Es begann mit weiteren Aufständen in den Wüstengebieten, die zu einer Menge Verhaftungen und einigen Todesfällen - Kollateralschäden, wie es die Oberschicht Salems nannte - führten.
Wahrscheinlich begann es bereits mit dem Tod meines Vaters. Oder damit, dass ich Aline Blackwell kennenlernte.
Vor allem aber begann alles am Ende der Sommerferien in meinem ersten Jahr an der Academy of Salem.
Ich hatte die gesamten Ferien in dem Dorf verbracht, in dem ich aufgewachsen war.
Einige der anderen waren mir mit Skepsis begegnet und selbst hier, wo jeder irgendwie anders war - selbst hier war ich mittlerweile ein Fremder.
Safie, Red und die Dorfälteste hatten mich als Einzige mit offenen Armen empfangen.
Sie schienen geradezu übermäßig stolz auf mich zu sein und waren erpicht darauf, alles über die Dinge, die in den letzten Monaten an der Akademie geschehen waren, zu hören.
Während sie mir davon erzählten, dass die Unruhen und die Mittel, die die Firestones deswegen ergriffen, ein immer schlimmeres Ausmaß annahmen, berichtete ich ihnen von seiner prinzlichen Hoheit - mit seinem königlichen Stock im Arsch - und von den Machtkämpfen zwischen den Nyx und den Artemis.
Ich erzählte von der strengen Professor Morgan, machte Witze über Professor Jones und ließ dabei ganz gewiss nicht das Wichtigste aus: Wie ich das umwerfendste, mutigste Mädchen mit dem größten Dickkopf und einer mindestens genauso großen Klappe kennengelernt hatte.
Und wie sie mich langsam aber sicher in ihren Bann gezogen hatte.
Safie wollte sofort alles über Aline wissen, über ihr Leben in der Oberwelt, darüber, dass sich Professor Morgan als ihre Mom herausgestellt hatte und über mein anfängliches Kräftemessen mit ihr.
Nachdem wir so viel zusammen erlebt hatten, war es komisch, Aline ganze zwei Monate nicht zu sehen. Andererseits verstand ich es, dass sie nach dem ganzen Schreckensszenario etwas Zeit mit ihrer Mom verbringen wollte und die restlichen Ferien gemeinsam mit Eve bei ihrer Tante war, um dieser die Oberwelt zeigte.
Mit Red redete ich mehr über alte Zeiten und war einfach froh, dass er sich nicht so sehr für den ganzen Elite-Akademie-Mist interessierte.
Zwar gewöhnte ich mich langsam an den Gedanken, dass ich tatsächlich an der Academy of Salem angenommen worden war.
Doch zugehörig fühlte ich mich dazu eher weniger.
Wobei das den meisten Nyx so ging - und das schweißte uns irgendwie zusammen.
Außerdem kamen viele Nyx nicht aus Salem oder einer anderen angesehenen Stadt.
Ich musste zugeben, dass es mir noch immer schwer fiel den anderen Fraktionen über den Weg zu trauen, und dass ich die meisten Artemis noch immer für eingebildete Idioten hielt - auch wenn Aline mir bewiesen hatte, dass nicht alle Artemis so waren.
Wobei 'eingebildete Idiotin' manchmal keine so unpassende Umschreibung für sie wäre...
Ich schmunzelte gedankenverloren, während ich aus dem Fenster der Hyperloop sah.
Die Zeit mit meinen Freunden war viel zu schnell vergangen. Und doch konnte ich ein vorfreudiges Grinsen nicht unterdrücken, als der nächste Halt durchgesagt wurde.
Von der Hyperloop-Station waren es einige Meter Fußmarsch bis zur Akademie. Ich ließ mir Zeit, weil ich den großen Auftritt des Zuspätkommens genoss.
Bevor ich durch das hölzerne Tor eintrat, fuhr ich mir noch einmal durch die Haare und zog meine Lederjacke zurecht. Während des Irisscans hielt ich die Luft an, weil ich der ganzen Technik, die so typisch für Salem und mir daher so fremd war, nicht wirklich traute.
Das laute Dröhnen von Metall ertönte, als die beiden Flügeltüren sich für mich öffneten und ich starrte die gigantische Akademie - halb ehrfürchtig, halb verächtlich - an. Genau wie an meinem ersten Tag an der Akademie.
Ich fühlte mich sogar genauso wie an jenem Tag vor einem halben Jahr. Staunend, bitter vor Hohn und ebenso stolz. Es war eine eigenartige Mischung an Gefühlen, die diese Schule in mir aufrief.
Gemächlich schritt ich über das Gelände der Akademie, dann durch die Eingangshalle und den Speisesaal. Ich spürte die Blicke der anderen auf mir, sah, wie sich einige umwandten. Doch erst als ich den Flügel der Nyx erreichte, fühlte ich mich wahrhaftig angekommen.
Hier hatten sich bereits die meisten meiner Fraktionsgenossen versammelt und begrüßten mich nun begeistert. Die anderen Nyx meines Jahrgangs grölten und klatschten mich ab, ein paar Mädels kamen sofort zu mir herüber und begannen mich über meinen Sommer auszufragen, und auch ein paar der Älteren klopften mir zur Begrüßung auf die Schulter.
Ich hatte mir in kurzer Zeit hier einen Namen gemacht. Und obwohl keiner von ihnen mich wirklich kannte - oder womöglich gerade weil sie so wenig über mich wussten - schienen jeder hier meine Gesellschaft zu genießen.
Auch in meinem Dorf hatten wir als Kinder alle ein enges Band gehabt, doch bei den Nyx fühlte ich mich das erste Mal vollkommen. Keine der anderen Fraktionen besaß einen so starken Zusammenhalt - oder kämpfte so sehr für die gleiche Sache.
Ich schien fast zu so etwas wie einem Rebellenvorbild an der Akademie geworden zu sein, was mich mit einer angenehmen Überheblichkeit erfüllte.
Auch wenn die meisten Nyx auf ihre Art und Weise sonderbar waren - diese Leute waren es, die mit dir ohne Wimpernzucken in den Krieg ziehen würden.
Flynn hockte bereits in unserem Zimmer, als ich es betrat. "Ey, Alter, ich dachte schon du kommst nicht mehr!", rief er und streckte sich auf seinem Bett aus.
"Ich lasse mir doch nicht den ersten Abend entgehen", erwiderte ich grinsend. "Ich hoffe ihr habt vor, eine ordentlich Party zu starten!"
Er grinste nun ebenfalls. "Na klar! Max hat sogar eine Menge Alkohol organisiert - und wir wollen Jones was untermischen, damit der mit uns abfeiert"
Ich lachte leise.
"Jones und Abfeiern? Ich weiß ja nicht. Stell dir mal vor, wie der bestimmt tanzt..."
Flynn gluckste.
"Genau deswegen ja, Alter. Das wird legendär!"
Ich zuckte bloß die Schultern und machte mich auf den Weg zu Max' Zimmer, um ihn zu begrüßen.
Max war der, der bei den Nyx meistens das Sagen hatte. Er war bereits im letzten Schuljahr, hatte wilde schwarze Locken und stechende, braune Augen, er war hinterlistig und glich seine weniger starken Kräfte mit einer Ausstrahlung von natürlicher Autorität aus.
"Komm rein, Shadow. Schön, dich zu sehen", sagte Max, als ich abwartend im Türrahmen seines Zimmers stehen blieb.
Es kam mir noch immer eigenartig vor, dass jemand wie er meinen Namen kannte - geschweige denn etwas mit mir zu tun haben wollte.
Max war, wie die meisten an der Akademie, in Salem aufgewachsen und kam aus einer wohlständigen Familie. Anscheinend waren er und sein Cousin die Einzigen Nyx der Familie - und doch schien er sich selbst für einen Widerständler, einen Außenseiter zu halten.
Einen, der mit allen Mitteln etwas verändern wollte. Den dieses ganze System genauso sehr ankotzte wie mich.
"Ich habe gehört, du hast den Sommer Zuhause verbracht?", hakte Max nach und bedeutete mir, mich neben ihm auf seinem Bett niederzulassen.
Ich war bisher erst zweimal in seinem Zimmer gewesen, doch das Chaos, welches mich beide Male erwartet hatte, war mir im Gedächtnis geblieben.
"Ich verbringe eben nur so viel Zeit in Salem wie ich muss", erklärte ich schulterzuckend.
Max lachte. "Wem sagst du das! Ich bin froh, wenn ich hier endlich raus bin. Nach meinem Abschluss gehe ich nach Adamond."
Es überraschte mich wenig, dass er sich den Rebellen anschließen wollte.
Adamond war eine riesige Stadt - mindestens fünfmal so groß wie Salem - in der hauptsächlich Nyx und Aufständische lebten.
Angeblich war Professor Jones in der Rebellenstadt aufgewachsen. Allerdings war er dafür eine ziemliche Enttäuschung mit seiner Gesetzestreue und Gutmütigkeit gegenüber den anderen Fraktionen...!
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Dreams of Salem
RandomAn der Akademie von Salem zu bestehen, ist schwieriger als gedacht - vor allem für jemanden wie Shadow. Zwar hat er in Aline eine Person gefunden, die ihn besser versteht, als irgendjemand sonst. Doch als ihn seine Vergangenheit einholt und die ganz...