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(Pov. Akira)

Am nächsten Morgen wachte ich mit einem Arm, der um mich herumgelegt war, auf. Als ich mich umdrehte, realisierte ich, dass der Arm zu Manuel gehörte. Ich lächelte und starrte dann die Decke an. Manuel und ich waren schon seit sehr langer Zeit gute Freunde.
„Akira? Bist du schon wach?", flüsterte er leise. Ich wendete mich ihm zu und schaute in seine wunderschönen grünen Augen.
„Schon seit ein paar Minuten", antwortete ich und lächelte erneut. „Was wollen wir heute machen?", fragte ich ihn.
„Wir könnten spazieren gehen", schlug er vor. „Das Wetter ist doch ganz gut", fügte er hinzu.
„Klingt gut. Ich stehe dann mal auf und mache mich fertig", meinte ich, stand auf, ging mit meinen Anziehsachen ins Badezimmer und schloss ab. Ich duschte, zog mich an und schminkte mich mit meiner Schminke, die Manuel nicht weggeräumt hatte, seitdem ich das letzte Mal hier war. Dann ging ich zurück zu ihm ins Schlafzimmer. Ich erschrak und ließ meine Schlafklamotten fallen. „Manuel, warum bist du so blass?", fragte ich mit zittriger Stimme.
„Ich bin blass?"
„Guck dich doch im Spiegel an, du siehst aus wie eine Leiche", meinte ich und hob die Kleidung vom Boden auf. Manuel stand auf und ging zum Spiegel, der an seinem Kleiderschrank befestigt war und schaute hinein, auch er erschreckte sich vor seinem kreidebleichen Gesicht.
„Was ist denn los? Mir geht's gut, ehrlich", versicherte er und zog an seinem Gesicht herum.
„Vielleicht sollten wir zum Arzt", meinte ich besorgt.
„Nein, bloß nicht!", rief er.

„Moment", murmelte Manuel nach einer Weile. „Was ist heute für eine Mondphase?", fragte er mich. Ich schaute auf mein Handy und blinzelte ein paar mal ungläubig.
„Vollmond", sagte ich.
„Ich verwandle mich doch nicht gerade in einen Werwolf oder?", fragte er beunruhigt.
„Nein. Werwölfe sind nicht blass und sie verwandeln sich nur, wenn sie den Vollmond sehen. Außerdem: Warum solltest du dich verwandeln?"
„Hast du schon den Deal vergessen?", wollte er entsetzt wissen. Ich erinnerte mich noch genau.
„Du wirst ein Vampir", schrie ich und schreckte zurück. „Manuel", wimmerte ich ängstlich.
„Warum nur ich?", fragte er leise. „Akira!", rief er, obwohl wir in einem Zimmer waren. „Ich habe kein Spiegelbild mehr!" Ich kroch neben ihn und sah, dass er recht hatte.
„Oh Gott", flüsterte ich mit Tränen in den Augen.
„Du...", fing er an, doch brach ab.
„Was?"
„Soll ich es sagen?" Ich nickte unsicher. „Du bist auch blasser geworden." Sofort schaute ich in den Spiegel. Mein Spiegelbild war zwar noch existent, aber um einiges verschwommener als sonst.
„Scheiße", murmelte ich. „Was machen wir denn jetzt?", fragte ich.
„Ich kann nie wieder Let's Play's aufnehmen", seufzte Manuel.
„Wieso das denn?"
„Die Menschen werden es doch ahnen, wenn ich eine Ewigkeit lang Videos mache. Meine Stimme wird immer gleich bleiben. Ich habe bisher fast ausschließlich nachts aufgenommen, doch wenn wir jetzt Vampire sind, dann haben wir nachts anderes vor. Und tagsüber habe ich immer geschnitten. Jetzt geht das alles nicht mehr. Außerdem...", er stockte. „Wir könnten es wie einen Unfall aussehen lassen. Irgendjemand, der gut schauspielern kann, kann den Menschen erzählen, ich sei bei einem Autounfall ums Leben gekommen", schlug er vor.
„Und wem würdest du unser Geheimnis anvertrauen?", fragte ich.
„Taddl", antwortete er. Ich ließ mich aufs Bett fallen und starrte an die Decke.
„Und wie willst du ihm das sagen? »Hey Taddl, du musst mal für Akira und mich was erledigen und zwar solange, bis du tot bist. Wir sind Vampire geworden und ich kann deshalb keine Videos mehr machen«?" Manuel lächelte mich an und nickte leicht.
„So in etwa. Akira, Taddl kann das bestimmt verstehen. Und er wird's machen."

-----Einige Stunden später-----

Manuel hatte Taddl angerufen und ihm Bescheid gesagt, dass er unbedingt vorbeikommen sollte, da er etwas Wichtiges mit ihm besprechen müsse. Ja, alle dachten, Taddl wisse nicht, wie Manuel aussehe, aber die beiden kannten sich schon länger und nicht erst durch YouTube.
Es klingelte gerade an der Tür, als ich mich total fertig auf einen Stuhl setzte. Manuel rannte zur Tür, öffnete sie, zog Taddl herein und schlug die Tür wieder zu.
„Endlich bist du da", seufzte Manuel.
„Was ist passiert? Du bist ja ... total blass", bemerkte Taddl. War es denn wirklich so offensichtlich?
„Es ist etwas passiert, ja, deshalb bist du hier", sagte Manuel.
„Was ist mit deinen Zähnen passiert?", fragte Taddl erstaunt. „Die sind ja total spitz", wurde er unruhig. Sofort fuhr ich mit meiner Zunge über meine Zähne. Wie ich es erwartet hatte, waren meine Eckzähne auch spitz.
„Taddl, lach jetzt nicht okay? Das, was ich dir jetzt erzähle, ist kein Witz und wirklich passiert", fing Manu an. Ich sah, dass er überall zitterte. Dann redete Manuel ohne Punkt und Komma und erzählte Taddl die ganze Geschichte von Anfang an.

„Ich kann's nicht fassen, dass das echt passiert ist", seufzte Taddl, den Kopf verzweifelt in die Hände gestützt. „Und warum soll ich den Leuten jetzt sagen, dass ihr beide bei einem Unfall gestorben seid?"
„Ich kann einfach nicht mehr aufnehmen, das wird alles zu viel. Ich muss erst mal damit klarkommen, dass ich jetzt ein Vampir bin."
„Sag deinen Zuschauern doch, dass du eine Pause machen willst, da in deinem Privatleben nicht alles klar läuft. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du aufhören willst. Du wirst es sonst wirklich bereuen", sprach Taddl ihm gut zu. Doch Manuel schüttelte sofort den Kopf.
„Nein, nein, Taddl. Ich ... kann das einfach nicht mehr!" Ich sah, dass Manuel total verzweifelt war. Ich hätte ihn gerne in den Arm genommen. Zum Glück hatte ich dieses Problem nicht.
„Manuel, bitte. Denk nochmal drüber nach. Du hast eine knappe Million Zuschauer, willst du das wirklich einfach aufgeben?" Manuel nickte betreten.
„Gut. Produzier nichts Neues an Videos, lade nur noch das hoch, was du hast und sag mir bescheid, wenn du nichts mehr hast. Ich werde dann ein Video machen, das du auf deinem Kanal hochladen kannst. Da rede ich über deinen Tod. Ich muss mir nämlich auch erstmal etwas Gutes einfallen lassen", erklärte Taddl ihm. „Und du Akira?"
„Ich möchte sehen, wie viele wahre Freunde ich wirklich habe. Wie viele zu meiner Beerdigung kämen und wie viele traurig wären", sagte ich ehrlicherweise.
„Ich muss jetzt wieder los", meine Taddl, umarmte Manuel und mich und verschwand eilig.
„Was tun wir jetzt?", fragte ich unsicher.
„Ich habe Durst", meinte er stirnrunzelnd. „Durst auf Blut."

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