11. Das erste Date

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Sofia P.o.V

Der junge Mann vom See ließ nicht locker.
Meine Begegnung mit ihm war erst zwei Tage her, doch seitdem hatten wir ununterbrochen geschrieben. Er hieß Luca, war 23 Jahre alt und studierte derzeit Kunstgeschichte an der Universität in Köln, das fand ich sehr interessant. Wir schrieben über Gott und die Welt, es war einfach schön, dass mal ein Mann so ein Interesse an mir zeigte und der Bonus war, dass er verdammt gut aussah.
Er wollte mich unbedingt wiedersehen und ich hatte auch Schmetterlinge im Bauch bei dem Gedanken, ihn wiederzutreffen und noch genauer kennenzulernen, also verabredeten wir uns wieder am Badesee. War das ein Date? Ja das war ein Date! Mein erstes!
Aufgeregt warf ich all meine Klamotten auf Felix' Bett, um einen Überblick darüber zu bekommen, was ich bisher überhaupt alles beim Umzug mitgenommen hatte. Locker die Hälfte meines Kleiderschranks fehlte noch. Dann musste ich wohl mit dem arbeiten, was mir zur Verfügung stand.
Während ich mich vor dem Spiegel hin und her drehte und das Blümchenkleid, das ich gerade angezogen hatte, begutachtete, trat Felix hinter mir in die Tür.
"Na, was Großes vor?", grinste er schief.
"Sozusagen..", entgegnete ich Zähne knirschend. Irgendwie fühlte es sich falsch an, mit ihm darüber zu reden. Ich seufzte laut auf. Wieso war nur alles so kompliziert zwischen uns? Wobei... Es war eigentlich nur für mich kompliziert, für ihn war alles wie immer.
"Wo geht's denn hin?", fragte er und setzte sich auf die Bettkante.
"An den Badesee... ich treffe mich mit Luca.", antwortete ich und musterte nochmal mein Kleid.
Felix' sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Achso, stimmt, er wusste nicht mal, wer das ist.
"Das ist der Mann von vorgestern, der, den ich angerempelt hab.", ergänzte ich und tuschte meine Wimpern nochmal nach, sicher ist sicher.
Felix sah mich aufmerksam an.
"Also hast du ein Date?", hakte er nach und kratzte sich am Nacken.
Ich nickte stumm und erwiderte seinen Blick.
"Na dann, viel Spaß euch, schreib mir, wenn was ist, ja?"
Ehe ich so wirklich antworten konnte, war er auch schon aus der Tür heraus. Er benahm sich seltsam. Aber für solche Gedanken hatte ich keine Zeit, ein Date wartete auf mich!

Am See sah ich Luca schon von weitem, so groß war er. Außerdem erkannte man seinen Lockenkopf schon von weitem. Er grinste mich bereits aus der Ferne an und ich wurde immer nervöser.
Zur Begrüßung umarmten wir uns, als hätten wir uns Jahre lang nicht gesehen, es war irgendwie so vertraut. Dabei waren wir doch Fremde.
Als wir uns in der Nähe des Wassers hingelegt hatten redeten wir, als hätten wir nie etwas anderes getan. Er erzählte mir von seinem Studium und seiner Familie, die gebürtig aus Italien stammt. Ich fragte ihn ob er manchmal Heimweh hat, er grinste und sagte "ständig."
"Es ist nun mal meine Heimat, ich vermisse natürlich nicht nur das gute Wetter, doch das Wetter hier in Deutschland ist für mich teilweise fast unerträglich.", lachte er auf. "Aber das sind Luxusprobleme schätze ich... Hast du manchmal Fernweh?" fragte er und sah mir tief in die Augen.
"Manchmal... Ich möchte noch viel von der Welt sehen, da gibt es noch so viel mehr als das hier... Wälder, Berge, Vulkane, andere Kulturen und Tiere, Pflanzen.", ich wurde ganz rührselig.
Er lächelte.
"Weißt du, wann Reisen am meisten Spaß macht?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Ich schüttelte den Kopf.
"Wenn man mit jemand anderem gemeinsam unterwegs ist und das alles miteinander teilt. All die Eindrücke und Unterschiede... Das ist für mich fast das Schönste daran, die Welt zu erkunden."
Die Schmetterlinge in meinem Bauch meldeten sich zu Wort. Er war wirklich ein einfühlsamer, netter, intelligenter junger Mann. Zumindest wirkte es so, ich kannte ihn ja fast nicht. Doch das könnte sich ändern... Sehr gerne sogar.
Als wir gemeinsam ins Wasser gingen waren auch alle körperlichen Hemmungen wie weggeblasen, er hob mich hoch, umarmte mich von Hinten und wir tobten herum. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, so ausgelassen und unbeschwert. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
"Ist es nicht ein unglaublicher Zufall, dass du in mich gerannt bist?", fragte ich ihn lachend, als er mir eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
"Moment... du bist doch in mich gelaufen!", entgegnete er grinsend. Wenn er lachte, lachten nicht nur seine Augen, sondern sein ganzes Gesicht. Von diesem Anblick konnte ich nicht genug kriegen.
"Okay, schön, dann bin ich halt in dich gelaufen.. Trotzdem ein riesen Zufall!", grinste ich und sah zu ihm hoch.
Bevor ich wusste wie mir geschieht beugte er sich zu mir herunter und legte seine Lippen sanft auf meine. Ganz behutsam und vorsichtig, aber doch mit Nachdruck. Zum Glück waren wir im Wasser, sonst wären mir hier und jetzt die Beine weggeknickt!
Als wir uns voneinander lösten sah ich als erstes seine grünen Augen, oh Gott, wie können Augen so schön sein?
"Ich bin froh, dass du in mich gelaufen bist." sagte er schließlich und streichelte meine mittlerweile knallrote Wange.
Mir fiel ein, dass er erst der zweite Mann war, den ich je geküsst hatte. Den allerersten Kuss hatte ich vor wenigen Tagen mit Felix.
Als mir das wieder einfiel, bekam ich ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Sofort versuchte ich an etwas anderes zu denken.
„Um ehrlich zu sein, ist das heute mein erstes Date.", gab ich schüchtern zu.
Luca sah mich verdutzt an.
Er hatte sicher viel mehr Erfahrung als ich.. Plötzlich wurde ich ganz unsicher. Er sah so gut aus und war so selbstbewusst, mit Sicherheit hatte er schon viele Frauen in seinem Leben, viele Frauen die genauso schön sind wie er.
Als hätte er meine Gedanken lesen können unterbrach er meinen inneren Dialog:
"Hey, das finde ich null schlimm... Im Gegenteil.. du wirkst sehr süß und schlau, wenn das bisher noch kein Typ bemerkt hat, ist das deren Verlust und mein Gewinn."
Ich schluckte. Dass ein Mann mal so etwas zu mir sagt, hätte ich nie gedacht. Das war alles, was ich mir all die Jahre, in denen ich keinen Mann an mich ran gelassen habe, gewünscht hatte.
Diesmal küsste ich ihn. Und es fühlte sich so richtig an.

Bin ich nur sein Trostpflaster?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt