Rezo hatte den miesesten Zeitzonenkater seines gesamten Lebens.
Nicht, dass er in seinen fünfundzwanzig Lebensjahren schon in vielen internationalen Angelegenheiten unterwegs war. Ganz im Gegenteil, er hatte den Großteil seines Lebens in der selben Eishalle verbracht, mit einem Schläger in der Hand und lautem Lachen auf den Lippen. Dass er diese Leidenschaft auf so einer Skala ausleben und zu seiner Profession machen konnte, war ein unglaubliches Privileg.
In Singapur ging die Zeit sechs ganze Stunden vor, und seine interne Uhr protestierte gegen den raschen Wechsel. In seinem Inneren war es zwei in der Früh, die gleißende Sonne über dem südostasiatischen Inselstaat sagte acht Uhr morgens. Er gähnte lauthals und rieb sich die Augen, Koffer und Hockey-Equipment hinter sich herschleppend.
Eine Hand landete auf seinem Rücken. „Na, Süßer?", fragte sein langjähriger Teamkollege Rewi breit grinsend. Als Rezo müde zu ihm rüberschaute, bewegten sich Rewis Augen viel zu schnell über die Skyline vor ihnen, glänzend vor Staunen und Vorfreude. Dabei war der Grund, warum sie hier waren, erst in drei Wochen; die Olympischen Winterspiele, zum ersten Mal abgehalten in der wunderschönen Stadt Singapur.
„Bin müde", informierte er seinen guten Freund. Rewi wippte auf seinen Füßen hin und her, ein Bündel aus purer Energie.
„Sind wir auch", ächzte Anni hinter ihm, bevor sie ihr Equipment über die Schulter bekam und sich zu ihnen gesellte, um die Skyline zu bestaunen, für die Rezos übermüdetes Gehirn keinen Speicherplatz übrig hatte. „Wow."
„Wahnsinn, oder?", Rewi lachte überschwänglich. „Alter, wir sind echt hier. Wir sind hier."
„Noch haben wir nichts gewonnen", konterte Anni Rewis Enthusiasmus wie immer nüchtern. Rezo musste lächeln. Wie gut sie doch ausbalanciert waren, sein Team. Nach und nach stieg auch der Rest und ihr Coach Taddl aus – Joey und Julia, Arm in Arm und beide genauso verschlafen wie Rezo, dann ihre jüngste Spielerin Kayla und die geliebten Ersatzspieler Sturmi und Toni.
Zusammen betrachteten sie die atemberaubende Aussicht. Taddl bestand auf gute Teammorale, die sie auch ausreichend besaßen. Kayla stellte sich neben Rezo und hielt ihr Gesicht in die Sonne, gegen das grelle Licht anblinzelnd wie jemand, der noch nie Tageslicht gesehen hatte. Taddl atmete tief durch, die frische Luft schien ihm gut zu tun. Da warf ihm Rezo nichts vor. Stundenlang mit ihnen in einem stickigen Reisebus zu sitzen war bestimmt anders nervenaufreibend.
„Na dann", meinte ihr Coach schließlich und klatschte in die Hände. „Dann machen wir uns mal auf den Weg ins Olympiadorf."
Singapur war ein architektonisches Meisterwerk an moderner Kunst und Kultur. Selbst auf den höchsten Hochhäusern konnte Rezo Grünes erkennen, die Stadt galt ja auch als eine der grünsten Städte der Welt. Die Marina Bay, an der sie mit dem Zug vorbeifuhren, war noch atemberaubender als auf den Bildern, die er gesehen hatte. Vom Flughafen Changi weg machten sie sich auf den Weg in das Olympiadorf, dass nah an der Olympiade aufgebaut worden war und wo sie für die nächsten Wochen wohnen würden.
Taddl sah zu, dass sie alle W-LAN bekamen (der Mann dachte auch an alles), sicherte ihnen Schlüsselkarten für ihre geteilten Zimmer zu und zeigte ihnen die Eisbahnen, in denen sie trainieren würden. Rezo teilte sein Zimmer mit Rewi, Kayla mit Anni, Toni mit Sturmi und Joey mit Julia – letzteres nicht überraschend. Die beiden waren Geschwister in allem außer Blut, unzertrennlich durch dick und dünn.
Rezo verband sein Handy mit dem W-LAN und wollte dann auch prompt schlafen gehen, doch Rewi zerrte ihn aus dem Bett. ,,Deine innere Uhr muss sich richtigstellen, Mann", sagte er, „du musst deine Schlafgewohnheiten brechen und heute Nacht erst pennen. Komm, wir schauen uns um."
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Auf dem Eis - Juzo
FanfictionRezo ist einer der jüngsten und erfolgreichsten Eishockeyspieler der Welt. Als er mit seinem Team für die Olympischen Spiele nach Singapur reist, trifft er auf den atemberaubend begabten Eiskunstläufer Julien. Schon nach weniger Zeit bemerkt er, das...