Kapitel 9 - Nikolai

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Scheiße, verdammt. So war das nicht geplant. Ich wusste, dass Aria und Emely an derselben Uni studieren, aber nicht, dass sie Freundinnen sind.
Der Grund, wieso ich Emely angerufen habe, ist der, dass ich Ablenkung brauche. Im Loft ist es kaum auszuhalten mit Kyrell.
Er ist den ganzen Tag schon so mürrisch und wehleidig zugleich. Natürlich habe ich Verständnis für seine Situation, aber es geht mir auf die Eier, wie er sich benimmt.
Deshalb bin ich geflohen und wusste, dass wenn ich Emely anrufe, sie sofort springen würde. Und nun sitzt sie auf meinem Beifahrersitz.
"Wo fahren wir hin?", fragt sie.
"Irgendwohin, wo wir ungestört sind", antworte ich und halte den Blick auf die Straße gerichtet.
In Wahrheit fahre ich mit ihr dorthin, wo ich immer mit Mädchen hinfahre, wenn ich Ablenkung brauche.
An einen geheimen Ort, der am Wald grenzt und wo uns niemand findet.

Ich halte den Wagen und steige aus, genau wie Emely.
"Ist schön hier", sagt sie leise und sieht sich um. In Wahrheit ist es hier nicht schön. Es ist unromantisch und plump von mir, sie hierher zu bringen. Aber wie ich schon sagte: Ich bin ein Egoist und nehme mir das, was ich brauche und will.
Ich lehne mich ans Auto und fixiere sie mit meinem Blick, den sie sofort erwidert. Wie ich es geahnt habe, nähert sie sich mir und fängt an, mich zu küssen.
"Was hast du für Pläne, Nik?", fragt sie leise.
"Zuerst machst du mich glücklich", antworte ich. Sie weiß sofort, was ich damit meine und kniet sich vor mir hin, um meine Hose aufzuknöpfen.

Mich wurmt es immer noch, dass Aria nun weiß, dass ich was mit Emely habe. Ich weiß nicht, was sie ihr erzählt hat. Ich hoffe, dass sie nichts von Beziehung oder so gesagt hat, das wäre sehr kontraproduktiv, weil ich seit Tagen nur noch an Aria denke. Wenn sie nicht bald mit mir auf ein Date geht, explodiere ich.
Ich weiß nicht, wieso sie so stur ist. Hat sie Angst? Oder einen Freund? Nein, sie hat bestimmt keinen Freund. Das hätte ich gemerkt.
Auf jeden Fall schafft sie es mir zu widerstehen, was mich noch verrückter nach ihr macht.
Ich blicke auf Emelys blonde Haare herunter und stelle mir vor, es wären Arias dunkle Haare. Ich stelle mir vor, es wäre Aria, die gerade meinen Schwanz in ihrem Mund hat.
"Fuck!", stöhne ich. Es ist nicht Emelys Zunge, die mich stöhnen lässt, sondern meine Gedanken an Aria.
Sie macht mich verrückt, ohne hier zu sein.

Ich komme in Emelys Mund, was sich wirklich gut anfühlt. Sie spuckt es wieder aus, wischt sich über den Mund und erhebt sich.
"Sorry...", flüstert sie leise.
Ich schüttle den Kopf und schließe meine Hose.
"Gehen wir jetzt nett essen, oder so?"
"Ich fahre dich nach Hause. Wenn du willst, können wir unterwegs irgendwo anhalten."
Sie runzelt die Stirn. Ich weiß, was sie denkt: Er ist ernsthaft nur dafür mit mir hier rausgefahren? Wie unromantisch.
Aber dennoch würde sie sich nie trauen, zu widersprechen, weil sie Angst davor hat, ich könnte sie dann fallen lassen.
Stattdessen setzt sie ein Lächeln auf, auch wenn sie verletzt ist und steigt in mein Auto ein.
"Also, woher kennst du Aria wirklich?", fragt Emely mich auf der Fahrt.
"Wie sie gesagt hat, vom Sehen", antworte ich.
"Wirklich? Du hast sie angesehen, als würdet ihr euch schon ewig kennen."
Ich muss schlucken. Emely ist doch nicht so dumm wie ich dachte.
"Nein tue ich nicht. Ich setze dich am Wohnheim ab, okay?"

Ein wenig später sind wir da. Emely will nicht sofort aussteigen, stattdessen lehnt sie sich zu mir rüber und gibt mir einen Kuss.
Dann blinzelt sie mich mit ihren Augen an. "Wann sehen wir uns wieder?", fragt sie leise.
Am liebsten würde ich ihr die Wahrheit sagen. Nie, Emely. Nie wieder. Und es wäre das beste für dich.
"Bald", antworte ich stattdessen und zwinge mich zu einem Lächeln.
"Okay."
Sie steigt aus, winkt mir noch und schließt dann die Tür.

Eine Weile lang bleibe ich bloß im Auto sitzen und denke nach, dann fahre ich zurück ins Loft.

Kyrell sitzt auf dem Sofa, als ich reinkomme und raucht eine Zigarette. "Wollten wir das drinnen nicht lassen?", frage ich und deute auf den Aschenbecher.
"Halt die Klappe", murmelt er wütend.
Ich weiß, dass seine Wut nicht mir gilt, sie gilt dem Leben.
"Weißt du, was das erste ist, was ich tun werde, wenn ich der Boss der Marinos bin?"
Ich sehe ihn fragend an.
"Ich freunde mich mit dem Bürgermeister von Ellesmere an. Wir übernehmen die Herrschaft, Nik!"
Er steht auf und schnippt seinen Zigarettenstummel auf den Boden.
"Bist du verrückt, Kyrell? Sie würden herausfinden, dass unsere Familie kriminell ist und uns hinter Gitter stecken", antworte ich und betrete mein Zimmer.
Kyrell folgt mir.
"Vorher erschieße ich sie! Ich bin dann der Boss, ich kann tun und lassen, was ich will."
Ich bekommen eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, was passiert, wenn Kyrell die Herrschaft übernimmt.
"Das würde dein Vater nicht wollen", murmel ich.
"Scheiß auf ihn! Scheiß auf alle! Nur du und ich, Nik. Du hast es versprochen."
Ich spanne meinen Kiefer an. Verdammt, wo habe ich mich da reingeritten?
"Gleich kommt Amber. Wenn du uns nicht vögeln sehen willst, solltest du in deinem Zimmer bleiben oder gehen", scherzt Kyrell und lacht dreckig.
"Du triffst dich zwei Mal mit derselben? Ein neuer Rekord", antworte ich und ziehe mir meine Lederjacke über.
"Ich mag sie. Sie hört mir zu", erwidert er.
"Okay, dann viel Spaß. Ich bin weg."

Ich steige ins Auto und für einen Moment weiß ich nicht, wohin mit mir. Früher bin ich in solchen Momenten zu Livia gefahren, aber sie ist nicht mehr hier. Sie ist wieder in Italien und ich kann es ihr nicht einmal verübeln.
Ich lehne mich nach hinten und schließe die Augen. Das erste, was ich sehe, wenn ich die Augen schließe ist Aria. Ihren Blick vorhin, als sie mich neben Emely gesehen hat, werde ich nie vergessen.
Er wirkte beinahe etwas verletzt, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein. Sie ist eine harte Nuss, die schwer zu knacken ist. Ich habe dennoch das Gefühl, dass ich herausfinden muss, ob da noch mehr ist.

Ich starte den Motor und fahre los.

The Midnight Caller - Gefährliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt