Kapitel 9

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Jimins Sicht:

Einige Monate vergingen, in denen ich mich selbst wieder aus diesem tiefen Loch, in das ich gefallen war, herausholen musste. Mir ging es immer noch miserabel, aber ich hatte endlich die Kraft gefunden, Bewerbungen zu schreiben und zu Vorstellungsgesprächen zu gehen. Mein Onkel besorgte mir eine eigene Wohnung in der Nähe des Bahnhofs, damit ich nicht auf manche Jobs verzichten musste, weil sein Haus so abgelegen war. Wahrscheinlich war der andere Grund für die Wohnung, dass er mir nicht ständig ins Gesicht sehen musste, weil ich meinem Vater ähnlich sah. Ich verurteilte ihn nicht dafür. Es war verständlich und ich war ihm dankbar, dass er mich überhaupt unterstützte. Ich fand noch keinen Job, um mich selbst finanzieren zu können und war sehr froh, dass er mich nicht einfach auf die Straße schmiss.

Gerade lief ich zurück nach Hause, da ich kurz einkaufen war. Ich wohnte in einem großen Hochhaus in einer zwei Zimmer Wohnung, im dritten Stock. Die Wohnung war süß und gemütlich. Der nächste kleine Einzelhandel war auch nur ein Block entfernt. Ich brauchte keine fünf Minuten bis dahin, worüber ich froh war. Ich hasste es einzukaufen und der Gedanke, dass ich eine halbe Stunde lang irgendwohin laufen musste, ließ mich erschaudern. Es war schon 19 Uhr und die Sonne ging unter, da der Sommer vorbei war und Platz für den Herbst machte.

Nach wenigen Minuten kam ich endlich vor der Haustür an und kramte meinen Schlüssel heraus. Ich öffnete die Tür und betrat den Flur. Herr Jung kam im selben Moment aus dem Fahrstuhl und lächelte mich freundlich an.

"Guten Abend", begrüßte ich ihn freundlich und hielt ihm die Tür auf.

"Guten Abend und vielen Dank, junger Herr", entgegnete er fröhlich und verließ das Gebäude.

Ich stieg in den Fahrstuhl und drückte auf den Knopf für die dritte Etage. Die Türen schlossen sich und ich fuhr hoch. Das erste, was ich Zuhause machte, war es zu duschen. Der ganze Dreck vom Tag klebte an mir und das fand ich sehr unangenehm. Als der Fahrstuhl im dritten Stock stehen blieb, verließ ich diesen und ging direkt zur rechten Tür, um meine Wohnungstür zu öffnen. Erleichterung machte sich erst in mir breit, als ich eintrat, jedoch merkte ich sofort, dass hier irgendetwas nicht stimmte.

Das Licht war im Wohnzimmer an.

Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich bekam wie auf Knopfdruck Angst. Onkel konnte es nicht sein. Er war am anderen Ende der Stadt und ich war mir sicher, dass ich alles ausgeschaltet hatte, bevor ich ging. Zögerlich legte ich die Einkaufstüten auf den Boden und zog meine Schuhe aus. Daraufhin schlich mich leise näher zum Wohnzimmer, in das man vom Flur aus direkt reinschauen konnte, und sah einen fremden Jungen auf meiner Couch sitzen. Verängstigt versteckte ich mich im Flur und wusste nicht, was ich tun sollte. Wie kam er in meine Wohnung? Die Tür war doch dreimal abgeschlossen.

"Fuck", fluchte der Unbekannte laut, als er mich bemerkte.

"Wer zur Hölle bist du?!", rief ich zurück und traute mich ins Wohnzimmer zu gehen, aber zuckte deutlich zusammen, als ich diesen... diesen Punk vor mir sah.

Er war komplett in schwarz gekleidet. Schwarzer Rollkragenpullover, schwarze lockere Stoffhose und schwarze Schuhe. Im Gesicht hatte er ein Augenbrauen- und Lippenpiercing am Mundwinkel. Auf seiner Hand waren irgendwelche Tattoos, die ich mir gar nicht anschauen wollte und er hatte einen Undercut. Die Haare oben waren grau gefärbt. Mir war zum Heulen zumute. Dieser Punk raubte mich jeden Moment aus oder misshandelte mich. Vielleicht auch beides.

"Es ist nicht so, wie es aussiehst. Mein Name ist Jeongguk und ich wohne ab heute zwei Stöcke über dir. Ich wollte mich nur bei dir vorstellen", versuchte er panisch zu erklären und wedelte mit seinen Händen in der Luft herum.

"Wie bitte? Was machst du dann in MEINER Wohnung, wenn du über mir wohnst?!", gab ich hysterisch von mir.

"Ähm, ähm... Herr Jung hat mir deinen Ersatzschlüssel gegeben, weil er gesagt hat, dass ich mich mal mit dir anfreunden soll. Du musst mir glauben, Jimin. Ich möchte dir nichts Böses", erwiderte er verzweifelt und kam mir einen Schritt näher.

Guardian | JikookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt