Chapter 4 / Jasper

119 3 4
                                    


„Mommy don't know Daddy's getting hot."

Die Melodie von Sam Smiths neuem Song ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Leise sang ich ein paar Wörter mit, jedoch ohne jegliches Taktgefühl oder graden Tönen. Aber das war auch egal, ohnehin waren die Flure so gut wie leer und auch im Gemeinschaftsbad war keine Menschenseele zu sehen.

„At the bodyshop. Doing something unholy."

Die Fliesen ließen meine Stimme hallen und auf einmal klang ich sogar ganz passabel. Ich nannte es das Bad-Phänomen, nach welchem man nur in der Dusche wie ein Rockstar klang und außerhalb wie eine sterbende Taube.

Vor den Duschkabinen legte ich meine Sachen auf eine der Ablagen ab und zog mich komplett aus. Ich wickelte mir mein Handtuch um die Hüfte und betrachtete mein Gesicht in einen der Spiegel. Meine braunen Augen sahen mir entgegen und mein Blick fiel auf meine Bartstoppeln. Ich sah genauso aus wie ich mich nach einer anstrengenden Klausurenphase, die mir meine Seele gestohlen hatte, fühlte. Mit meiner rechten Hand wuschelte ich mir noch einmal durchs Haar. Es war schon wieder viel zu lang geworden und ich musste dringend zum Friseur. Meine Augen sahen etwas müde aus, auch die Augenringe waren dunkler als sonst. Doch ich konnte ab jetzt wieder wie ein normaler Mensch mindestens acht Stunden schlafen, sodass diese hoffentlich bald verschwinden würden.

Ich schnappte mir mein Shampoo und suchte mir eine Duschkabine aus. An den Hacken davor hing ich mein Handtuch und zog dann den Vorhang hinter mir zu.
Das praktische war, wenn man zu ungewöhnlichen Zeiten duschte, dann konnte man sich die besten Duschen aussuchen. Ich wusste genau, dass diese den besten Sprühkopf hatte mit dem perfekten Wasserdruck. Auch waren hier die Regulaturen noch voll in Tackt und ich bekam wirklich heißes Wasser, wenn ich die Düse aufdrehte.

„Oh we go we go..."

Sang ich nun etwas lauter als das noch kalte Wasser auf mich hinab prasselte.

„Yeah, she put it down slowly."

Ordentlich seifte ich meinen Körper ein. Erst die Brust, dann den Bauch und die Arme.
Meine Haare vernachlässigte ich natürlich auch nicht und massierte das Shampoo gründlich ein. Ich fühlte mich jetzt schon viel besser und auf jeden Fall sauberer. Es war ein gefühltes Leben her, dass es Normalität für mich war nie ausgiebig duschen zu können oder mit dreckigen Klamotten aus dem Haus zu gehen.

Kurz darauf drehte ich die Dusche ab und zog den Vorhang wieder auf. Als ich jedoch um die Ecke griff war da nichts. Vielleicht war mein Handtuch runter gefallen. Doch als ich nach unten sah war auch der Boden leer. Es war einfach weg.

Fuck.

Wassertriefend ging ich zur Ablage und betete innerlich, dass meine Sachen noch da waren.

Fuck. Fuck. Fuck.

Alles war weg. Nun stand ich splitternackt in der Gemeinschaftsdusche, in der jeden Augenblick jemand hinein kommen könnte.
In diesem Moment wurde mir ebenfalls klar, dass ich meinen Zimmerschlüssel auch nicht mehr hatte. Was sollte ich jetzt nur machen? Durch die Flure laufen und hoffen, dass ich mein Zimmer offen gelassen hatte? Quatsch, ich schloss immer zu. Zur Hausverwaltung gehen und schief angesehen werden? Kam mir bis jetzt wie die beste Idee vor.

Prinzipiell war es mir egal, ob mich jemand nackt sah. Immerhin hatte ich nichts zu verstecken. Im Gegenteil. Aber ich konnte es nicht gebrauchen, dass jemand ein Foto machte, es womöglich viral ging und meine zukünftige Karriere gefährdete.

Ich nahm mich zusammen und beschwor meinen inneren Spion auf. Was James Bond konnte, konnte ich bestimmt auch. Aus dem Bad heraus sah ich in alle Richtungen. Niemand war zu sehen. So schnellte ich zu den Treppen und hielt reflexartig inne als ich Stimmen hörte. Mein Herz pochte bis in meine Ohren. Doch die Stimmen wurden leiser und verschwanden schließlich. Zwei Stockwerke hinunter und einen langen Flur entlang fand ich mich beim Empfang wieder. Warum war dieses verdammte Wohnheim so ein Labyrinth?

Am Tresen saß Sadie McCall. Na toll. Wenn sie mich so sah würde sie mich das nie vergessen lassen. Sie schien fokussiert auf ihren Computerbildschirm zu sehen, doch ich konnte es nicht riskieren mich einfach vorbei zu schleichen. Diese Frau war wie ein bissiger Wachhund. Nicht umsonst hatte sie ihre Haare knallrot gefärbt. Sie wollte Gefahr ausstrahlen. Ich hatte nicht direkt Angst vor ihr, bloß wollte ich nicht auf ihrem Radar auftauchen. Immerhin müsste ich hier noch knapp zwei Jahre wohnen.

Da klingelte ihr Smartphone und sie hob ab. Das war meine Chance.

„Oh hey. Wie gehts dir?"

Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung.

„Nur bei der Arbeit. Und du?"

Als sie sich für einen Moment wegdrehte begann ich zu rennen. Und ich stoppte nicht. Bis zu meinem Zimmer hielt ich nicht an. Doch was nun? Die Tür war eindeutig zu.

Da wanderte mein Blick zur Tür neben meiner und es fiel mir wie Schuppen von den Augen.

Ich klopfte an Theos Tür. Ich wollte darauf einhämmern, sie einschlagen, aber dann würde er wissen, dass ich es war und nicht auf machen.

Erneut klopfte ich. Ich wusste, dass der Mistkerl da war. Ich wusste es einfach.

Schritte. Fuck. Und nicht aus seinem Zimmer, sondern von der Richtung aus der ich kam. Hatte sie mich doch bemerkt?

Da öffnete sich die Tür und ich stolperte in sein Zimmer noch bevor der rote Haarschopf vollständig um die Ecke in mein Sichtfeld bog. Ich stolperte so schnell hinein, dass ich das Gleichgewicht verlor und direkt auf Theo landete. Mit einem Ruck zog ich ihn mit mir zu Boden.
Alles ging so schnell, dass ich nicht begriff was geschehen war. Meine entblößte Haut auf seinem bekleideten Körper. Eine Sekunde verharrten wir wie eingefroren. Er war hart aufgeprallt und realisierte anscheinend nicht sofort die Situation. Währenddessen fiel mir auf, dass ich ihm noch nie so nah gekommen war.

„Geh runter von mir!" Schrie Theo und stieß mich weg.

Ich reagierte schnell und kam auf die Füße. Sofort schlug ich die Tür zu und atmete erleichtert aus.

„Was denkst du dir eigentlich?!" Schnauzte er mich wütend an.

Erst jetzt musterte er mich und ihm wurde bewusst, dass ich nichts trug. Ihm stieg die Röte ins Gesicht, aber nicht weil er wütend war, nein, er war verlegen. Damit hatte ich nicht gerechnet.

„Was ich mir denke?" Fragte ich ungläubig. „Du hast meine Sachen gestohlen!"

„Uns das soll meine Schuld sein? Warum sollte ich das tun?" Antworte er ganz unschuldig. Dabei reichte er mir ein Handtuch und versuchte mich nicht weiter anzusehen.

„Theo, ich weiß, dass du es warst. Gib mir einfach meine Sachen wieder und wir sind quitt." Ich hatte keine Lust weiter zu spielen und kalt war mir mittlerweile auch.

Augenrollend kramte er meine Kleidung und meinen Schlüssel hervor und ich musste zugeben, dass ich etwas beeindruckt war.

1:1

Doch nur weil es unentschieden stand, war dieser Krieg noch nicht zu Ende.

Hopeless Hearts (menxmen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt