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,,Wieso hast du immer so leckeres Essen mit? Hoffentlich hast du vorgehabt, dieses mit mir zu teilen." wird mein bester Freund Hyunjin los, welcher sich über sein langes, schwarzes Haar fährt und mich erwartungsvoll anschaut. Dieser Junge... ,,Du bist echt zu faul, um dir morgens dein eigenes Essen zu machen, nicht wahr?" frage ich ziemlich belustigt und wackele dabei mit meiner linken Augenbraue. Sofort muss sich mein Sitznachbar in der Cafeteria rechtfertigen: ,,Es ist nicht so, dass ich faul bin. Erstens finde ich auf dem ersten Blick nichts Vernünftiges zu Hause. Zweitens habe ich keine Zeit dafür. Du weißt doch, wie weit ich wohne. Dafür muss ich ziemlich früh das Haus verlassen." ,,Immer diese Dorfkinder." kommentiere ich amüsiert, ehe ich hinzufüge: ,,Du kannst auch früher aufstehen, damit du was Ausgewogenes zur Schule bringen als Schokolade. Wieso Schokolade mit Nüssen?" ,,Weil Nüsse geil sind. Gibst du mir jetzt etwas von deinem Kimbap?" fragt er mich und zieht dabei eine Schnute, um niedlicher auszusehen. Zwar hilft bei mir die niedliche Nummer nicht, allerdings unterstütze ich die Ansicht, dass Hyunjin nervig sein kann, wenn er nicht das bekommt, was er will, also gebe ich ihm zwei Stücke Kimbap, damit er sich im Nachhinein nicht beschweren kann.

,,Danke, Quokka." kommt aus seinem Mund, ehe er anfängt, meinen selbstgemachten Kimbap zu essen. Während ich esse, frage ich noch einmal: ,,Aber jetzt im Ernst.. wieso Schokolade mit Nüssen? Bist du wieder horny?" ,,Sag mal? Sexualisierst du grade den Verzehr von Schokolade?" äußert er als Gegenfrage, zu welcher ich folgendes kommentiere: ,,Was hat das mit Sexualisieren zu tun? Du isst alles mit Nüssen, wenn du hungrig bist.. das andere hungrig." Während der Junge mit dem langen schwarzen Haar langsam errötet, wird er los: ,,Wie soll ich mich denn sonst in Felix' Nähe zusammenreißen? Hast du dir mal sein Lächeln angesehen?" ,,Ja habe ich.. du hängst ziemlich an diesem Jungen, kann das sein?" fällt mir auf, wobei es nicht einmal lange her ist, als die beiden miteinander ein Wort ausgewechselt haben. ,,Ja tue ich." von Hyunjin ganz knapp, welcher seine Schokolade mit Nüssen herausholt und von dieser abbeißt.

,,Was hast du eigentlich gleich für ein Fach?" frage ich direkt, da ich gerade ganz ungern über andere Jungs reden will, obwohl ich selbst mit einem Jungen in einer Beziehung bin. ,,Ich habe gleich Englisch. Ich habe die Hausaufgaben mal wieder nicht, aber ich sage einfach, dass es einer meiner drei Hunde war. Typische Ausrede eines Dorfkindes!" meint Hyunjin und fängt an, wie ein kleiner Esel an zu lachen. Grinsend schüttele ich meinen Kopf und rede einfach über mein nächstes Schulfach: 

,,Also ich habe gleich Mathe, allerdings bin ich heute nicht so motiviert. Mal gucken.. vielleicht bekomme ich gleich noch meine Klausur in Mathe zurück." ,,Viel Erfolg, Quokka." wird Hyunjin kurz los, während er dabei seine Flasche Wasser aus dem Rucksack herausholt, um aus diese anschließend etwas zu trinken. Schließlich ist es sehr warm und wir neigen uns immer mehr den Sommerferien. Ich trinke ebenso von meiner mit Wasser gefüllte Flasche, ehe ich auf Hyunjin eingehe: ,,Danke.. eigentlich habe ich ein ganz gutes Gefühl. Aber mal gucken. Ich müsste jetzt schon früher los, da ich aus den Schließfächern etwas holen musst. Ist das schlimm, wenn ich dich jetzt schon allein lasse?" Schulterzuckend antwortet mein Sitznachbar: ,,Kein Problem. Bis dann, würde ich sagen." ,,Bis dann." gebe ich knapp von mir, nachdem ich mein Essen in die Tasche gepackt habe und aufgestanden bin.

Nun mache ich mich auf dem Weg zu meinem Schließfach, da ich mein Mathebuch holen muss, welches noch drinnen liegen muss. Schließlich habe ich keine Lust darauf, von meinem Lehrer angemeckert zu werden, weil ich erneut mein Mathebuch aus dem Schließfach holen muss. Dementsprechend beeile ich mich, da bald der Unterricht beginnt und mein Schließfach etwas weiter von meinem Kursraum entfernt ist. Als ich nun angekommen bin, schließe ich mein Fach auf und ziehe die Tür zu mir, um mein Schließfach ganz aufzureißen. Ich bin so sehr damit beschäftigt gewesen, mein Mathebuch in diesem schrecklichen Schweinestall zu suchen, sodass mir erstmals nicht aufgefallen ist, dass mir etwas von meinem Schließfach rausgefallen ist.

Nachdem ich mein Mathebuch eingesteckt habe, beuge ich mich nach unten, um den Umschlag aufzuheben, welcher auf dem Boden der Schule gelandet ist. Ich raffe mich auf und beim Betrachten des Umschlags stelle ich fest, dass dieser nicht mir gehört. Auf diesem steht ebenso nichts drauf, doch es scheint so, als wäre in diesem Briefumschlag etwas drinnen. Zumindest nehme ich dies mit meinen Fingerspitzen wahr. Von wem ist dieser Umschlag?

Sollte ich diesen öffnen? Immerhin hat sich dieser in meinem Schließfach befunden. Wieso sollte ich diesen dann auch nicht öffnen? Er muss an mich gewidmet sein, sonst wäre dieser nicht drinnen gewesen. Ich zögere nicht weiter und öffne stattdessen den Umschlag. Die Neugier wird immer stärker, denn ich habe noch nie einen Brief erhalten. Ob es ein Liebesbrief ist? Hoffentlich nicht, da ich vergeben bin. Nun denn, ich falte den Zettel mit der Botschaft auf, die mir die anonyme Person vermitteln wollte. Ich atme einmal ganz tief ein und aus, ehe ich anfange, diesen Brief zu überfliegen, da ich nicht genug Zeit habe, diesen mir gründlich durchzulesen. Nun denn, dies ist immer noch besser als gar nicht.

Die frische Windprise lenkt mich vorübergehend davon ab, was sich in meinem Kopf abspielt. Die dunkleren Gewitterwolken haben die Gedanken schnell transparent wirken lassen. Vorübergehend. Einmal die Realität zu spüren bekommen. Einmal die Gegenwart mit eigenen Augen wahrnehmen, ohne diese von einer zweiten Person berichtet zu bekommen. Es gibt Momente, an denen man mich nicht von der Wirklichkeit mitreißen will, sondern zulässt, dass ich alles schärfer wahrnehme, was mir schadet. Ablenkung ist das Notwendigste, um mich am Leben zu halten. Deswegen verfasse ich diesen Brief an dich, wer auch immer du bist. Den Umschlag habe ich in irgendeinen Schließfach reingeschmissen und mir ist es gleich, in welchem sich dieser Brief befindet, insofern es nicht mein Ex Freund ist. Er ist der Grund, wieso ich den Drang habe, all den Schmerz rauszulassen.

Ich entschuldige mich dafür, dass ich dich rein zufällig mit diesem Brief nerve und dich dementsprechend in dieses Problem mir reinziehe, also wenn ich dich mit diesen störe, dann zerreiße sie, setze sie in Brand. Eigentlich ist es mir egal, was du mit diesen anstellst, nur gebe sie an keine dritte Person weiter, da es sonst bittere Konsequenzen für uns beide haben wird. Die Wahrheit dahinter ist, dass ich jemanden suche, der sich meine Briefe durchliest, als würde mir jemand zuhören. Jemand, der meine Worte verinnerlicht, die ich für eine fremde Person verfasst habe.

Seitdem mein Ex Freund mich für jemand besseren verlassen hat, fühle ich mich so stark einsam. Er ist alles, was ich noch gehabt habe, doch jetzt sitze ich hier mit leeren Händen. Kalt sind sie ebenso, da es schon eine Weile her ist, als er meine Hand gehalten hat. Ich bin ein wirklich verzweifelter Junge mit einem gebrochenen Herz, der sich bei jemanden auskotzen muss. Vielleicht fühle ich mich nicht mehr einsam und in Stich gelassen, wenn ich jemandem Briefe schreibe. Das ist ein Problem, an welches ich mich sehr ungern mit meinem Therapeut setzen möchte. Deswegen.

Ich danke dir vielmals, dass du dir meine Worte zur Kenntnis genommen hast, obwohl du mich nicht kennst. Hoffentlich habe ich dich nicht allzu sehr aufgehalten. Wie gesagt: Schmeiße die Briefe weg, wenn dich diese nicht interessieren. Ich mache das nur für mich. Es tut mir Leid nochmal. - Lee Know

ᴇx ᵐⁱⁿˢᵘⁿᵍ ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt