Universität von Western Australia: Das ist also das neue Ziel, um endlich aus dieser Hölle hier zu entkommen.
Die Unterlagen habe ich mit Absprache an die Adresse meiner besten Freundin Tilly senden lassen, damit niemand von meinem Plan erfährt.
Tilly hat immer zu mir gehalten und mich unterstützt, ebenso ihre ganze Familie. So oft habe ich bei ihr geschlafen und gegessen, wodurch die Möglichkeit bestand, mehr Geld beiseitelegen zu können.
Mittlerweile bin ich 21 Jahre alt und auf dieses Leben hier kann ich nicht stolz sein. Statt gleich nach der Senior High auf die Uni zu gehen, habe ich mich drängen lassen, einen Job anzunehmen, um meine Familie zu unterstützen.
Meiner Familie war egal, was ich wollte.
Wenn man eine Mutter hat, die nur an ihr eigenes Wohl denkt, dann kann das Leben einfach nicht gut aussehen.
Als ich herausfand, welches Spiel sie treibt, kam für mich der Entschluss, dem Ganzen ein Ende zu setzen und einen Neuanfang zu starten.
Seit meinem Abschluss gehe ich in einer Bar arbeiten und darf den Großteil meines Lohns abdrücken, da meine Mutter angeblich die Kosten nicht decken kann. Meine Mutter kennt zwar meinen Verdienst, aber sie weiß nicht, dass ich pro Abend etwa 50 bis 100 Dollar Trinkgeld kassiere. Die Trinkgelder habe ich gespart und so gut es ging, nicht angerührt.
Das war die wohl dümmste Entscheidung meines Lebens, einen Job anzunehmen, statt auf die Universität zu gehen.
In Wahrheit lügt mich meine Mutter seit langer Zeit an und verschleudert mein Geld an ihre tollen Söhne - meine Brüder - welche eigene Familien haben und nichts selbstständig auf die Reihe bekommen.
Dass der Tod meines Vaters vor vier Jahren nicht leicht für alle war, streite ich nicht ab, dem Kind deswegen aber die Zukunft zu verbauen, ist eindeutig der falsche Weg.
Als ich dahinter stieg, was meine Mutter trieb, bewarb ich mich an sämtlichen Universitäten der Westküste. Tief im Inneren wusste ich, dass es keinen anderen Ausweg gab.
Jetzt sitze ich hier mit meinen Unterlagen, einem Teilstipendium, einem Flugticket, zwei vollen Koffern und dem Ziel, in weniger als zehn Stunden in meinem Zimmer auf dem Campus der Universität Western Australia in Perth zu sein.
Alles andere, was mir wichtig ist, habe ich Stück für Stück bei Tilly untergebracht und sobald ich weiß, wohin damit, schickt sie mir alles als Paket zu.
Dieser Gedanke bestärkt mich darin, nach unten zu gehen und meine Mutter mit meinem Plan zu konfrontieren. Bevor ich allerdings die untere Etage vollgepackt anvisiere, gebe ich Tilly Bescheid, dass sie sich auf den Weg machen kann.
Im Erdgeschoss angekommen stelle ich meine Koffer zur Tür, woraufhin meine Mutter mich schon bemerkt und auf mich zukommt.
Jetzt oder nie: Ich muss ihr meinen Plan verraten, denn sonst bleibe ich ein Leben lang der Schuhabtreter der Familie und das bin ich so satt!
„Wo willst du denn hin? Urlaub machen und auf der faulen Haut liegen? Auf meine Kosten?"
Nein, so nicht!
Ich richte mich auf und sage ihr, was es zu sagen gibt: „Mom, ich werde mich jetzt verabschieden und nein, diese Kosten werde ich selbst tragen. Ab sofort nehme ich mein Leben selbst in die Hand und werde ab nächster Woche mein Studium beginnen. Ich habe es so satt, für alles betteln zu müssen und erniedrigt zu werden, denn auch ich habe ein Recht darauf, meine Bedürfnisse zu erfüllen und mich zu verwirklichen!"
Ohne Weiteres sehe ich nur die Hand meiner Mutter und merke dann einen Schmerz in meiner Wange. Aus Reflex greift meine eigene Hand nach der brennenden Stelle.
„Du undankbares Ding! Lässt deine Familie im Stich und kümmerst dich einen Dreck um uns! Immer denkst du nur an dich und hältst großzügig deine Hände auf. Wie soll ich denn jetzt die Kosten decken? Willst du, dass ich unter der Brücke schlafe? Ich habe immer für dich gesorgt und du verpisst dich von einem Tag auf den anderen?! Was habe ich dir getan, dass du so undankbar bist?"
Der Schmerz in meiner Wange und die Worte meiner Mutter führen dazu, dass mir Tränen über die Wangen laufen.
Wie kann man nur so sein?
Mit gebrochener Stimme sage ich ihr, dass ich wohl jetzt besser gehe.
„Du bist eine egoistische Person, die tatsächlich nur an sich denkt. Nie im Leben wirst du etwas erreichen! Alles ist dir egal. Am meisten deine Familie! Allein lässt du uns. Ein Studium willst du schaffen? Du bist eine Versagerin und wirst bald schon merken, dass du es nicht schaffst, weil du kein Geld hast. Solltest du jetzt gehen, dann komm niemals an und bettele um Geld. Der Zug ist abgefahren! Jedes gottverdammte Mal müssen wir dank dir leiden, weil du nichts erreichst. Du bist und bleibst eine Versagerin!"
Mit Tränen übersäht schnappe ich ohne weitere Worte meine Sachen und gehe.
Alles in mir krampft sich zusammen, aber ich weiß, ich kann und will das schaffen.
Tilly wartet schon und bringt mich zum Flughafen in Sydney.
Die letzten Stunden möchte ich mit ihr genießen, bevor ich meine große Reise antrete. Sie ist eine von Wenigen, die immer zu mir steht und mich unterstützt hat.
„Alles okay bei dir?"
Ich nicke und schüttele danach meinen Kopf. Daraufhin nimmt mich Tilly in den Arm und hält mich einfach fest.
Dass dieser Weg in ein neues Leben so schwierig werden würde, war mir schon klar, aber dass er mit solchen Schmerzen verbunden sein wird, nicht.
Nach einigen Minuten lösen wir uns voneinander und steigen aus dem Auto.
Am Flughafen checke ich ein, gebe meine Koffer ab und genieße die Zeit mit meiner besten Freundin. Als der Abschied naht, weinen wir beide, versprechen uns aber, dass wir uns spätestens in den Semesterferien wiedersehen werden.
„Alles Gute und vergiss mich nicht!"
„Niemals werde ich dich vergessen! Ebenfalls werde ich nicht vergessen, was du und deine Familie für mich getan habt. Bis bald, Tilly!"
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Im Takt deines Herzens
ChickLitJahrelang hat sich Stella aufgeopfert, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen. Ihre eigenen Träume und Ziele sind dabei immer weiter in den Hintergrund gerückt. Eines Tages fasst Stella einen Entschluss: Ab sofort nimmt sie ihr Leben selbst in di...