Die Säufer

338 8 0
                                    

Er wachte in seinem Zimmer auf. Ein Blick auf dem Wecker, neben seinem Bett, verriet ihm, dass es kurz nach elf war. Ihm viel plötzlich ein, was passiert war. Scheiße, er war knapp drei Stunden lang bewusstlos gewesen! Lennox richtete sich auf, fiel jedoch auf der Stelle zurück ins Bett. Sein gesamter Körper tat weh, doch er durfte hier nicht einfach liegen bleiben. Er drückte sich nach oben und versuchte den Schmerz zu ignorieren. In dem Moment betrat sein Vater das Zimmer und kam auf Lennox zu. Er wich zurück, wurde aber vom Schmerz behindert und stolperte, sodass er auf dem Boden landete. Sein Vater blieb einige Schritte von ihm entfernt stehen, ein zufriedener Ausdruck lag in den Augen des Betrunkenen.

„Ich gehe mit den Jungs raus. Das Bad sieht schrecklich aus, kümmer dich darum, während ich weg bin! Und wenn du schonmal dabei bist, putz auch direkt das Wohnzimmer, dort liegen noch immer Scherben!"

Nach diesen Worten drehte er sich um und ging, sodass er den hasserfüllten Blick seines Sohnes nicht sah.

Lennox war furchtbar wütend, besonders, dass er sich schon wieder so hatte behandeln lassen und die Angst ihn im Griff hatte. Doch jetzt brachte es auch nichts mehr, darüber nachzudenken. Er schnappte sich einen Besen und begann die Scherben im Haus zusammen- zufegen. Er kippte sie mit dem Kehrblech in den Müll und ergriff einen Lappen, um die Bierflecken zu beseitigen. Er seufzte. Es hatte sich nichts verbessert, sein Vater war noch schlimmer als früher und Lennox musste noch immer die Hausarbeit machen. Er hatte einen Funken Hoffnung gehabt, sein Vater würde irgendwann zur Vernunft kommen und das Verschwinden seiner Mutter verkraften. Aber jetzt war dieser Funke erloschen und die einzige Möglichkeit für ihn war, stark zu bleiben. Für seine Mutter und für das Mädchen aus seinem Traum, musste Lennox weiter kämpfen.

Als er mit dem Wohnzimmer fertig war, wandte Lennox sich dem Badezimmer zu. Schimmel hatte sich an den Wänden der Dusche gebildet, doch das war nichts Neues. Über die Toilette wollte er gar nicht erst nachdenken, so verdreckt hatte sein Vater sie. Also machte er sich an die Arbeit.

Nach ein paar Stunden hatte er das gesamte Haus ausreichend gesäubert und fiel erschöpft auf's Sofa. Das war echt eklig! Er stöhnte bei dem Gedanken an das Bad. Das war mit Abstand das Widerlichste, was er je gesehen hatte. Er hörte den Schlüssel in der Tür und flüchtete sich in sein Zimmer. Er schloss die Tür und machte sich an seine Hausaufgaben. Als er fertig war, schien der Mond bereits über der Stadt. Lennox öffnete das Fenster und blickte hinauf zum Sternenhimmel. Er musste ihm näher kommen, denn die Lichter gaben ihm Hoffnung. Er stieg aus dem Fenster und kletterte die Feuerleiter hoch, bis auf's flache Dach. Von hier hatte er eine wunderschöne Aussicht auf den Nachthimmel und seine Lichter. Er schaute hinauf zum Polarstern. Er strahlte am hellsten und Lennox fühlte sich auf einen Schlag wohl und behütet. Hoffnungsvoll. Der Stern war etwas besonderes, das spürte er.

Lennox blieb eine Zeit lang auf dem Dach, bevor er sich an den Abstieg machte und zurück in sein Zimmer stieg. Sein Vater betrat das Zimmer.

„Die Arbeit ist wie ich sehe erledigt."

Er entdeckte das offene Fenster.

„Mach das Fenster zu, wenn du ins Bett gehst!"

Sein Vater verließ das Zimmer und Lennox zog seine Schlafsachen an. Wie verlangt schloss er das Fenster, damit niemand einbrechen konnte, bevor er sich hinlegte und das Licht aus machte. In dieser Nacht schlief er traumlos.

Lennox wurde wieder einmal von der Sonne geweckt, bevor sein Wecker klingelte. Er schnappte sich seinen Rucksack und lief in die Küche. Doch er fand nichts anständiges zum Essen, also nahm er sich nur etwas warmes Wasser und machte sich auf zur Schule. Dem Schnarchen aus dem Wohnzimmer nach zu urteilen, schlief sein Vater noch. Er ging zur Haltestelle und stieg in den Schulbus. Alle starrten ihn an, was anhand seiner deutlich sichtbaren Verletzungen nicht überraschend war. Er setzte sich schweigend nach hinten und schaute den Rest der Fahrt aus dem Fenster.

Reise durch die SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt