K A P I T E L | 2

28 11 18
                                    


꧁𝗧𝗥𝗔𝗨𝗘𝗥𝗦𝗣𝗜𝗘𝗟꧂

Nachdem ich mich umgezogen hatte, mit den Sachen aus meinem Rucksack, ging ich Richtung Flur und drückte mir dabei ein leckeres Marmeladenbrot in mich rein. Neun Uhr war es, als ich aufgestanden bin und ich fühlte mich wie besessen. Besessen von dem Schokoladenkuchen, der in naher Zukunft auf mich wartete. Meine Beine trugen mich förmlich zum Eingang, welcher von Lichtflecken, der am Osten stehenden Sonne erhält wird. Ich kletterte mit meinem relative, kleinen Körper auf ein Stuhl und schaute in die weite Ferne von Miami und noch weiter über den Wald bis zur kahlen Wüste.

Die Stadt ist riesig, modern und gleichzeitig auch eng und voller Natur, mit wundervollen Bäumen, von denen die Äste so weit nach oben wachsen, bis sie schlussendlich fast bei den glitzernden und strahlenden Sternen landen. Das Meer, so weit weg und doch so nah. Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hörte man den riesigen Ozean rauschen. Solange, bis man schließlich ins Bett ging.

Ich gab mir selbst ein Lächeln, als ich bemerkte, dass ich bald wieder im Wasser baden konnte. Die Zeit verging wie im Flug und meine Beine sind schon mindestens viermal eingeschlafen. Anstatt zu stehen, saß ich jetzt auf dem Stuhl und wartete... Erst waren es fünfzehn Minuten. Dann eine Stunde bis aus einer Stunde, drei Stunden wurden und ich hörte nur noch ein Tick, Tack. Tick, Tack. Tick, Tack...

Ich konnte vor Langeweile gar nicht meine Augen richtig aufhalten und ehe ich mich versah, war alles ruhig und still.

"Hallo?" Ich schreckte auf, als ich eine junge, weibliche Stimme neben mir hören konnte. Meine Augen waren offen und auf einmal war ich hellwach. "Wer bist du?", fragte eine Frau, die sich hinkniete, um auf meiner Höhe zu sein. Sie hatte lang, gewelltes, braunes Haar, Haselnussbraune Augen und überall, lagen Sommersprossen verteilt um ihre Nase und um ihren Augen. "Mein Name ist Tony", gab ich nach ungefähr einer Minute Stille von mir. Die Frau lächelte sanft und es kamen ihre strahlenden, weißen Zähne zum Vorschein. Die Sonne ließ sie aufblinken und daraufhin öffnete sie wieder ihren Mund. "Ich bin Sarah, was machst du hier?" Sie hatte einen sehr schönen Klang in ihrer Stimme und ich fand sie sofort sympathisch. "Ich warte auf meine Mutter. Sie hatte mich gestern hierher gebracht, was das hier auch immer ist, und heute wollte sie mich abholen, damit wir zu Hause einen Schokoladenkuchen backen." Ich schaute mitten in ihre Augen. Da sah ich etwas aufblitzen, was mich für eine Millisekunde erstarren ließ, doch dann war es wieder weg.

Was ist das nur? Fragend brach ich den Blickkontakt ab und schaute mich um, bis meine Augen, auf einer ganz bestimmten Stelle, stehen blieben. Es war schon sechzehn Uhr? Ich sprang erschrocken auf und versuchte mich abzuregen. Wahrscheinlich musste sie arbeiten und deswegen kam sie so spät. "Tony ehm... hast du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern?" Ich schaute ihr wieder in die Augen und nickte eifrig. "Warum fragen sie?" "Ich ehm..." Verdutzt nahm ich eine Augenbraue hoch. Sie allerdings räusperte sich nur und ganz plötzlich hatte sie ein kleines Heftchen in ihren Händen. Wie konnte sie das nur so schnell herausholen?, fragte ich in Gedanken und ließ sie keine Sekundenlang aus den Augen. Das Einzige, was ich hörte, war das Ticken der Uhr, das Brüllen der Kinder und das viele blättern von dem kleinen Buch, was die Frau gerade in der Hand hielt. "Ich will einfach nur nach Hause.", murmelte ich vor mich hin. Dabei stellte ich zum Glück fest, dass es niemand gehört hatte, weil was würden die denn nur denken, also die Anderen. Schließlich wollten sie bestimmt auch nach Hause, zu ihren Eltern und Schoko-Kuchen backen.

Tagträume überrumpelten mich, sodass ich von der Außenwelt gar nichts mehr mitbekam. Das Zuschlagen eines Buches ließ mich allerdings aufschrecken und in Hand um Drehen, war ich wieder zurück. Zurück in der Realität. Zurück in der Gegenwart.

"Also-" Die Art wie sie stand. Die Art, wie sie mich anschaute. Ein Schauer lief mir über den Rücken, bis zu den Füßen. "Komm erstmal mit mir", fügte sie hinzu und klang immer noch freundlich, doch irgendwas in ihrer Stimme, brach ihre emphatische Ausstrahlung, in verschiedene, kleine Stücke, aber ich ignorierte es einfach und ging, ohne ein Wort zu sagen, mit ihr mit. Vielleicht wird sie ja Mama anrufen. Ich war müde... Ich will endlich Schokoladenkuchen! Meine Mutter hat immer gesagt, dass Zucker wichtig ist, solange man es in Maßen isst. Und wenn man zu wenig davon isst, dann wird man schlapp und müde, was ich gerade spüren konnte.

Mein Kopf schaute die ganze Zeit nach unten. Irgendwas ist doch ganz faul hier, rief ich mir zu. Auf Einmal fing ich an, den Schoko-Kuchen zu ignorieren und konzentrierte mich auf das Wesentliche. Wieso will sie mir nicht sagen, was gerade abgeht und vor allem, wo laufen wir überhaupt hin? Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, um einen Blick zur Seite zuwerfen. Da erkannte ich ein Schild. Ich kniff meine Augen zusammen, damit ich sehen konnte, was da stand. Willkommen- willkommen bei der- bei der-

WAS?! Ich schlug meine Augen auf. Es fühlte sich so an, als würden alle meine Wimpern gerade abfliegen, so schnell war das. Meine Beine hielten urplötzlich an. Mein Hals verknotete sich zu einem festen Kloß. Mein Herz pochte schneller, als ein Gepard rennen konnte. Meine Wangenknochen verkrampften sich und überall fing ich an zu zittern. "Nein..." Es war das Einzige, was ich sagen konnte und selbst das war nur in einem Umfeld von höchstens drei Metern zu hören. Der Raum fing plötzlich an, sich zu bewegen. Ich glaube, ich hatte mich noch nie so sehr erschrocken. Meine Finger wurden steif und meine Pupillen waren geweitet.

"Wie Bitte?" Sarah klang plötzlich ganz leise und ich konnte sie nur bedingt hören. Ich konnte spüren, wie sie es mir gleich machte und ihren Kopf in dieselbe Richtung drehte, wie meiner die ganze Zeit über war. Als sie wohl verstand, rannte sie mit einem schnellen Tempo in meine Richtung. "Es wird alles gut.", konnte ich in meinem Ohr hören, doch ich wusste genau, dass es nicht der Fall war. "Nein..." Meine Augen füllten sich langsam mit Tränen und meine Stimme zitterte, genau wie mein Körper. "NEIN!" Diesmal schrie ich und hielt mir meine Hände an meine Ohren. Mein Körper allerdings sackte zusammen, sodass ich auf den Knien saß. Ich bemerkte, wie meine Tränen, meine Wangen erreichten und alles um mich herum immer verschwommener wurde. Seufzend, wurde aus den Tränen vergießen ein richtiges Weinen und es war mir egal, ob andere es hörten oder nicht. Die Frau wischte mir sanft meine Tränen weg, damit ich nicht noch durchnässt werde.

"Wieso? Wieso haben sie das getan?", schluchzte ich, doch ohne zu zögern kam auch schon direkt eine Antwort. "Weil du was Besseres verdient hast", meinte sie und drückte mich ganz fest. "Ich will aber nichts Besseres, ich will nachhause!" Diesmal kam keine Antwort, nur eine Bewegung. Sie stand auf und half mir auf die Beine. Sie wischte mit einem Tuch meine Tränen weg und wieder sagte sie: "Alles wird gut." Nur leider fühlte ich mich nicht besser. Ich glaube, ich hatte noch nie so ein schlimmes Gefühl. Nicht einmal, als ich den Hund von meinem Nachbarn aus Versehen auf die Pfote getreten bin. Sie legte ihre weit, geöffnete Hand auf mein Hinterkopf und ging mit mir weiter in Richtung Rezeption und Wartebereich. Ein letztes Mal blickte ich auf das Schild, um vielleicht zu erkennen, dass ich mich einfach nur verlesen hatte und das alles, bloß ein dummer Traum war. Doch es stand genau dasselbe, wie gerade eben auch und beim Lesen rollte mir wieder eine Träne, meine Wange hinunter:


Willkommen bei der Adoption.


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4.07.2022

once upon a time ||  ✔️ (P A U S I E R T)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt