Kapitel IX

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„Ich hab mit Eiskunstlauf angefangen, als ich noch ganz klein war."

Rezo strich mit seinem Daumen über das Tattoo auf Jus Handrücken, dem Atem des Eiskunstläufers lauschend. Etwas Bitteres lag in Jus Stimme, als er weiterredete.

„Am Anfang war es noch voll okay, so", sagte er. „Meine Eltern haben mich nicht streng aufgezogen. Es sollte nur ein Hobby sein, aber ich hab mich so sehr in die Kunst verliebt. Ich wollte nichts anderes mehr machen, jemals. Und es war auch perfekt. Immer."

Kurz breitete sich Stille aus. Rezo ahnte, was jetzt kommen würde. „Und dann kam die Industrie?"

Ju lachte, es klang aber ein wenig hohl. „Ja. Ich denke, man könnte es so sagen, ja. Eiskunstlauf ist so... taxierend. Ich hatte Glück, dass meine Familie keinen Druck auf mich ausgeübt hat. Ich habe Menschen kennengelernt, die so darunter zusammengebrochen sind, dass es kein Zurück mehr gab."

Rezo biss sich auf die Lippen. „Ist das nicht in jedem professionellen Sport so?"

„Wenigstens werdet ihr Hockeyspieler gut bezahlt", sagte Ju. „Eiskunstläufer kommen nur über die Runden, wenn sie viel gewinnen. Und dann hab ich angefangen, selbst Druck auf mich auszuüben, weil gut sein nicht... genug war. Ich musste der Beste sein."

„Ambition ist nichts Schlimmes", meinte Rezo leise. „Aber du kannst sie schlimm machen."

Ju nickte. „Ja. Ich hab sie schlimm gemacht. Ambition hat mich irgendwann fertiggemacht. Ich hab mich komplett in meiner Kunst veloren. Ich hab mich von meiner Familie und meinen Freunden distanziert und mich mit... vielen beschissenen Leuten eingelassen."

Kurz war es still. Rezo wartete ab, ob er nicht elaborieren wollte, und fragte bei bleibender Stille nach: „Was meinst du damit?"

Ju schnaubte verächtlich. „Komm jetzt. Ich weiß doch, dass du es weißt. Jeder weiß, dass ich ein Wrack war, als ich wieder aus der Industrie gekommen bin."

Und Rezo weiß es doch. Hat es sich bei Kayla angehört, die Vorwürfe und Skandale. Hat das Pressefoto gesehen, auf dem Jus Pupillen fast so groß waren wie seine Iris. Er weiß es ganz genau und hat von Anfang an gesagt, er wüsste nichts. Dabei war Ju die ganze Zeit im Klaren, dass Rezo mit ihm redete, obwohl er sich all seiner Fehler bewusst war.

Vielleicht war er ihm deswegen so misstrauisch gegenüber. Ju hatte wahrscheinlich miese Erfahrungen mit Leuten, die ihm gegenüber auf nett taten. Rezo spürte, wie er allein bei dem Gedanken daran angepisst wurde.

Er atmete laut aus. „Ja, ich weiß. Ist mir aber scheißegal."

Ju löste sich aus heiterem Himmel von ihm. „Dir ist es egal?" Seine braunen Augen blitzten wütend. Er krempelte seinen rechten Ärmel hoch und hielt Rezo seinen Arm unter die Nase – gezeichnet mit zahllosen Einstichstellen, bei deren Anblick Rezo zugegebenermaßen ein wenig schlecht wurde. „Dir ist es egal, ja?"

„Ich glaube nicht, dass Tiefpunkte in deinem Leben dich zu einem Wichser machen", sagte Rezo kurz und knapp. Ju hielt mitten im Aufregen inne. „Mir ist es egal, dass du vor ein paar Jahren ein Wrack warst. Du bist jetzt hier und jetzt lebst du noch. Und du bist clean, oder?"

Ju ballte seine Hände zu Fäusten, so hart, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. „Ja. Bald drei Jahre. Aber das", er wedelte mit seinem Arm, „ist der Beweis, dass ich schwach bin."

Rezo konnte nicht anders; er griff nach Jus Gesicht und hielt ihm den Mund zu. „Bitte, halt deine Fresse", sagte er gefühlvoll, „und geh zu einem Therapeuten. Ich werd dich nicht mit dem Satz weitermachen lassen. Entweder du überzeugst dich selbst vom Gegenteil oder wir wechseln Thema."

Ju funkelte ihn an und schob seine Hand von seinem Mund. „Das hat mein Leben ruiniert", sagte er. „Meinen Ruf hat's mich gekostet, das Drecks-Heroin. Ich hab mich mit meinem Bruder zerstritten..."

Und da wich alle Wut aus ihm, und seine Augen wurden leer und traurig. „Mein Bruder. Shawn. Er wird mir nie vergeben."

Rezo blinzelte. „Warum das denn?"

Ju seufzte leise. „Wir haben uns gestritten und die Dinge, die ich ihm an den Kopf geworfen habe... ich hab's versaut. Es ist zu spät."

„Du musst doch..." Rezo brach den Satz wieder ab, verloren in Gedanken, schüttelte den Kopf und nahm ihn doch wieder auf. „Du musst doch irgendwie wieder Kontakt zu deinem Bruder aufbauen können."

„Er hasst mich", murmelte Julien.

„Das glaube ich nicht. Du bist sein kleiner Bruder. Wahrscheinlich hat er dir schon längst vergeben und weiß einfach nicht, wie er es dir sagen soll." Er tippte Jus Handrücken mit seinem Zeigefinger an. „Du sagst, du hast es versaut. Jetzt musst du den ersten Schritt tun."

Ju seufzte wieder. „Du sagst das, als wäre es so einfach", sagte er leise. „Ich schäme mich für das, was aus mir geworden ist, nachdem er gegangen ist. Ich könnte ihm nicht in die Augen sehen."

Rezo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Pffft. Fehler machen ist menschlich, Ju, jeder baut mal Scheiße. Wenn es dir ehrlich leid tut, ist es nur halb so schlimm, wie du denkst."

Für eine Weile blieb Ju still. Rezo schaute zu ihm; er sah tief in Gedanken verloren aus. Sein Blick driftete über sein Seitenprofil, über seine gerade Nase zu seinen Lippen, wieder zu seinen Augen, dunkel im schwachen Schein des mittlerweile aufgegangenen Mondes.

„Denkst du, du bist ein schlechter Mensch?"

Juliens Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber es erreichte seine glasigen Augen nicht. „Werden wir jetzt philosophisch?"

„Zieh's nicht ins Lächerliche, bitte."

Das falsche Lächeln verschwand. „Sorry."

„Julien. Denkst du, du bist ein schlechter Mensch?"

Julien legte seinen Kopf auf seiner Schulter ab. Rezo erstarrte für einen Sekundenbruchteil. „Ich weiß es doch nicht, Rezo", sagte er leise lächelnd, „das bleibt zwischen den Göttern und mir."

Rezo brummte. „Ich denke nicht, dass du ein schlechter Mensch bist. Dein Bruder wird dir schon vergeben."

Julien machte ein halbwegs zustimmendes Geräusch, dann breitete sich Stille zwischen den beiden aus. Er legte seinen Kopf vorsichtig auf Jus ab und betrachtete das Stück Skyline, was er vom Boden aus noch sehen konnte. Irgendwas verband sie, er war sich sicher. Er fragte sich nur, ob Julien es auch spürte.

Er schloss seine Augen und hoffte inständig, dass er es auch spürte.

„Manchmal fühle ich mich sehr allein", sagte Ju leise. „Und ich hab es allein immer geschafft."

„Aber?"

Ju lachte leise. Rezo musste lächeln; was für ein schönes Geräusch.

„Aber du... manchmal wünsche ich mir jetzt, ich hätte jemanden. Wegen dir."

„Du hast mich", sagte Rezo, hoffend.

Ju schmiegte sich enger an ihn. Er legte seinen Arm um ihn. „Ja. Das stimmt. Ich habe dich."

Vielleicht spürte er es ja wirklich.

ich komme aus der tiefsten tiefe der hölle um euch dieses kapitel darzubieten

mit einer woche verspätung

sagt mal ganz schnell ist es gegen antonias boundaries sie und anni in fics als paar zu schreiben?? ich weiß dass sie gegen ship edits ist aber sie sind hier eh nur background characters und kommen nicht oft vor, trotzdem hätt ich sie gern als paar für die wlw rep

anyway

hab euch lieb
2k reads
küsse euch alle ganz dolle
bye

Auf dem Eis - JuzoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt