3.

249 14 0
                                    

(Pov. Manuel)

Es waren nun schon einige Tage vergangen. Ich hatte mich noch nicht wirklich daran gewöhnt, ein Vampir zu sein. Ich musste nicht schlafen, nicht aufnehmen, nichts essen, nichts trinken und auch nicht wirklich irgendwas Anderes tun. Drei Mal am Tag lud ich in einem dunklen Raum ein Video hoch. Nachts, wenn Akira und ich nichts vorhatten, schnitt ich das ein oder andere Video. Ich lebte nicht, ich war einfach nur da.
Doch eigentlich war ich es auch schon vorher. Nur da. Ich hatte nie angefangen zu leben. Es war jeden Tag der gleiche Ablauf. Morgens aufstehen, duschen, frühstücken, Zähne putzen, aufnehmen, Mittagessen, Video hochladen, schneiden, Video hochladen, Abendessen, Video hochladen, Fernsehen gucken, Zähneputzen, wieder Fernsehen gucken oder schneiden und dann ins Bett gehen. Jeden Tag war es dieser Ablauf. Es sei denn, ich bekam Besuch. Und ich bekam verdammt selten Besuch.
Und jetzt ist alles anders. Ich bin 24 Stunden lang auf den Beinen, bin kein bisschen müde, muss nichts essen, nichts mehr aufnehmen. Und nachts gehen Akira und ich leise nach draußen. Dann gehen wir durch Köln spazieren. So sind wir wenigstens einigermaßen ungestört und können an der frischen Luft über alles reden. Doch diese Nacht wollen wir etwas Anderes ausprobieren. Und wenn das klappt, werden wir morgen noch einen Schritt weitergehen.

Nachdem ich mein 18:00 Uhr Video hochgeladen habe, schauten Akira und ich noch solange Fernsehen, bis es stockdunkel war. Dann zogen wir unsere Schuhe an und gingen nach draußen. Uns war trotz der sehr kühlen Herbstkälte nicht kalt. Wie denn auch? Wir waren tot. Wandelnde Leichen nur mit Gehirn. Also halb tot. Wir wussten, was wir taten, wir konnten uns kontrollieren, doch wir waren blass, kalt und emotionslos. Unsere Augen waren nachts rot, da wir die Menschen, besser gesagt ihr Blut, so besser orten können. Außerdem hilft uns ein »Röntgenblick« dabei, Umrisse von Gebäuden, Gegenständen und so weiter zu erkennen. Tagsüber sind sie weiß, damit sie jegliches Licht abstoßen.
Es ist einfach nur gruselig, was mit uns passiert.

Nach einer Weile waren wir am Kölner Dom angekommen. Akira wusste noch nichts von meiner spektakulären Idee.
„Und jetzt? Was willst du hier?", fragte sie mich auffordernd.
„Wir könnten versuchen, auf die Spitze zu klettern", antwortete ich belustigt.
„Bist du bescheuert? Ich klettere doch nicht in tiefster Nacht 157 Meter nach oben!"
„Aber du kannst doch gut sehen und gut klettern! Außerdem bringt das Spaß und wir könnten uns da oben perfekt unterhalten", versuchte ich sie zu überreden.
„Wir können auch hier unten reden", entgegnete sie nur, doch ich nahm Anlauf und sprang etwa 3
Meter über dem Boden an die Wand des Doms. In einem Affenzahn raste ich mit Leichtigkeit die Wand hoch. Ich weiß nicht wie ich es geschafft hatte, aber ich hatte meinem Körper freien Lauf gelassen. Alles hat funktioniert. Hoffentlich würden andere Fähigkeiten, wenn ich welche habe, ebenfalls so reibungslos verlaufen!
„Na komm", rief ich nach unten zu Akira, die wie angewurzelt auf dem Platz stand. Sie schien Anlauf zu nehmen. Ein paar Minuten später saß sie neben mir.

„Warum sind wir noch Vampire geworden, wenn das Böse nicht mehr lebt?", fragte sie nach einer Weile.
„Weil es ein Deal war. Und ein Deal gilt immer, egal was es für Bedingungen gibt", seufzte ich.
„Denkst du, das Böse lebt doch noch?"
„Ich weiß es nicht", antwortete ich. „Und wenn, dann müssen wir es ausschalten."

Für immer offlineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt