Nach der Begrüßung vom Professor war der erste Tag an der Uni auch schon zu Ende. Die Vorlesungen würden erst morgen beginnen.
Als ich gerade mein Notizbuch in den Rucksack packte, wurde ich an der Schulter angetippt. »Hast du Lust, mit mir einen Kaffee zu trinken oder ein Eis zu essen«, fragte Bianca und lächelte mich wieder süß an.
Ich widerstand dem Drang, Nein zu sagen. Ich wollte hier neue Freundschaften schließen und das würde nicht gehen, wenn ich zu allem Nein sagte. »Kaffee trinken klingt gut«, sagte ich schließlich. »Ich kenne ein nettes kleines Café in der Nähe«, sagte sie und bedeutete mir, ihr zu folgen. Also packte ich mein Federmäppchen ein, schloss den Rucksack und folgte Bianca aus dem Hörsaal.
Bianca lief zielstrebig durch die Mainzer Altstadt. Sie schien sich auszukennen. »Wohnst du schon lange hier?«, fragte ich schließlich. »Ja, hier geboren und aufgewachsen«, sagte sie lächelnd. Zwischen uns breitete sich eine unangenehme Stille aus. Ich wusste nicht, was ich sie noch fragen sollte. Es fühlte sich an, als hätte ich den sozialen Umgang im Camp verlernt. Dort hatte man sofort ein Gesprächsthema: Seine Krankheit. Im Alltag und mit gesunden Menschen waren das aber Tabuthemen. Niemand wollte hören, was man mit einer psychischen Krankheit ertragen musste. Nach außen hin sah man gesund aus und demnach waren die Urteile der Menschen schnell gefällt. Sie waren sofort der Ansicht, dass man log und sich selbst nur ein wenig in den Mittelpunkt stellen wollte. Daher wollte ich mich Bianca nicht aufdrängen und sofort verjagen.
»Du bist eher ruhig, kann das sein?«, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Ja, ich bin relativ schüchtern. Aber ich versuche, daran zu arbeiten«, antwortete ich lächelnd. Auch sie lächelte freundlich zurück.
Nach wenigen Minuten Fußmarsch kamen wir dann auch an einem kleinen Café an. Es lag ein wenig versteckt, man musste zwischen zwei Häusern in einen Gang laufen und kam so in den Hof, wo sich das Café befand. Draußen waren ein paar schwarze Tische aufgestellt, um die schwarze Stühle standen. Über jedem Stuhl hing eine dunkelrote Decke. Schatten spendeten die drei Bäume, die hier im Hof wuchsen.
Der Innenraum war etwas heller ausgestattet. Die Tische sowie die Stühle war cremefarben. Mehrere Pflanzen unterstrichen das gemütliche Ambiente. Über der Theke mit den Gebäcken hing ein Schild mit der Aufschrift 'La Rouge'. So hieß das Café.Wir setzten uns an einen leeren Tisch in der Ecke. Da nicht so viel los war, kam sofort eine Kellnerin. »Wisst ihr schon was ihr möchtet oder soll ich euch noch kurz schauen lassen?«, fragte sie freundlich lächelnd. Fragend sah mich Bianca an, weshalb ich kurz nickte. Sie drehte sich zur Kellnerin. »Einen Cappuccino und ein Stück Marmorkuchen für mich, bitte«, bestellte Bianca freundlich. Die Kellnerin notierte sich die Bestellung auf ihrem Notizblock und schaute mich danach fragend an. »Für mich auch einen Cappuccino und ein Stück Käsekuchen«, sagte ich lächelnd. Sie nickte und bedankte sich, bevor sie weglief und begann, unsere Bestellung vorzubereiten.
»Ich gehe hier gerne mit meinem Freund hin. Wir hatten hier sogar unser erstes Date«, erzählte sie mir, in einem weiteren Versuch, ein Gespräch aufzubauen. Aus irgendeinem Grund wollte mir nicht einfallen, wie ich das Gespräch weiterführen sollte. »Welchen Kuchen isst dein Freund gerne«, fragte ich, weil das das erstbeste war, was mir einfiel. Innerlich schlug ich mir gegen Stirn. Auch Bianca schaute kurz verwirrt, bevor sie die Frage jedoch beantwortete. »TJ liebt Käsekuchen.«
Und schon erstarb das Gespräch wieder. Seufzend fuhr ich mir die Haare. »Tut mir Leid. Ich war jetzt ein Jahr weg von meinem Alltag und weiß nicht mehr, wie ich mit Leuten sprechen soll. Wenn ich mit Leuten spreche, wird mein Kopf leer und es kommt nichts mehr brauchbares raus. Ich muss Smalltalk und allgemein Gespräche gefühlt erst wieder lernen«, gab ich nun doch ehrlich zu. Es tat mir Leid, dass ich hier saß, wie ein gesprächsloser, langweiliger Stein.
Bianca lächelte mich warm an. »Wo warst du denn?«, fragte sie interessiert. »Sagen wir, ich war im Urlaub. Ich musste ein paar Dinge in meinem Kopf sortieren. Ich bin aber noch nicht bereit, darüber zu sprechen.« Sie nickte verstehend. »TJ war ein Jahr in Therapie im Ausland, wegen seinen Aggressionsproblemen. Er hat mir etwas ähnliches erzählt.«
Ohne es zu wollen, wanderten meine Gedanken nach Monaten das erste Mal wieder zu Taddl. Die Beschreibung passte zu gut. Doch der Zufall war zu groß. Er ist damals nach Bonn gefahren.
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Home | Tardy
FanfictionSeit vier Monaten ist Ardy nun aus dem Camp. Allerdings fällt es ihm schwer, sich im Alltag wieder zurechtzufinden, nachdem er ein Jahr fern ab von diesen Problemen gelebt hat. Auch die Trennung von Thaddeus, seinem ersten richtigen Freund, verkraft...