„Ava, bitte ich kann dich nicht verstehen wenn du so am schluchzen bist...", dringt die besorgte Stimme des Mannes, an mein Ohr.
Ich versuche die Worte auszusprechen aber es gelingt mir nicht, alles geht in ein paar heftigen Schluchzern unter.
„Kleines...Du musst versuchen dich ein wenig zu beruhigen. Ich weiß sonst nicht wie ich dir helfen kann...",versucht er es ein weiteres Mal und ich nicke, obwohl das vollkommen unnötig ist, denn er kann mich ja nicht sehen. Ich hole schnappend nach Luft und atme sie kurz darauf stockend aus. Während er schweigt, wiederhole ich diesen Vorgang noch einige Male und merke, dass der Drang zu schluchzen etwas nachlässt.
„So ist es gut..", murmelt er mir beruhigend zu und ich lächle kurz obwohl mir die Tränen immer noch aus den Augen und über die Wangen laufen.
Ein letztes Mal atme ich tief ein und aus.
„So ist es gut Schwesterchen, sag mir nun bitte was los ist."
Ich weiß, dass mir nur ein Versuch bleibt, denn wenn ich Owen erst einmal gesagt habe was mich bedrückt, werde ich die Kontrolle erneut verlieren. Der Schmerz ist einfach zu groß.
„Ich plane Arlo's Hochzeit und alles, wirklich alles geht gerade schief!", kommt es schreiend aus meinem Mund und wie erwartet, fange ich erneut an wie verrückt zu weinen.
Ich höre meinen Bruder wie wild fluchen aber ansonsten bleibt es verdächtig ruhig in der Leitung.
Ich wippe meinen schmerzgebeutelten Körper hin und her, während ich hemmungslos weine.
Owen seufzt erneut und ich weiß, dass er gleich anfängt mir seine Meinung zu geigen. Keine Ahnung wie ich das auch noch aushalten soll. Deshalb versuche ich die Luft anzuhalten und es einfach geschehen zu lassen.
„Verdammt, Ava! Was für ein Scheiß Schlamassel...", kommt es ruhiger als ich vermutet habe aus seinem Mund und ich wimmere. Mehr bringe ich im Augenblick nicht zustande.
„Ich sag dir jetzt was du tun wirst! Du wirst dich für morgen krank melden und ich setze mich sofort ins Auto und bin in zwei Stunden bei dir." Ich möchte protestieren aber auch das geht in einem Schluchzer unter.
Kraftlos rapple ich mich hoch und schleppe mich in die Küche wo ich mit Wasser in ein Glas fülle.
„Wenn dieses schlabbernde Grunzen ein Protest hätte bedeuten sollen, hast du den Falschen angerufen. Ich komme und du gehst morgen nicht zur Arbeit. Keine Widerrede!", sagt er streng und ich nicke erneut, während ich einen kräftigen Schluck von dem Wasser trinke.
„Mmhhmm...", kommt es zitternd aus meinem Mund.
„Gut... Ach und eines noch... Sperr Sir Scheißelot gefälligst ins Badezimmer, ich hab's echt satt dass er mir andauernd in die Schuhe pisst..."
Als er das sagt muss ich kurz kichern.
Ich atme tief ein und aus.
„Dddanke Oweewn..." stottere ich und beende das Gespräch.
Da an Schlaf nicht zu denken ist, rolle ich mich auf dem Sofa zusammen und gebe mich den Tränen hin obwohl es nach dem Telefonat mit meinem Bruder nicht mehr all zu heftig ist. Während ich da so liege und mich wie eine Versagerin fühle, kommen mir wieder Arlo's Worte in den Sinn.„Du fühlst diese Dinge zwischen uns doch genauso aber du lässt es nicht zu, dass wir darüber sprechen. Wie soll ich wissen, was du fühlst, wenn du es nicht zugeben willst?"
Natürlich fühle ich etwas für diesen Idioten! Überhaupt seit ich mehr Einblick in seine Beweggründe bekomme, aber was erwartet er bitte von mir? Ich werde doch nicht einfach einer anderen Frau den Mann ausspannen! Nie im Leben wäre ich so selbstsüchtig. Außerdem weiß ich doch nicht, ob diese Gefühle echt oder nur ein Schatten von damals sind. Vielleicht fühle ich all diese verwirrenden Gefühle nur, weil ich niemals richtig damit abgeschlossen habe. Arlo macht es sich zu einfach, er denkt nicht an die Konsequenzen und das ärgert mich wahnsinnig. Hat er keine Gewissensbisse? Plötzlich beschleicht mich ein neuer Verdacht. Was ist wenn ich mich darauf einlasse und er enttäuscht mich ein weiteres Mal?
Zweifel und Wut verdrängen meine Tränen und ich komme mir wie eine Idiotin vor. Warum reagiere ich so heftig auf ein paar Worte, die er vielleicht nur ausgesprochen hat, weil er dabei ist kalte Füße zu bekommen?
Worte bedeuten gar nichts!
Ich bin verwirrter als zuvor und erneut wird mein Körper von einer Welle Schmerz gebeutelt.
Wenn das wirklich Liebe sein sollte, warum tut sie dann so höllisch weh? Wenn die Liebe so aussieht, dann will ich sie nicht!
Eine Weile liege ich nachdenklich da, gefangen in meinen Gedanken. Müdigkeit überkommt mich und ich döse ein.
Ich werde erst wach als mein Bruder mit dem dem Reserveschlüssel, den ich ihm gegeben habe, die Türe aufsperrt und ich reibe mir die geschwollenen Augen.
Er kommt auf mich zu und setzt sich zu mir auf das Sofa. Seine Augen huschen über mein verquollenes Gesicht und blickt mich mitleidig an.
„Hey meine Kleine..." haucht er als ich mich aufsetze und er mich in seine Arme zieht. Wie auf Knopfdruck beginne ich wieder zu weinen. „Alles wird gut, ssshh bitte weine nicht..."
Owen streichelt mir mit einer Hand über das Haar und mit der anderen über den Rücken. Die Erinnerungen an das letzte Mal, als er das machen musste, drängen sich in mein Gedächtnis. Ich, auf dem Badezimmerboden- stundenlang. Der Körper schwach von den Heulattacken, die mich durchgerüttelt haben wie eine Fahrt mit einem Güterzug. Damals habe ich mir geschworen, niemals wieder so verletzt zu werden. Keinem Mann mein Herz zu schenken, damit es am Ende dann doch gebrochen werden kann. Trotzdem liege ich hier, zwar nicht auf dem Boden aber auf der Couch und heule wie ein Baby.
Owen löst sich langsam von mir und betrachtet mein verquollenes Gesicht und Scham überkommt mich. Ich war dumm genug mich auf diese Farce einzulassen, obgleich ich wusste wie schwer es werden würde. Doch das Angebot, Geschäftsführerin zu werden hat meine Sinne getrübt und mein Herz gierig werden lassen. Meine verdammte Selbstsucht hat mich an diesen Punkt gebracht und wie ein dummes kleines Mädchen habe ich meinen Bruder angerufen damit er mich wieder aufrichtet. Unfair, dumm und feige. Owen hat etwas besseres verdient, als dass er die Scherben die ich selbst verursacht habe, wieder zusammenkleben muss. Ich empfinde in dieser Sekunde einfach nur Abscheu für mich selbst.
„Ich weiß, es ist spät aber ich kann nicht ins Bett gehen ohne zu fragen...", murmelt mein Bruder und seine rehbraunen Augen blicken mich skeptisch an. Ich schlucke meine dummen Tränen hinunter und setzte mich auf.
„Kein Problem, ich habe mir diese Suppe eingebrockt. Das mindeste was ich tun kann ist ein paar Fragen zu beantworten, damit du mir sagen kannst wie dämlich ich bin."
Owen verzieht den Mund, er hasst es wenn ich so abfällig über mich spreche. Dieser Mann ist ein Heiliger, er sollte mir die Standpauke meines Lebens halten und nicht so wahnsinnig einfühlsam zu mir sein!
„Ava, ich kenne dich genau und ich weiß dass es hierfür einen triftigen Grund geben muss. Mach dich nicht so runter und erzähl mir lieber was zur Hölle hier abgeht."
Er legt mir eine Hand auf die Schulter und ich atme tief ein, bevor ich ihm von allem erzähle was in den letzten beiden Wochen passiert ist. Er hört mir zu, unterbricht mich kein einziges Mal dabei.
Als ich bei dem Gespräch von heute Abend ankomme und ihm erzähle was Arlo zu mir gesagt hat, bekomme ich die erste wirkliche Reaktion von ihm. Er flucht und das nicht wütend sondern bewundernd. Ich hebe verwundert eine Augenbraue und warte dass er etwas zu mir sagt.
Er seufzt leicht während er mich ansieht und nach den richtigen Worten sucht.
„Verflucht Ava... Ich denke der Mann liebt dich immer noch."
Ich fahre bei seinen Worten zusammen. Er sollte nicht so sein, seine Aufgabe wäre mir den Kopf zurecht zu rücken.
„Was du mir hier alles offenbarst, erklärt so vieles. Warum er die Hochzeit nicht durchgezogen hat und warum er es nicht lassen konnte, uns alle monatelang jeden Tag mit Anrufen zu bombardieren."
Ich nicke zustimmend doch der bittere Geschmack in meinem Mund lässt sich nicht vertreiben.
„Ja da gebe ich dir recht, aber was tut das alles zur Sache? Er heiratet und ich plane diese Hochzeit."
Mein Bruder kratzt sich über seinen Vollbart, der ihm überraschender Weise gut steht und sehr gepflegt aussieht.
Er nickt danach und streichelt mir über die Wange.
„Du weißt, dass ich diesen Wichser verachtet habe, für das was er dir angetan hat. Ich will nicht sagen, dass ich ihm nicht noch immer die Fresse polieren möchte aber ich denke, du solltest darüber nachdenken was du für dich und dein Leben möchtest."
Ich stoße einen Grunzlaut aus und vergrabe mein Gesicht in den Händen.
„Das weiß ich nicht Owen! Am liebsten würde ich die beschissene Zeit zurückdrehen und diese Hochzeit ablehnen. Es ist mir zu gefährlich, erneut alles auf ein Pferd zu setzen. Überhaupt wenn mich dieser dumme Gaul schon ein Mal abgeworfen und auf meinem Herz herumgetrampelt hat als wären es Pferdeäpfel!"
Mein Bruder lächelt über meinen Vergleich und verschränkt seine Hände hinter den Kopf.
„Liebe ist eben gefährlich und risikoreich. Du musst eine Entscheidung treffen und die betrifft nicht Arlo, sondern was du für dich möchtest! Du kannst nicht ewig alleine versauern und allen Männern abschwören, nur weil einer zu dumm war zu erkennen, was er an dir hat. Entscheide dich für ihn
, wenn es sich richtig anfühlt oder verbanne ihn ein für alle Mal aus deinem Leben!"
Ich höre meinem Bruder gebannt zu und erkenne wie zutreffend seine Aussage ist. Verdammter Klugscheißer!Ich ziehe eine Schnute.
„Ich will mich aber nicht entscheiden! Ich will, dass er mir egal ist und mich und mein zertrampeltes Herz in Ruhe lässt.", gebe ich schmollend von mir, obwohl ich weiß wie kindisch diese Aussage ist.
Owen lacht und zieht mich an seine Brust während er mir durch die Haare strubbelt.„Du dummes Ding, so funktioniert das aber nicht. Du kannst nicht darauf hoffen, dass der Mann der dir das Herz gebrochen hat, es wieder zusammensetzt. Das musst du von selbst machen und danach entscheiden, ob du es endlich gebrauchen möchtest oder es wieder für Jahre in eine dunkle Kiste sperrst...", sagt er sanft und blickt mir dabei tief in die Augen.
Erneut bilden sich Tränen, allerdings nicht aus Traurigkeit sondern aus Dankbarkeit.
Ich ziehe meinen großen Bruder in eine feste Umarmung.
„Komm schon, Ava... Wir gehen schlafen, ich bin echt hundemüde.", flüstert mein Bruder und hebt mich von der Couch, um mich ins Schlafzimmer zu tragen. Dort legt er mich aufs Bett, deckt mich zu und löscht das Licht. Er kuschelt sich an mich und lässt seine Lippen an meiner Stirn ruhen.
Seine bloße Anwesenheit und seine Fürsorge, beruhigen mich.
„Danke Owen...", flüstere ich und er grinst.
„Gern geschehen..."
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𝐵𝑒𝒻𝑜𝓇𝑒 𝓎𝑜𝓊 𝓈𝒶𝓎 𝐼 𝒹𝑜...
RomanceAva Wallace ist eine junge, erfolgreiche Hochzeitsplanerin aus London, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Sie ist bekannt für ihre Detailverliebtheit und ihre Gabe, jedem Brautpaar ihre individuelle und einzigartige Traum-Hochzeit zu schen...