Kapitel V

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Rezos Finger trommelten einen unruhigen Rhythmus auf den Tisch, während er und Julien auf ihre Bestellung von Kaffee warteten.

Der Eiskunstläufer sah ein wenig verloren aus, seinen Kopf in eine Hand gestützt und mit der anderen die Holzfaserung des Tisches nachziehend. Er schien weit weg zu sein, ein Kontrast zu der fast schon wütenden Art und Weise, wie er vorher in der Bahn aufgetreten war. Jetzt schien diese Wut wie weggewischt. Er sah müde aus, als hätte er nicht genug geschlafen.

Rezo widerstand dem Verlangen, erneut nach seinem Wohlbefinden zu fragen. Es würde nichts bringen. Ju würde offensichtlich nicht darauf eingehen.

Die Bedienung brachte den Kaffee. Julien schien aus den Tiefen seiner Gedanken momentär aufzutauchen, wenn auch nur, um seine Finger um seine Tasse zu schlingen und stattdessen in die Tiefen des heißen Getränks zu starren. Rezo schüttete Zucker in seinen Kaffee und räusperte sich.

„Wie fandest du Aachen? Als du dort warst."

Julien blinzelte und sah auf. Für einen langen, langen Moment sagte er nichts, mal wieder irgendetwas in Rezos Gesicht suchend, was er nicht verstand. Dann zuckte er mit den Schultern.

„Es ist schon schön", sagte er. „Ich wünschte nur, ich hätte mir mehr von Deutschland angesehen. Wenn ich gewusst hätte..." Er schien kurz den Faden zu verlieren und verstummte dann einfach. Eine kurze Stille entstand, in der Rezo erwartete, er würde seinen Satz fortführen, und Julien dies einfach nicht tat.

Rezo zog seine Augenbrauen hoch. „Kann's sein, dass du heute ein bisschen verpeilt bist?"

Julien lachte. Das Geräusch war pure Musik für seine Ohren. „Immer", sagte er. „Ich bin nie so wahnsinnig bei der Sache."

Sympathisch. Er musste lächeln. „Fühl ich", befand er.

Julien nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Er stellte die Tasse beiseite, den Kopf schüttelnd.

„Nicht gut?"

Ju schnitt eine Grimasse. „Ne. Bah."

Etwas an der Art und Weise, wie er es sagte, brachte Rezo dazu, in Gelächter auszubrechen. Julien lächelte ihn schwach an, dunkle Augen leuchtend.

Das Eis war gebrochen. Für die nächste Stunde unterhielten Rezo und Ju sich über die Unterschiede ihrer Heimaten und Kulturen, wobei sie auf die skurrilsten Themen kamen. Dabei lernte der Hockeyspieler unter anderem, dass sein Gegenüber sehr höflich war, da er den Kaffee einfach trank, obwohl er ihm nicht schmeckte (denn sonst hätte Julien laut ihm selbst die Zeit der Bedienung verschwendet).

Julien hatte zwar eine sehr kalte Ausstrahlung, aber schien unter dieser Schicht aus Eis hauptsächlich eins zu sein: einsam. Das war alles, was Rezo in seiner Körpersprache und seinen zurückhaltenden Worten erkennen konnte. Der Eiskunstläufer schien so herzzerreißend einsam zu sein.

„Wie sieht's bei dir mit Familie aus?", fragte Rezo über seinem zweiten Kaffee und Brownies, die Ju sehr zu schmecken schienen.

Kurz hielt Julien inne, wie so oft, wenn er eine Frage von Rezo beantwortete. Er hatte sich schon an den verwirrten Blick seines Gegenübers gewöhnt.

Dann zuckte er mit den Schultern, seine Finger verschränkend. Mittlerweile hatte er seine fingerlosen Handschuhe ausgezogen und Rezo Blick auf das Tattoo auf seinem Handrücken gewährt – ein Drache, simple schwarze Linien, aber ein schönes Design. Er fragte sich abwesend, ob Ju noch mehr Tattoos hatte als das und den gefederten Notenschlüssel hinter seinem Ohr.

„Ich hab einen Bruder", sagte Ju schließlich. Etwas an seiner Stimme ließ Rezo stutzen. Er klang seltsam resigniert.

„Jünger?"

Auf dem Eis - JuzoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt