Kapitel 7: Lektion Nummer eins

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"Wow", hauchte ich, nicht in der Lage, auch nur ein richtiges Wort zu sagen. Was soll man auch sagen, wenn man plötzlich zwei Götter im Schlafzimmer stehen hat?

"Guck mal , wir haben ihr die Sprache verschlagen!", lachte Blade –Ares?– und drehte sich zu Athene.

"Soll ich euch Blade und Cayt oder Ares und Athene nennen?"

"Blade und Cayt ist in Ordnung", antwortete Blade. "Wir haben uns schon an die Namen gewöhnt. Aber interessant, dass das deine erste Frage ist."

"Liz!", rief Cayt plötzlich. Erschrocken sah ich sie an. "Theoretisch steckt in dir ja Artemis' Seele, also müsstest du dich doch auch verwandeln können! Versuch es mal!"

"Ähh, okay?" Ich hatte absolut keine Ahnung, wie es gehen sollte. Anscheinend sah man es mir auch an.

"Steh auf", sagte Blade. Als ich vor ihm stand, nahm er meine Hand und führte mich zum Spiegel, der mittlerweile an meiner Wand hing. Als er sich hinter mich stellte und die Hände auf meine Schultern legte, gab ich mir große Mühe ruhig zu bleiben. Irgendein Teil meines Gehirnes, der anscheinend noch funktionierte, bemerkte den silbernen Ring mit einem kleinen grünen Edelstein an Blades Zeigefinger und fragte sich, ob es wohl Amalianes Ring war. 

"Schließe deine Augen und stell dir vor, du wärst leicht wie eine Feder", flüsterte er.

Ich tat wie gesagt. Ich bin eine Feder, wiederholte ich immer wieder in Gedanken in der Hoffnung, dass es helfen würde und kniff meine Augen fester zusammen. Ich bin eine Feder, ich bin eine Feder, ich bin eine kleine, leichte Feder. Ich bin-

"Du kannst die Augen öffnen", unterbrach Blade sanft meine Gedanken. Ich öffnete meine Augen und vor Überraschung auch den Mund:

Meine Haare waren im Nacken zu einem Knoten zusammengebunden, zwei gelockte Strähnen umrandeten mein Gesicht. Im Gegensatz zu Blade und Cayt hat meine Augenfarbe sich nicht geändert, sie waren nach wie vor grün und blau. Ich trug ein ähnliches Kleid wie Cayt, nur hatte meins weiße Spitzenärmel. Über meiner Schulter hing ein mit Pfeilen gefüllter Köcher und in der Hand hielt ich einen Bogen. Ich sah... Wirklich hübsch aus.

"Anscheinend ist etwas nicht ganz richtig gelaufen, denn du hast das hier fast verloren", sagte Blade hinter mir und legte vorsichtig ein silbernes Diadem mit Diamanten auf meinen Kopf. "Aber du siehst wunderschön aus." Ich spürte, wie mir die Wärme in die Wangen schoss.

"Besonders, wenn du rot bist", fügte Blade leise hinzu und nahm meine Hand. Seine Wärme wirkte seltsam beruhigend. Er zog mich weg vom Spiegel, zurück zum Bett und Cayt.

"Wow, Lizzy, du siehst wunderschön aus", sagte Cayt und sah zu Blade. "Siehst du, wär sie nicht Artemis' Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkelin, hätte sie sich nicht verwandeln können."

"Ich glaube, du hast ein paar "Ur"s vergessen", erwiderte Blade nur.

"Dein Stein ist ein Diamant?", fragte Cayt unerwartet ernst.

"Was?", fragte ich, schon wieder verwirrt. Ich ließ Blades Hand los und setzte mich wieder aufs Bett, Blade ließ sich wieder vor Cayt und mich auf den Boden fallen.

"Jeder von uns hat einen Edelstein", erklärte Blade. "Meiner ist ein Rubin," er zeigte auf seine Krone. "Cayts ein Lapislazuli." Cayt drehte sich mit dem Rücken zu mir, sodass ich das Kunstvolle Muster aus den blauen Edelsteinen auf ihrem Schild sehen konnte.

"Artemis' Edelstein war eigentlich ein Malachit, deiner ist aber anscheinend ein Diamant, wie man am Diadem und dem Köcher sieht", fuhr Blade fort. Ich nahm den Köcher von der Schulter und tatsächlich, wie die Sterne am Nachthimmel glitzerten auf dem schwarzen Leder einige unterschiedlich große Diamanten. "Dein eigener Edelstein bedeutet-"

"Er bedeutet, dass du nicht Artemis, sondern eine neue Göttin bist!", unterbrach Cayt ihren Bruder aufgeregt.

"Eine Göttin?", keuchte ich.

"Jap", bestätigte Blade. "Du weißt schon, diese Menschenähnlichen Wesen, die unsterblich sind und früher von vielen Menschen verehrt wurden? Das bist du jetzt. Nur leider hast du die Zeit verpasst, als wir von vielen Menschen verehrt wurden, war eigentlich recht amüsant, bis auf die Opfergaben von Fanatikern, du weißt schon, die ganzen armen Jung-"

"Blade, sie weiß, was eine Göttin ist", unterbrach Cayt ihn scharf.

"Sorry, wollte Lizzy nur aufmuntern", entschuldigte sich Blade und hielt mir eine Packung Gummibärchen hin. Wo zum Teufel hatte der die jetzt schon wieder her?

"Tja, Gott sein hat auch seine Vorteile..." Blade grinste. Konnte der Typ Gedanken lesen oder stand es mir einfach ins Gesicht geschrieben?

"Beides." Blades Grinsen wurde breiter. Verdammt! Hoffentlich hat er im Sportunterricht... Verdammt! Aber es ist nicht meine Schuld, dass er einfach ein Six- Fuck, stopp! An was anderes denken! Alle meine Entchen, schwimmen auf dem See, schwimmen auf dem See.

Köpfchen unters Wasser, Schwänzchen in die Höh'!, hörte ich plötzlich Blades Stimme in meinem Kopf.

"Raus aus meinem Gehirn!", rief ich, und versuchte Blade zu treten, allerdings drehte dieser sich leider rechtzeitig weg.

"Übrigens, ich habe im Sportunterricht deine Gedanken nicht lesen können, weil ich in meiner Blade-Form und nicht der Ares-Form war. Leider."

"Lektion Nummer eins: in Ares' Gegenwart nur über Ares-freundliche Themen nachdenken", sagte Cayt. 

"Danke für den etwas verspäteten Tipp", ich sah Cayt vielsagend an, diese zuckte nur mit den Schultern. "Aber zurück zu den wirklich wichtigen Themen. Erstens, wie kann ich wieder, naja, normal aussehen? Mom könnte jeden Moment nach Hause kommen..." 

"Jetzt sollte es die einfache fallen, zwischen Liz und welche Göttin auch immer du bist zu wechseln, weil du jetzt weißt, wie du in beiden Formen aussiehst. Eigentlich musst du dir nur vorstellen, wie du aussiehst", erklärte Cayt. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich und als ich sie wieder öffnete, sah ich wieder aus wie vorher. Auch Cayt und Blade sahen wieder "normal" aus. 

"Zweites ernstes Thema: Was genau ist jetzt eigentlich die zweite Prophezeiung, die keine Prophezeiung ist?" 

Aeternitas - Prophezeiung der GötterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt