Kein Zurück

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Ich saß in meinem Versteck. Ca 80 KM von Duskwood entfernt. Ich habe überall in Deutschland inzwischen die Möglichkeit, kurzzeitig unterzutauchen. Meine Vergangenheit und die letzten Jahre haben meine Organisationsfähigkeit deutlich verstärkt.

Durch meine Arbeit als Hacker habe ich mir Stück für Stück meine Connections aufgebaut. Allerdings bringt es immer eine Gefahr mit sich. Vertrauen war noch nie meine Stärke. Was ist, wenn ich mich täusche? Ein Maulwurf unterwegs ist? Meine Connection einen Fehler begeht und sie ihn und damit auch mich finden würden?
Dieses Risiko kann ich nicht eingehen.
Es waren alles nur kurzfristige Zufluchtsorte. Ein zu Hause hatte ich seit Jahren nicht.

Ich besaß  nichts außer 2 Reisetaschen. Eine mit ein wenig Kleidung und Sachen des täglichen Bedarfs und eine Tasche mit meinem Arbeitswerkzeug. So erledigte ich meine Arbeit. Ich konnte Sie von überall erledigen. Mit den Jahren wuchs mein Netzwerk immer weiter. Im absoluten Notfall könnte ich auch ins Ausland. Gefälschte Ausweise und Pässe habe ich genug, so konnte ich zur Not Grenzen überqueren. Vorbereitet zu sein, ist wichtig.

Die letzten Wochen waren riskant. Zu oft hab ich meine Deckung aufgegeben. Dies hätte mir zuletzt beinahe das Genick gebrochen.

Ich durfte nicht zulassen, dass sie mich kriegen. Noch vor einigen Wochen war meine einzige Sorge, meine Arbeit dann nicht mehr fortsetzen zu können.
Den Dreck der Regierung und der großen Firmen nicht mehr aufdecken zu können.

Doch jetzt...jetzt war meine einzige Sorge nicht mehr auf dich aufpassen zu können.
Im Gefängnis hätte ich keinen Zugriff auf meine Technik.
Ich wüsste nicht mehr, was du tust.
Ich wüsste nicht mehr, wo du bist.
Ich würde nicht mitbekommen wie es dir geht und ob du in Schwierigkeiten steckst.

Du würdest dich wieder aufregen, wenn du es wüsstest. Ich musste schmunzeln. Wie ein kleiner wütender Pinguin würdest du dich aufregen, wenn du wüsstest was ich tue.

Ich weiß immer, wo du bist.
Ich weiß immer, was du tust.
Und ich weiß immer, wie es dir geht. Zumindest das, was ich mitbekomme.

Es zerriss mir das Herz.
Ich weiß von deinem Zusammenbruch beim Arzt. Ich weiß, dass du dich tagelang bei deinen Eltern verschanzt hast.
Ich hörte dich weinen, flehen und zweifeln.

Nicht nur einmal habe ich mit dir zusammen geweint. Ich konnte es nicht ertragen. Aber ich musste. Ich durfte kein Risiko eingehen.

Irgendwann, als ich mich in Alexa einhackte, bekam ich mit, was deine Eltern sprachen. Sie waren sichtlich besorgt. Ich war froh, dass es Menschen gibt, die sich genauso um dich Sorgen wie ich es tue.

Ich kenne dich... ich wusste du würdest es nicht zulassen.

Als Nymos mich in dieser Nacht benachrichtigte, dass sich dein Standort veränderte, war mir klar... es ist so weit.

Vielleicht ist jetzt der Moment, wo du loslassen kannst. Wenn die Ungewissheit verschwindet. Wenn mein Plan aufgeht, wirst du wissen, dass ich lebe.

Ich beobachtete jeden Schritt von dir. Ich war erleichtert als ich bemerkte, dass mein Plan funktioniert. Nun musstest du ihn nur noch finden. Ich betete, vermutlich das erste Mal in meinem Leben, dass es so etwas wie Schicksal gibt... dass du diesem verdammten Zettel finden würdest.

Und du fandest ihn...

Ich konnte aufatmen. Ich spürte, dass es dir besser ging. Und ich hoffte, dass du dich mit diesem Wissen zufriedengeben würdest.

Ein paar Tage später erfuhr ich, dass du in die Aurora gehen wolltest.

-Verdammt, dachte ich.... ich darf meine Deckung nicht schon wieder aufgeben. Aber ich konnte nicht anders. -

Unter falschem Namen mietete ich ein Auto.
Es ging nicht anders. Ich muss mit eigenen Augen sehen, was passiert.

Also gab ich wieder mal meine Deckung auf und fuhr zurück nach Duskwood.

Ich sah dich mit Jessy ins Auto steigen.
Du warst so wunderschön. Ich konnte kaum meinen Blick von dir abwenden. Aber ich musste aufpassen. Du darfst mich nicht entdecken.... ich musste dich beschützen. Und das ging nur, wenn du mich loslässt.
Vielleicht würde ich es auch irgendwann schaffen... dich loslassen... wie absurd das klingt.

Wie könnte ich das jemals...ich würde dich beschützen... als unsichtbarer Schatten wäre ich an deiner Seite... wohin du auch gehst.

- Dieser verdammte Mistkerl... ich wusste es,  dachte ich -

Ich spürte die Wut in mir aufsteigen. Ich konnte aber nicht wegsehen. Ich sehe wie nah er dir kommt. So nah wie ich es vermutlich nie sein würde. Ich ballte meine Fäuste zusammen.

-Beruhige dich. Ein- und ausatmen. Es geht ihr gut. Sie ist bei ihren Freunden. Bei Ihrem Freunden und... und Phil. Dieser schmierige kleine...-

Und bevor ich realisierte was passiert, saß ich auch schon im Auto. Im Auto auf dem Weg zum Motel...

Angekommen kramte ich einen Zettel und einen Stift heraus. Nymos verriet mir, dass ihr euch gleich auf den Rückweg machen würdet... also schrieb ich etwas auf den Zettel... schlich mich an der Rezeption vorbei und ging zu deinem Zimmer.

Ich organisierte einen Fakeanruf im Motel. Ich hoffte, dass ich die Rezeptionsangestellte so ablenken konnte.

Es funktionierte...

So schnell ich oben war... so schnell war ich auch wieder verschwunden.

Mein Plan ging auf.
Nun heißt es warten.

Ich war nervös. Ich war so unfassbar nervös. Ich realisierte erst jetzt, was ich tat. Ich war wie in Trance. Fremdgesteuert von meinen Emotionen... so kenne ich mich nicht. Aber du... du bringst mich dazu...

Und dann sah ich dich... deine Körpersprache zeigte mir, dass du verunsichert bist.

Wie in Zeitlupe kamst du auf mich zu... ich zitterte am ganzen Körper.... nun gibt es kein zurück mehr.


Duskwood - Code zu meinem HerzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt