Kapitel 10

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Ich muss wieder da hoch. Ich glaube ich weine, aber ich nehme es gar nicht mehr richtig wahr. Ich steige auf die Rolltreppe nach oben und renne. Hinter mir höre ich zwei Stimmen, die verwirrt meinen Namen rufen. Ich ignoriere sie.

An vielen Leuten dränge ich mich vorbei. Zum Teil schubse ich sie auch, glaube ich jedenfalls, zur Seite. Endlich bin ich oben angekommen. Ich schaue mich um.

Etwas weiter weg sehe ich zwei Rücken, die zu den Beiden Typen von vorhin passen würden. Sie entfernen sich immer weiter. Bevor ich jedoch etwas rufen, dass sie warten sollen, kommt mir ein Gedanke. Was ist wenn sie es nicht sind? Was machst du dann? Nein! Sie sind es. Ich war mir noch nie so sicher.

Das da vorne müssen sie einfach sein. Endlich kommen aus meinem Mund Worte: „Wartet!", schreie ich das halbe Zenter zusammen. Die Beiden fühlen sich nicht angesprochen. Deswegen schreie ich nochmals. Dieses Mal noch lauter als zuvor. Nun dreht sich der Eine um. Als er sieht, dass ich sie ansehe, stupst er den Anderen, wenn ich recht habe, Levin an.

Er dreht sich nun auch um. Ich renne zu ihnen. Je näher ich komme, desto sicherer werde ich mir. Das sind Levin und Luca. Meine Brüder. Tränen strömen mir immer noch übers Gesicht. Kurz vor ihnen bleibe ich stehen.

„Levin, Luca", flüstere ich kaum hörbar. Luca scheint ein Licht aufzugehen. „Em?", fragt er etwas unsicher. Das ist mir bestätigung genug. Ich gehe noch die wenigen Schritte zu meinen seit 7 Jahren verschollenen Brüder. Ich umarme sie. Klammere mich gerade so an ihnen fest. Sie erwidern die Umarmung und drücken mich noch mehr an sich.

„Emily. Ich fass es einfach nicht", spricht Levin fassungslos. Durch meinen Kopf rauscht plötzlich all die Trauer und Wut, die ich die letzen drei Jahre verspürt habe und mein Gehirn setzt aus. Ich glaube ich schreie sie an und ich schlage um mich. Sie versuchen mich zu beruhigen, doch ich reagiere nicht darauf. Ich schlage und schreie weiter und kann irgendwie nicht aufhören, bis mich eine Person von meinen Brüdern weg zieht.

„Shh alles ist gut. Beruhige dich", holt mich Liam wieder komplett in die Realität zurück. Er hält meine Arme fest. So dass ich mich kaum noch bewegen kann. Er wiederholt die Sätze immer wieder und langsam werde ich ruhiger.

„Geht es wieder?", fragt Liam mich nach einiger Zeit. Ich nicke zittrig. Liam lässt mich nun los. Ich wanke kurz, bis ich mich wieder fasse. Mit gemischten Gefühlen, schaue ich meinen Brüdern ins Gesicht. Zwei schuldbewusste Augenpaare blicken zurück.

Eine gefühlte Ewigkeit stehen wir so da, bis Maia uns unterbricht. „Ich habe ja keinen blassen Schimmer, was hier los ist, aber können wir das draussen besprechen? Wir werden angestarrt." Ich gucke mich um. Sie hat recht viele Leute schenken uns besorgte Blicke.

„Okay", stimmt Levin Mary's Vorschlag zu. Ohne viele Worte, eilen wir aus dem Einkaufszentrum.

„Maia, lassen wir die drei doch alleine. Das ist eine Sache zwischen ihnen", fordert Liam draussen angekommen Maia auf.

„Bist du sicher dass das gut geht?", flüstert sie zurück. Trotzdem ist sie laut genug, dass man sie hören kann.

„Ja", bestätigt Liam.

„Okay. Wenn du meinst." Unsicher schaut sie noch zu mir, ob ich etwas dagegen habe. Doch ich reagiere nicht auf sie. So verabschieden sich die Beiden mit einer Umarmung von mir. „Du schaffst das", flüstert Liam mir dabei noch ins Ohr.

„Levin, Luca vielleicht bis ein anderes Mal" Mit einem Nicken in die Richtung meiner Brüder verschwindet er. Mary folgt ihm mit einem letzten Bick zu uns. Ich habe ihr nichts von meinen Brüdern erzählt. Nur dass ich in einer Pflegefamilie lebe. Später werde ich ihr wohl noch viel erklären müssen.

Rückkehr  - Wenn alte Wege sich wieder treffenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt