Drinnen sichern wir uns sofort unseren Stammplatz mit den besonders bequemen Ohrensesseln. Hier in der Ecke hat man seine Ruhe. Oft sitzen wir gemeinsam hier und lernen oder frühstücken einfach.
Kaum sitzen wir, kommt auch schon Miley, die Inhaberin des Cafés und mittlerweile gute Freundin, zu uns.
„Hey ihr zwei, schön euch zu sehen. Was darf es denn heute sein?"
„Hey Miley. Würdest du uns bitte zwei Latte Caramel und unsere Lieblingspancakes machen?"
Miley weiß eigentlich schon ganz genau, was wir immer essen und trinken, trotzdem fragt sie jedes Mal nach. Perfekter Service!
„Klar. Mit extra Sirup und vielen Früchten. Wird gemacht!" Da läuft sie auch schon davon und wirbelt herum.
Miley macht die Pancakes nach einem Rezept ihrer Großmutter und glaubt mir, diese sind göttlich!
„So, nun verrate mir mal die neusten Storys, Amy." Ich brauche definitiv andere Themen in meinem Kopf, denn seit gestern schwirrt da nur noch Mister Nice Guy herum.
Amys Blick ist verlegen, doch dann nickt sie und fängt an zu erzählen.
„Okay, also: Wie du weißt, habe ich da wen kennengelernt. Sie heißt Tanja." Amy stockt kurz und wirkt verunsichert. „Es fühlt sich einfach alles so richtig an. Ich habe das Gefühl, zu träumen und es ist der wohl krasseste Traum, den ich je hatte. Dieser Traum soll bitte wahrwerden, aber ich habe irgendwie Angst, dass es ein Albtraum werden könnte. Jedenfalls wusste ich vorher nicht, dass ich auch tatsächlich auf Frauen stehe. Wobei es eher so ist, dass sie etwas den männlichen Touch hat. Sie meint, sie wäre ein Tomboy. Mit diesem Thema habe ich mich noch nicht beschäftigt, weil ich tatsächlich nur Augen für sie habe. Oh Stella, wenn du wüsstest, wie gut mir das alles gerade tut."
Das alles sagt Amy mit dem gleichen Grinsen wie gestern auf dem Campus. Ich muss zugeben, dass es selten Momente gibt, wo sie glücklich aussieht. Umso größer ist die Freude für sie.
Ich möchte meiner besten Freundin gerade antworten, da kommt Miley schon mit den Leckereien.
„Schaffst du es heute, deinen Latte zu trinken? Das war gestern schon ein kleines Highlight zum frühen Morgen."
Muss sie das jetzt anfangen? Ernsthaft? Amy sieht aus wie ein lebendiges Fragezeichen.
Zum Antworten komme ich leider nicht, denn da ist plötzlich eine seltsam vertraute Stimme.
‚Fuck!' Verfolgt der Typ mich jetzt überall hin?
„Was ist los, Stella? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!"
Hektisch drehe ich mich, um an meiner Lehne vorbeischielen zu können und da steht er: Mister von und zu Wattebäckchen!
Mein Gesichtsausdruck ist sicher gerade Gold wert.
„Redest du jetzt bitte mit mir?!"
Amy scheint zu merken, wo ich hinsehe und fragt mich: „Möchtest du mir nicht etwas erzählen? Wer ist denn das? Muss ich ihn kennen? Der sieht aber auch gut aus. Kein Wunder, dass du mir nicht mehr antworten kannst." So eine dumme Kuh. Wenn sie nur wüsste ...
Und genau in diesem Moment schaut Dan Lewis höchstpersönlich zu uns in die Ecke.
Verdammt!
So schnell wie möglich verstecke ich meinen Kopf hinter der Lehne, in der Hoffnung, dass er mich nicht erkannt hat. Amy hingegen schaut mit offenem Mund über mich hinweg, was mich nichts Gutes erahnen lässt.
Und wer hat wieder einmal Recht?
Ja, natürlich ich!
Mister Wattebäckchen steht genau neben meinem Sessel und lächelt mich an.
„Hallo Wattebäckchen, was für ein Zufall. Konntest wohl nicht ohne mich und hast dich deswegen hier auf die Lauer gelegt, um mich noch einmal sehen zu können, richtig?"
Mit leicht erhitztem Gesicht antworte ich energisch: „Du musst tatsächlich in dich selbst verliebt sein, wenn du so denkst!"
„Wieso? Nur weil ich feststelle, dass du wieder zur selben Zeit hier bist und mich wie Sherlock Holmes in deinem Sessel ausspionierst?"
Es reicht mir! Der Typ tickt nicht mehr richtig!
„Du spinnst ja wohl! Das ist mein Stammcafé und ich habe jedes Recht, mich hier umzusehen wie jeder andere auch. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?!"
„Wer ich bin? Ich war gestern nett zu dir und du bist heute sichtlich schlecht drauf! Außerdem müsstest du nach gestern meinen Namen kennen."
Er lächelt dabei. Es macht ihm sichtlich Spaß, mich zu reizen.
Ich frage mich wirklich, was hier gerade passiert. Die Leute müssen denken, ich bin hysterisch und unbefriedigt. Hysterisch nur wegen des Wichtigtuers vor mir, aber unbefriedigt könnte stimmen.
Verdammt, jetzt bloß nicht rot werden!
Amy ist ehrlich gesagt auch keine Hilfe. Die dumme Kuh schaut nur begeistert zu. Man sieht ihr förmlich an, dass sie sich verkneifen muss, loszulachen.
„Ja, ich kenne deinen Namen, Mister Superwichtig. Allerdings kennst du meinen nicht. Wattebäckchen ist es jedenfalls nicht!"
„Was hast du gegen den Kosenamen?" Sein dreckiges Grinsen kann Dan natürlich nicht unterbinden.
„Du hast mich nicht einmal nach meinem Namen gefragt. Der Kosename ist übertrieben und kindisch."
„Was nicht ist, kann man ja nachholen. Darf ich dich um deinen Namen bitten oder findest du Wattebäckchen doch die angenehmere Variante?"
„Du glaubst doch nicht im Traum daran, dass ich dir den verrate, oder?! Ziehst du diese Masche bei allen Frauen so durch?"
Nun meldet sich Amy zu Wort. „Wenn man euch so zuhört, bekommt man ja Kopfschmerzen. Sie heißt übrigens Stella und nun macht weiter!" Amy stopft sich ein großes Stück von dem Pancake in den Mund und schaut dem Spektakel weiter zu.
Wie kann sie mir so in den Rücken fallen?
„Ist das dein Ernst, Amy? Das geht ihn nichts an!"
„Stella ... Wunderschöner Name. Passt gut zu dir, Wattebäckchen. Nun muss ich mich aber langsam verabschieden. Hoffentlich sieht man sich bald wieder."
Er küsst mich zum Abschied auf die Wange, gibt Amy einen High-Five, nimmt seinen Kaffee und verschwindet.
Hat er das gerade wirklich schon wieder getan? Bin ich jetzt wieder eine Tomate?
Meine Wange brennt und ich reibe mit meiner Hand darüber. Mein Blick wandert zu meinem Frühstück, aber an Essen kann ich in diesem Moment nicht denken.
Das muss ich erstmal verkraften.
„Bevor du dumme Fragen stellst, Amy, er heißt Dan. Er hat mir seine Visitenkarte gegeben, nachdem mich dieser andere Typ so überrumpelt hatte und deswegen der Latte auch hinüber war. Aber sollte ich Dan hinterherrennen? Nur weil er mir seine Karte gegeben hat? Sehe ich so aus, als hätte ich es so nötig?"
„Stella, ich weiß nicht genau, wie das alles gestern passiert ist, aber ich denke, er wollte unbedingt einen Anruf von dir!"
„Ich denke eher, dass es eine Masche ist, um ans Höschen zu kommen."
„Und selbst wenn? Was ist das Problem?"
„Können wir jetzt bitte das Thema wechseln und frühstücken?"
„Hm, wenn es sein muss ..."
Und genau das tun wir nun auch. Amy erzählt mir fröhlich alles über ihre Tanja. Sie wirkt so entspannt. Man könnte bald meinen, sie würde tatsächlich glücklich sein.
Ich freue mich sehr für meine Freundin, denn die letzten Monate waren sichtlich nicht einfach für sie.
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Im Takt deines Herzens
ChickLitJahrelang hat sich Stella aufgeopfert, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen. Ihre eigenen Träume und Ziele sind dabei immer weiter in den Hintergrund gerückt. Eines Tages fasst Stella einen Entschluss: Ab sofort nimmt sie ihr Leben selbst in di...