wütend. Richtig wütend.

Das erlebte ich zum ersten Mal. Sonst trug der Rothaarige immer ein Lächeln auf den Lippen und war für jeden Spaß zu haben. So schien es zumindest. Offenbar konnte er auch ganz anders...

„Jetzt beruhig doch doch, Käpt'n! Als Kaiser hast du mehr Freiheiten als zuvor!", versuchte es dieses mal ein anderer Unteroffizier. Ich glaube der Runde mit der Fleischkeule nannte sich Lulu. Oder war es doch Lacky? Keine Ahnung. Ich hatte es nicht so mit Namen.

Eine leichte Energiewelle drang durch den Raum und traf mich. Sofort machte ich mich noch kleiner, bemerkte das Zittern meines Körpers und hielt mir meine Hände vor den Mund. Er war wirklich wütend! Doch seit wann beherrschten Menschen bitte diese Form? War Shanks einem Thán begegnet? Ich runzelte die Stirn und kurz hörte ich der regen Diskussion nicht mehr zu. Diese Energiewelle... Es fühlte sich ähnlich an wie die heiligen Götterkünste. Es gab zwei, im seltensten Fall drei. Aber nicht mal mein Lehrmeister, der Kriegsgott, verfügte über die dritte Götterkunst. Gerüchten zu folge konnte man mit ihr ganze Armeen ausschalten. Also wie konnte der Rothaarige über diese heilige Götterkunst verfügen??

Ich wurde je unterbrochen, als die Tür neben mir aufgestoßen wurde und Shanks mit wehendem Umhang verschwand. Er war so wütend, dass er mich nicht einmal bemerkte. Oder mich einfach ignorierte. Strampelnd kam ich wieder auf meine Beine und sah ihm hinterher. Dabei legte ich meinen Kopf schief. Dieser Mann...

„Hey, was machst du denn hier, Sagi?" Bens Stimme erschreckte mich so sehr, dass ich einen Satz nach oben machte. „Ahhh!", schrie ich entsetzt und drückte meine Hände auf meine Brust. „Musst du mich so sehr erschrecken?!" „Lauschen gehört sich nicht", erwiderte der Raucher ruhig und zündete sich eine seiner Zigaretten an.

Langsam beruhigte sich mein klopfendes Herz und ich seufzte leise. „Ich habe nicht absichtlich gelauscht. Ich hatte eine Frage wegen des Schiffs... und hab unweigerlich eure..." „Du hast den Streit mitbekommen willst du sagen? Ja. Ich glaube das war nicht zu überhören." Dieses Mal sprach nicht Ben sondern der Fette mit der Keule. Er hatte sich genauso aus dem Raum begeben. „Ich versteh es nur nicht...", murmelte ich leise und zuckte mit den Schultern. War ein Titel nicht praktisch? Was auch immer das zu bedeuten hatte.

Ben zog an seiner Zigarette und blies den Rauch aus seinen Lungen. „Es ist kompliziert zu erklären. Mit Piraten kennst du dich wenig aus, richtig?" Nach meinem Nicken fuhr er fort. „Es ist so. Unter den vielen Seeräubern gibt es aktuell 3 die völlig herausstechen. Alleine ihre Stärke, dann kommt noch ihre weitreichende Macht, ihre Verbündeten und viele andere Dinge dazu. Du hörst beinahe täglich etwas von ihnen und jeder kennt sie. Das wären Kaido, Whitebeard und Big Mom." Nickend bestätigte ich seine Erklärung. Von denen hatte ich wirklich schon gehört.

„Man nennt sie mittlerweile die drei Kaiser. Weil sie so stark sind und eine Art Imperium in der Neuen Welt aufgebaut haben", ergänzte der Dicke mit der Keule und riss sich ein Stück seines Fleischs ab. Wieder nickte ich. Bis zu diesem Punkt war noch alles verständlich.

„Bevor wir hier geankert hatten, wurden wir in eine schlimme Schlacht verwickelt, wie du bestimmt am Zustand unseres Schiffs erkennen konntest. Wir mussten große Verluste einstecken, aber am Ende konnten wir unsere Feinde zerschlagen. Es war eine Falle der Marine. Sie wollte uns zerstören, um unsere Macht einzudämmen. Zumindest dachten wir das. Aber jetzt haben sie Shanks zu eine Kaiser ernannt. Sie haben die Fakten verdreht und es in der Zeitung so aussehen lassen, als ob wir einen einfachen Spähtrupp aus ein paar Schiffen auf die grausamste Weise zerschlagen hätten, um unsere Stärke zu demonstrieren."

Je länger Ben über das Geschehene erzählte, ging mir ein Licht auf und langsam verstand ich. Wieder nickte ich. „Und das gefällt ihm nicht", zog ich den Schluss und musste meinen Kopf zurück zur Tür lenken, aus welcher Shanks verschwunden war. „Exakt. Das stinkt ihm gewaltig. Nicht nur ihm, uns auch. Aber ändern kann man es nicht mehr." Der Vize der Rothaarpiraten seufzte tief.

„Vielleicht kann ich da was machen", hauchte ich mit einer aufkommenden Idee im Kopf. Leicht lächelnd drehte ich mich um. „Habt ihr noch Gold oder etwas ähnliches, was ich benutzen kann? Ist für das Schiff", fragte ich und erntete bedröppelte Gesichter. „Gold?", äffte der Dicke nach. Ich nickte. „JA! Zum Einschmelzen! Krüge oder Ketten oder so würden auch reichen!" Ich glaubte ein gewisses Funkeln in Bens Augen zu erkennen, denn er schmunzelte plötzlich und nickte. „Ich bring es dir in die Schmiede."

„Seid ihr jetzt verrückt geworden?", hörte ich noch den Fleischkeulen-Typ fragen, da war ich auch schon wieder draußen und lief zu meiner persönlichen Schmiede. Zumindest für dieses eine Schiff. Die beinahe fertige Galionsfigur lag schon dort, es fehlte nur noch der letzte Schliff. Und jetzt hatte ich meinen letzten Schliff. Grinsend setzte ich mich ans Zeichenbrett und nahm Maß. Danach überlegte ich ein wenig und probierte ein paar Dinge, bis ich ein Klopfen an meiner Tür hörte. Ich stand auf und öffnete Ben die Tür. Dieser trug ein paar Kisten. „Ah. Das kannst du bitte dort hin stellen!" Während er die Kisten mit dem Gold zu meinem Ofen trug, bedeckte ich schnell die Figur mit einem Laken, sodass er es nicht sehen konnte.

„Denkst du wirklich, dass das Shanks ein wenig aufheitern wird?", fragte er, nachdem er sich auf einen freien Stuhl gesetzt hatte. „Ich habe keine Ahnung. Aber ein Kaiser mit so einem Schiff sollte schon ein paar goldene Verzierungen am Schiff haben, oder nicht?" Ich setzte mich wieder an mein Zeichenpult. „Vielleicht akzeptiert er es erst im Laufe der Zeit. Sobald er dazu bereit ist, die Vorteile aus diesem Status zu ziehen. Und wenn diese Zeit gekommen ist, sollte doch das Schiff wenigstens schon mal nach etwas aussehen, oder nicht? Denn ich glaube nicht, dass ihr wieder den Weg hierher finden werdet." Ich zuckte mit den Schultern.

Dabei spürte ich den Blick von Ben auf mir. „Warum glaubst du das?", fragte er interessiert. „Zu viele schlechte Erinnerung. Hier befindet sich immerhin das Grab eures Schiffes. Und vor der Küste mussten viele eurer Kameraden ihr Leben lassen. Ich persönlich würde nicht mehr an so einen Ort zurückkehren wollen." „Guter Einwand", brummte der beinahe Ergraute und lehnte sich zurück.

Dann war es still. Ich zeichnete ruhig vor mich her, während Ben sich ein wenig umsah. Zum Glück blieb er hocken, auch wenn ich mir sicher war, dass es ihm in die Finger jucken musste sich auch körperlich durch die Schmiede zu kramen. Immerhin lag hier die zukünftige Galionsfigur.

„Aber sag mal. Ich habe bis jetzt nicht verstanden, warum du dich plötzlich so engagiert hast", griff er das Gespräch wieder auf. Ich seufzte und legte meinen Stift weg. Langsam drehte ich mich zu ihm. „Ich glaube, ich habe in einer nebeligen Nacht den Klabautermann eures Schiffs getroffen", meinte ich leise und mied erst mal seinen Blick. „Er meinte zu mir, ich soll das Schiff nicht einfach so aufgeben. Und dass er unbedingt wieder mit euch zusammen segeln will."

„Ich glaube dir. Um ehrlich zu sein, haben Shanks und ich den Geist des Schiffs auch schon mal gesehen. Vor vielen, vielen Jahren, am Anfang unserer Reise." Ben klang wehmütig und genauso lächelte er auch. „Danke, dass du diesen Geist nicht nur als Ammenmärchen abgetan hast." Ich schnaubte leise. „Ich bin immerhin gläubig! Ich weiß, dass meine Götter existieren. Warum sollte es dann mit anderen nicht irdischen Wesen anders sein?"

„Du..glaubst an Götter?", griff Ben sehr verwirrt den Inhalt meiner Worte auf und ließ mich kichern. „Ja. Aber das wäre zu viel für heute Nacht." Ich deutete auf die Uhr. Es war schon nach Mitternacht, dabei war ich noch nicht ansatzweise mit der Arbeit fertig. „Ich glaub ich muss dich jetzt rausschmeißen. Ich muss noch das ganze Gold schmelzen, in eine neue Form geben, am letzten Schliff arbeiten..." Entschuldigend grinsend geleitete ich ihn zur Tür.

Der Vize ging nicht, bevor ich ihm nicht versprochen hatte, bei der nächste Gelegenheit von meinem Glauben zu erzählten.

Doch wie lange würde das wohl dauern? Immerhin wollten die Piraten morgen Segel setzen und ich hatte immer noch nicht vor, mit ihnen zu gehen...

Nousagi steht für Hase [One Piece]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt