Ich ließ mich gegen Blade fallen und vergrub mein Gesicht in seiner Schultern. "Wo kommt sie denn jetzt her?", stöhnte ich. Blade lachte nur.
"Wollt ihr vielleicht herkommen, jetzt, wo ihr fertig seid?", rief Cayt aus ihrem Zimmer. Ich stand auf und versuchte irgendwie meine Kleidung und Haare zu richten. Blade sah mich lächelnd an und hielt mir seine Hand hin, die ich zögernd nahm. Wow, Liz. Gerade eben hast du mit ihm rumgemacht und jetzt macht es dich nervös, nur seine Hand zu halten.
"Also, wie lief's?", fragte Blade und ließ sich aufs Bett fallen, wobei er mich mitzog. Cayt entgingen unsere verschränkten Finger nicht und spätestens dann wusste ich, dass ich ein ausführliches Gespräch nicht vermeiden konnte.
"Ganz gut. Also, Hades war genauso nervig wie immer, aber ich konnte einiges herausfinden. Zum Beispiel kann Lizzy, wenn man ihm glaubt, nicht nur durch Geister in der Zeit reisen! Sie kann auch in die Vergangenheit eines Menschen reisen, wenn sie den berührt!" Cayt drehte sich zu mir. "Und wenn du ganz viel übst, brauchst du nur irgendeinen Gegenstand und kannst in der Zeit reisen!" Vor Aufregung überschlug sich ihre Stimme.
"Kann die Person, in dessen Vergangenheit Lizzy herumreist, selber bestimmen, in welche Zeit sie kommt?", fragte Blade.
"Nope." Cayt stellte sich vor den Spiegel und fing an, ihren Schmuck abzulegen. "Theoretisch kannst du auch in die Zukunft kommen, also, in die in genau der Sekunde wahrscheinlichste Variante der Zukunft. Willst du das mal ausprobieren?" Sie drehte sich zu uns.
"Klar, ich meine, es kann doch nicht schaden, oder?", antwortete ich etwas unsicher.
"Willst du es bei mir mal versuchen?", fragt Blade.
"Blade, ich glaube nicht, dass das eine gute-"
"Ich will nichts verstecken", unterbrach Blade Cayt. Er sah mich an. "Lizzy, es kann ganz gut sein, dass du ein paar schreckliche Dinge sehen wirst, auf die ich echt nicht sonderlich stolz bin. Aber wenn du wenigstens nur einen Bruchteil von dem fühlst, was ich fühle, verdienst du es, auch diese Seite von mir zu kennen. Es wäre sonst nicht fair dir gegenüber."
Ich nickte. "Ich möchte es versuchen. Was muss ich machen?"
"Ich glaube, du musst es dir nur stark genug wünschen. Vielleicht hilft es auch, wenn du nicht als Lizzy hier sitzt", sagte Cayt und klang dabei so, als wüsste sie es selber nicht genau. Trotzdem schloss ich meine Augen und konzentrierte mich.
Diesmal fiel es mir erstaunlich einfach, mich zu verwandeln. Und als ich die Augen wieder öffnete, hatte auch Blade sich verwandelt.
"Muss das sein?", fragte ich und strengte mich an, an irgendetwas neutrales zu denken. War ein pinker Elefant zu auffällig?
"Ein pinker Elefant? Ernsthaft?", fragte Blade und hob lächelnd eine Augenbraue.
"Raus aus meinem Kopf!" Ich boxte ihm in die Schulter. Leider schien es meiner Hand mehr auszumachen als ihm. Jedenfalls verzog ich vor Schmerz das Gesicht, während er mich nur interessiert ansah.
"Tut mir leid, aber ich kann das leider nicht kontrollieren", sagte Blade und lächelte traurig.
"Ist es also so ein Edward Cullen Ding? Du hörst einfach die Gedanken anderer?" Ich sah ihn neugierig an.
"Nein, so ist es nicht. Ich höre nicht die Gedanken fremder. Also schon, aber dafür muss ich mich darauf konzentrieren. Je näher meine Verbindung zu einer Person ist, desto weniger muss ich mich konzentrieren, um ihre Gedanken zu hören. Irgendwann sind sie wie ein Radio im Hintergrund. Aber bei dir..." Er hält inne und sieht mich nachdenklich an. "Deine Gedanken springen mir förmlich entgegen. Es ist so stark, dass ich manchmal in der Schule das Gefühl habe, dich im Hintergrund denken zu hören. Doch egal wie stark ich mich konzentriere, wirklich verstehen, was du denkst, kann ich nur als Ares." Ich wurde rot.
"Tut mir leid, also, dass meine Gedanken dich anspringen. Sorry, falls es stört." Ich sehe auf den Boden. Wenigstens konnte er -vorausgesetzt, er sagte die Wahrheit- nicht hören, was ich leider viel zu oft über ihn dachte.
"Nein, es stört nicht. Natürlich kann es anstrengend sein, aber es ist auch faszinierend. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie sowas besonderes erlebt", sagte er. Irgendwas lag in seinem Blick, als er mir in die Augen sah. Ich konnte es nicht genau deuten, aber es hatte Ähnlichkeiten mit meiner besten Freundin von früher, wenn sie beim Werwölfe spielen die Aussagen und das Verhalten aller Mitspieler aufs genauste analysierte, um die Werwölfe zu finden.
Cayt räusperte sich. "Es ist natürlich alles sehr interessant, aber wollten wir nicht eigentlich herausfinden, ob Lizzy in Blades Erinnerungen springen konnte?"
"Stimmt", sagte ich hastig und nahm Blades Hand. Ich schloss die Augen und versuchte mich auf ihn zu konzentrieren. Wie lange er schon gelebt hat und wie viel Zeit er auf der Erde verbracht hat.
Minuten vergingen und nichts geschah.
"Ist irgendetwas besonderes passiert bei den zwei Kindern, mit denen du vorher durch die Zeit gereist bist?", fragte Cayt. Ich dachte nach.
"Beide wollten, dass ich mitkomme. Sie wollten mir einen bestimmten Teil ihres Lebens zeigen", antwortete ich schließlich.
"Vielleicht hilft es, wenn ich eine Erinnerung aussuche, die ich dir zeigen möchte?" Ich nickte.
"Einen Versuch ist es wert." Ich schloss wieder meine Augen und konzentrierte mich.
Diesmal ging es ganz schnell. In einem Moment saß ich auf Cayts Bett und hatte Blades Hand gehalten, im nächsten rannte ich. Und ich hatte es eilig. Ich hatte nicht einmal genug Zeit gehabt, um mich vollständig anzuziehen, weshalb ich nun nur in schwarzen Stiefeln, einer schwarzen Hose und einem weißen Hemd durch den Wald rannte.
Als mich Athenes Nachricht erreicht hat, hatte ich alles stehen und liegen lassen und mich auf den Weg zu Amaliane gemacht. In Momenten wie diesen war ich froh über meine göttlichen Fähigkeiten, denn so konnte ich schneller laufen, als ein Pferd es je können würde.
Bei der Hütte im Wald angekommen machte ich mir nicht die Mühe zu klopfen.
"Verdammt", entfuhr es mir, als ich Amaliane sah, die auf ihrem Bett lag. Ihre Kleidung war zerfetzt und blutgetränkt, ihr Gesicht vollkommen zerkratzt. Als sie mich ansah, wirkte es so, als würde jede noch so kleine Bewegung sie unglaublich viel Mühe kosten.
Ich ließ mich vor ihr auf die Knie fallen und nahm ihre Hand in meine. Tränen stiegen mir in die Augen, als sie trotz ihrer Schmerzen tröstend meine Hand drückte.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und durch die Gedanken, die ich hörte, wusste ich, dass es Athene war. Sie setzte sich neben mich und strich Amaliane vorsichtig eine Locke aus dem Gesicht.
"Ich möchte euch etwas geben", sagte Amaliane. Ich hatte schon vorher Götter sterben sehen und wusste, dass die Festigkeit in ihrer Stimme täuschte und sie kaum noch Lebenskraft hatte. "Ich habe nicht mehr viel Zeit. Athene, nimm die Kette mit dem Bernstein. Sie wird dir Glück bringen und Kraft spenden. Mein Ring wird bei dir in guten Händen sein, Ares. Wenn du gut auf ihn aufpasst, wird er dir Sicherheit bringen." Sie reichte uns den Schmuck.
"Und jetzt hört mir gut zu: ich habe einen Brief geschrieben, in dem steht, dass der, der die drei Gegenstände vereint, die Welt zerstören oder retten wird. Es soll so wirken, als wären der Ring, die Kette und der Brief die Gegenstände. Aber ihr beide sollt wissen, dass der dritte Gegenstand der Anhänger ist. Nimm ihn, Ares. Bringt Lilith bitte ganz weit weg von hier und gebt ihr den Brief mit. Wenn die Zeit gekommen ist, wird eine ihrer Nachfahrinnen zurück nach Bergston kommen. Spätestens, wenn der Anhänger aus dem Nichts verschwindet, werdet ihr wissen, dass sie es ist. Dann sollte auch ihr erster Sprung in der Zeit passieren. Helft ihr, egal was es euch kostet. Erzählt nur ihr von dem wahren Dritten Gegenstand."
Ihr Blick änderte sich und ich wusste, dass es fast so weit war. Ihre Zeit war fast um. Ich unterdrückte ein Schluchzen, als ihre Hand meine nicht mehr richtig halten konnte.
"Danke", flüsterte Amaliane. Ihre Augen schlossen sich und ihr Hand erschlaffte vollkommen in meiner.
Im kleinen Bettchen neben uns schrie ein Kind.
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Aeternitas - Prophezeiung der Götter
FantasyEigentlich sollte der Umzug nach Bergston der Beginn eines neuen Lebens sein. In gewisser Weise wurde er das auch, nur war es nicht gerade das, was ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte eher an ruhige Nachmittage gedacht, an denen ich mich mit einem...