Ort des Schicksals

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Als Noahs Worte richtig zu Lennox durchdrangen, fluchte er und kroch auf der Stelle aus dem Zelt. Die anderen schliefen noch, weshalb Noah sie ebenfalls schnell weckte.

„Ich bin wach geworden, als du im Schlaf plötzlich angefangen hast, zu reden und zu zittern, dann habe ich gesehen, dass er nicht da ist.", sagte er über die Schulter zu Lennox.

„Ja ich hab...schlecht geträumt. Scheiße, dabei war, seinem gestrigen Verhalten nach zu urteilen, doch voll offensichtlich, dass er etwas vorhat!", gab Lennox als Antwort zurück.

„Was ist denn los...?", brummte Mark schläfrig, als Noah ihn aus dem Schlaf riss.

Als alle auf den neuesten Stand gebracht worden waren, fragte Enya:

„Was machen wir denn jetzt? Nach dem was ich Ryan gestern noch anvertraut habe...ich glaube das hat ihn noch wütender gemacht, ich...es tut mir leid...wenn ich ihm nichts erzählt hätte, wäre er vielleicht nicht losgezogen."

Überrascht blinzelte Lennox, bevor er sich danach erkundigte, was Enya ihrem Freund denn erzählt hatte.

Kurz zögerte das Mädchen, bevor dann doch endlich eine Antwort kam. Allerdings sah Enya nicht ihn an, sondern die ganze Zeit nur ihren Bruder, der scheinbar auch nicht wusste, was seine kleine Schwester dem Anführer der Straßenkinder erzählt hatte.

Sie hatte Ryan erzählt, dass sie große Angst hatte. Dass sie nicht wollte, dass ihr Bruder verletzt wurde.

Mark kämpfte mit den Tränen als er seine kleine Schwester in die Arme schloss.

„Oh Enya...", seufzte er sichtlich gerührt.

So schön die Szene zwischen den Geschwister auch war, sie durften keine Zeit verlieren! Ryan war alleine unterwegs und auf Rache aus. Oder Gerechtigkeit? Lennox war sich sicher, dass beides sich nicht widersprach. Allerdings brachte das alles nichts, wenn man Ryan überwältigte. Also nickte Lennox in Richtung Innenstadt, als Mark und Enya sich wieder voneinander gelöst hatten und joggte los.

Sie kamen an einem Pärchen auf einer Bank, einigen feiernden Erwachsenen und einer Gruppe Teenager vorbei und beschleunigten jedes Mal, sodass sie in der späten Nacht niemand erkennen konnte. Sie wussten nicht, wie viele Menschen ihre Gesichter mittlerweile kannten. Zur Not könnte Lennox auch seine Gabe einsetzen, doch er konnte unmöglich die ganze Stadt vergessen lassen. Also waren sie einfach noch wachsamer als gewöhnlich. Glücklicherweise spendeten die Straßenlaternen genügend Licht um ihren Weg zu erhellen. Wie sollten sie Ryan nur finden? Letztes Mal, als sie ihn gesucht hatten, wurde Lennox durch die Geräusche eines Kampfes auf ihn aufmerksam, jetzt konnte er jedoch nichts in der Art wahrnehmen.

„Ryan? Ryaaaaan! Ryan wo bist du?", rief Enya laut und Mark bedeutete ihr sofort still zu sein.

Die Kleine schloss schuldbewusst den Mund und sie suchten leise weiter ihren Freund. Ryan war bei einer Bande von Verbrechern aufgewachsen, da wunderte es Lennox nicht, dass er sich gut im Geheimen bewegen konnte. Aber es nervte ihn höllisch!

Ryan riskierte verdammt viel durch seinen Alleingang. Sie alle riskierten viel. Ihre Freiheit, Sicherheit und ihr Lager stand auf dem Spiel. Niemand war beim Zelt zurückgeblieben, es war also vollkommen unbewacht. Dennoch waren sich alle einig, dass es nötige Risiken waren. Sie durften sich nicht verstecken, auch wenn sie Straßenkinder und Taschendiebe waren, wussten sie um die schlechten Menschen auf der Welt und besaßen einen Sinn für Gerechtigkeit. Wenn sich niemand dem Bösen entgegenstellte, konnte sich nie etwas ändern!

Sie kamen am Marktplatz an, allerdings war auch hier niemand, bis auf zwei Männer, die sturzbetrunken an einer Wand lehnten. Lennox stieß ein verächtliches Schnauben aus, als er an seinen Vater dachte, der wahrscheinlich grade ebenfalls besoffen irgendwo an eine Wand gelehnt mit seinen Freunden stand.

Reise durch die SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt