Kapitel 2 - Aria

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"Wie ich schon gesagt habe, ich finde das verdammte Wohnheim nicht, Jen!", rufe ich in den Hörer. Mittlerweile hat es angefangen zu regnen und es ist eiskalt draußen. Wie kann ich an nur einem Tag soviel Pech haben?
"Wo bist du denn jetzt? Soll ich dich abholen?"
Ich suche verzweifelt nach einem Straßenschild. Unglücklicherweise kenne ich mich hier in Ellesmere überhaupt nicht aus.
"Ich schicke dir meinen Standort, okay?"
"Okay, aber stell dich irgendwo unter, oder geh in eine Bar oder so. Ich fahre gleich los."

Ich verstaue mein Handy in meiner Tasche und klappe meinen Regenschirm zu, bevor ich die Tür zu der ersten Bar öffnet, an der ich vorbeigelaufen bin.
Wie ich aber feststellen muss, ist das keine Bar, sondern ein Club. Und was für ein Club. Hier drinnen herrscht eine ganz außergewöhnliche Atmosphäre.
Egal, ich bleibe nur so lange hier, bis Jen mich abholt.
Komischerweise gibt es hier keine Türsteher, oder jemand anderes, der nach meinem Ausweis fragt.
Ich setze mich an die Bar und bestelle ein Wasser. Der Barkeeper dachte erst, ich verarsche ihn.
Dann werfe ich einen Blick in den Raum. Er ist dunkel, wird aber durch Scheinwerfer mit rotem Licht beleuchtet. Die Tanzfläche ist nicht wirklich groß und in den Ecken stehen schwarze Samtsofas mit Tischen, die alle wie kleine Zimmer mit Vorhängen voneinander getrennt sind.
Der Barkeeper bringt mir mein Wasser.
"Was für ein Club ist das hier?", frage ich ihn. Er grinst. "Der gehört den Marinos. Neu hier?"
Bin ich so durchschaubar?
Ich nicke. "Wer sind die Marinos?"
Er schafft es nicht mehr mir zu antworten, bevor sich ein großer schwarz gekleideter Mann an den Tresen stellt.
"Einen Whiskey", bestellt er. Dann schaut er zu mir rüber. Sein Blick wirkt starr und beinahe furchteinflößend.
Wo bin ich hier nur gelandet?
"Guten Abend, dich habe ich hier noch nie gesehen", sagt er und kommt auf mich zu. Mit einem charmanten Lächeln reicht er mir seine Hand.
"Ich bin Kyrell Marino."
"Ähm...Aria Palmer."
Als seine Hand meine berührt, durchfährt mich ein ungutes Gefühl. Ich sollte hier schleunigst abhauen.
"Was kann ich dir ausgeben, Aria?"
"Oh, ich bin schon bedient, danke", antworte ich und zeige auf mein Wasser.
"So ein Angebot sollte man nicht ausschlagen, meine Liebe."
Hat er mich gerade wirklich so genannt? So langsam kann ich das hier nicht mehr ernstnehmen.
In dem Moment legt jemand seine Hand auf Kyrells Schulter. Es ist ein weiterer schwarz gekleideter Mann mit braunem Haar und dunklen Augen. Er wirkt nicht ganz so furchteinflößend wie Kyrell.
"Was machst du hier unten, Nik? Ich dachte du wärst mit deiner Dame nach oben gegangen?", fragt er etwas gereizt.
"Sie hätte gerne noch einen Martini. Und was tust du hier? Deine Begleitung wartet auf dich."
Er zeigt auf eine rothaarige Frau, die gelangweilt auf einem der Sofas sitzt.
"Ich habe mich gerade mit Aria unterhalten."
Beide starren mich eindringlich an. "Danke für die Gastfreundschaft, ich muss jetzt gehen", sage ich und rutsche von meinem Hocker.
Ich habe Jen meinen Standort erst vor fünf Minuten geschickt. Wahrscheinlich ist sie jetzt erst unterwegs, aber lieber warte ich im Regen, als in diesem Schuppen hier.
"Du willst schon gehen? Unser Gespräch hat doch gerade erst angefangen, Aria."
"Tut mir leid, aber ich muss los."
Ich greife nach meiner Tasche und will gerade gehen, als mich eine kräftige Hand am Unterarm packt. Kyrell zieht mich zurück und starrt mir direkt in die Augen.
Mein Herz rast wie verrückt und ich kriege kaum noch Luft.
"Einen Marino lässt man nicht einfach so stehen. Wieso bist du hergekommen, wenn du jetzt einfach gehen willst?", fragt er mit tiefer Stimme.
"Lass sie los, Kyrell."
Der andere, Nik, löst Kyrells Griff von meinem Arm. Ich bin zwar wie gelähmt vor Angst, nutze aber die Chance, um zu flüchten.

Zu meinem Glück hat es aufgehört zu regnen. Was war das gerade? Was hätte dieser Kyrell mit mir gemacht, wenn der andere nicht dazwischen gegangen wäre?

Das laute Hupen eines Autos, lässt mich zusammenzucken. Jen hält am Straßenrand.

Ich rutsche auf den Beifahrersitz und schnalle mich an. "Du zitterst ja. Ist alles okay?", fragt sie besorgt.
"Kennst du diesen Club hier, Jen?", frage ich leise und zeige aus dem Fenster.
"Machst du Witze? Den Club kennt jeder. Er gehört der Mafia."
"Der was? So etwas gibt es hier?!", frage ich entsetzt. Vielleicht war es doch ein Fehler, aus Denver hier herzuziehen, um zu studieren.
"Die Marinos gehören zur Mafia und ihnen gehört sozusagen die Stadt. Wenn du dich nur einmal mit ihnen anlegst, bist du am Arsch, Aria. Merk dir das!"
Jen fährt los.
"Ich glaube, das habe ich schon getan...", murmle ich leise, sodass Jen es nicht hört.

The Midnight Caller - Gefährliche LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt