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Echèque wartete noch eine Weile im Restaurant auf Bond. Starrte immer nur den Stuhl vor ihr an in der Hoffnung, er würde wiederkehren. Doch das tat er nicht und ihre Fassungslosigkeit wurde zu Enttäuschung.
Enttäuschung darüber, dass er sie einfach hatte sitzen lassen. Dass er sie alleine gelassen hatte.
Und diese Enttäuschung wurde zu Wut. Echèque war wütend auf ihn, weil es ihm anscheinend nichts ausgemacht hatte, sie sitzen zu lassen. Aber vor allem war sie wütend auf sich selbst, weil sie sich auf ihn eingelassen hatte. Weil sie einem fremden Mann ihr Vertrauen geschenkt hatte.
Schon wieder.
Dieser Mann spielte mit ihr. Er spielte mit ihren Gefühlen. Nutzte ihre Naivität ihm gegenüber aus. Und Echèque wusste nur zu gut, dass er hervorragend spielte. Wir gut er seine Gedanken und Gefühle verbergen konnte. Im ersten Moment war er charmant, dann war er plötzlich abweisend und sie konnte sich nicht erklären warum.
Doch das Schlimmste war, dass er ihr etwas verheimlichte. Das spürte sie. Es machte sie langsam verrückt.
Sie hatte schon zwanzig Minuten auf ihn gewartet. Zwanzig Minuten lang gehofft, dass er zurückkehrt. Und sie hatte genug. Echèque hatte genug von diesem Spielchen. Wenn sie ihm etwas bedeutete, würde er kommen und sich entschuldigen. Worauf wartete sie dann noch?
Echèque stand auf und verließ das Restaurant. Sie ging durch das Foyer im Splendide, auf den Aufzug zu. Dann hielt sie kurz inne.
Bei dem Gedanken, dass sie gestern genau an dieser Stelle mit Bond gestanden hatte und sie sich so nah gewesen waren, fing ihr Herz sofort an wieder schneller zu schlagen und zu ihrem Bedauern, verflog ihre Wut ebenso schnell wieder, wie sie gekommen war.
Es hätte so ein schöner Abend werden können. Er hätte perfekt werden können. Doch sie hatte kein Glück.
Als die darauf wartete, dass die Fahrstuhltür aufging, überlegte sie, noch ein wenig spazieren zu gehen, um den Kopf frei zu kriegen. Die drehte sich einfach um und lief in die kühle Nachtluft hinaus, ging durch die Gärten auf den Strand zu und zog ihre Schuhe aus. Dann vergrub sie die Zehen im kalten Sand. Sie promenierte ein wenig an der Küste entlang und dachte darüber nach, sich eine Zeit lang frei zu nehmen. Es war lange her, als Echèque das letzte Mal ihre Familie, an der Côte d'Azur besucht hatte. Das letzte mal war vor zwei Jahren. Damals hatte sie einen Monat lang bei ihrer Schwester in Cassis gewohnt. Ihre Schwester. Sie war der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Leider sah sie sie nicht oft, da sie am südlichen Ende Frankreichs wohnte und Echèque im Norden.
Als sie das letzte mal in Cassis war, hat sie den Kontakt mit ihrer Mutter soweit es möglich war gemieden, wofür sie sich etwas schämte. Sie hatte nie verstanden, warum Echèque als Sängerin arbeiten wollte und war schockiert, als sie erfahren hatte, dass sie alleine im den Norden ziehen und in einem Casino arbeiten wollte. Nach ihrem Streit ist Echèque einfach gegangen ohne sich zu verabschieden. Sie würde sich gerne wieder mit ihr vertragen, jedoch traute sie sich noch nicht mit ihr zu reden. Jetzt hatte sie nur noch Cécile. Sie lebte mit ihrem Mann René und ihrer Tochter Mélanie, die gerade einmal drei Jahre alt war und sich immer unendlich freute, wenn ihre Tante zu Besuch kam, in einem der hübschen Reihenhäuser am Hafen. Die Küste voller Palmen. Die kleinen Gassen in der Stadt. Dort haben sie schon viele schöne Abende gemeinsam verbracht.
Verträumt ließ sie sich auf eine Bank nieder und betrachtete das dunkle Meer. Das Rauschen der Wellen beruhigte sie und sie atmete tief durch. Sie saß hier, um zu vergessen, aber das wollte ihr nicht gelingen.
Sie schloss die Augen - und sah sein Gesicht. Seine Augen. Sein schiefes Lächeln. Sie sah es immer, wenn Sie die Augen schloss.
Echèque konzentrierte sich wieder auf die Wellen, versuchte ihren Kopf zu leeren, in Gedanken nicht wieder abzuschweifen, doch nun kam ihr dir ganze Geschichte nur noch trauriger vor. Sie saß mitten in der Nacht alleine auf dieser kalten Bank. Sie merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und wischte sie sich schnell von der Wange. Was war nur mit ihr los? Sie würde ihre Tränen ganz sicher nicht für so jemanden verschwenden. Wann war er ihr so wichtig geworden?
Doch so sehr sie ihn im Moment hasste, so sehr liebte sie ihn auch, und dafür hasste sie sich selbst noch mehr.
Wie leichtsinnig sie doch war.
Es war nun merklich kühler geworden. Echèque wusste gar nicht, wie viel Zeit sie draußen schon verbracht hatte und lief wie in Trance, immer noch nachdenkend, ins Hotel zurück. Ohne dieses mal zu zögern stieg sie in den Aufzug und fuhr in ihr Stockwerk.
Barfuß, mit ihren Schuhen in der Hand ging sie über den langen Teppich im Flur auf ihre Zimmertür zu.
Sie drehte ruhig den Schlüssel im Schloss um, als ihr etwas auffiel. Die Tür ging auf. Dies mag jetzt nicht sehr sonderbar klingen, aber Echèque wusste, dass etwas nicht stimmte. Die Tür wurde einmal abgeschlossen.
Echèque schloss ihre Zimmertür immer zweimal ab. Da war sie sich vollkommen sicher.
Langsam schob sie die Tür auf. Sie trat vorsichtig ein und lief durch alle Zimmer, konnte aber nichts entdecken. Nichts schien darauf hinzuweisen, das jemand bei ihr eingebrochen war. Sie überlegte, ob sie nicht vielleicht wirklich in der Aufregung nur einmal abgeschlossen hatte, als ihr ein Zettel auffiel. Ein unscheinbares kleines Blatt Papier, was gut sichtbar auf dem Esstisch lag. Da, wo sie ihn bestimmt finden würde.
Zaghaft ging sie auf den Tisch zu, das Herz hämmerte ihr gegen die Brust.
Mit zitternden Fingern hob sie den Zettel auf und las die ihr nur zu gut bekannte Schrift.

Pass besser auf, auf wen du dich einlässt. Woher weißt du, dass er dich nicht verletzen wird?

Erst wurde ihr eiskalt. Dann wurde ihr schlecht. Sie riss die Balkontür auf, klammerte sich an das Geländer und atmete zitternd ein und aus. Sie fror am ganzen Körper.
Das konnte nicht war sein. Das war einfach nicht möglich. Sie wusste genau, von wem diese Nachricht stammt, doch oh wie sehr sie sich wünschte, dem wäre nicht so.
Es war schon so lange her. Sie dachte er wäre ganz weit weg, doch da hatte sie sich wohl geirrt.
Er war bei ihr eingebrochen, nur um ihr diesen Zettel zu hinterlassen. Wer weiß, wie oft er das schon getan hatte. Bei diesem Gedanken wurde ihr wieder schlecht. Plötzlich fühlte sie sich hier nicht mehr sicher. Sie wunderte sich darüber, wie schnell sie ihre Meinung über diesen Ort geändert hatte. Den Ort, den sie so liebte. Doch wo er war, war es für sie nicht sicher. Vor lauter Zittern, fiel ihr der Zettel aus der Hand und flatterte in die Dunkelheit hinab.

As Time Goes By - James Bond 007Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt