Chapter 5 / Theo

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„Okay, nochmal von vorne. Du hast ihm wirklich seine Sachen geklaut?" Fragte Lu mich mit aufgeregten Blick. „Und er musste dann komplett nackt durch das Wohnheim laufen?"

„Oh ja." Antwortete ich stolz mit einem schelmischen Grinsen.

„Bitte sag mir du hast ein Foto gemacht."

Ich schüttelte den Kopf und packte weiter meine Sachen. Die Shirts in meinen Händen waren alle ungebügelt und die Hemden total zerknittert. Mein Vater würde einen Schreikrampf bekommen, wenn er das sah.
Aber dass ich, obwohl Jasper es verdient hätte niemals ein Foto in so einer Situation machen würde, erwähnte ich nicht. Auf das Niveau würde ich dann doch nicht sinken und fand meinen Streich auch schon so fies genug.

„Schade. Aber trotzdem, nice work." Sagte er daraufhin und ließ sich zurück auf meinen Schreibtischstuhl sinken.

„Und du bist wirklich den ganzen Sommer weg?" Wechselte Lu das Thema.

"Ja, ist so ein Familiending." Sagte ich knapp.

"Hmm verstehe. Aber falls du es dir doch noch anders überlegst. Ich hab die Yacht von meinem Dad für zwei Wochen. Stell es dir nur mal vor, literweise Champagner, heiße Girls, in der Sonne chillen und einfach das Leben genießen." Schwärmte er mir vor und rückte dabei die goldweiße Rolex an seinem linken Handgelenk zurecht.

„Glaub mir, ich wäre auch viel lieber betrunken mit Sonnenbrand auf einer Multimillionen Dollar Yacht, aber das geht leider nicht." Seufzte ich und schloss meinen fertig gepackten Koffer.

Stunden später bog ich auf die Auffahrt unseres Hauses. Naja, eher unseres Anwesens. Ein etwa zweihundert Meter langer Weg führte zu dem Hügel hinauf auf dem das vierstöckige Gebäude gebaut worden war. Am Rand des Weges ragten riesige Eichen, die schon vor zig Generationen hier gepflanzt worden waren. Hinter ihnen erschlossen sich hektarweise unbebautes Land, unser Land. Als schließlich das Herrenhaus mit der dunklen Fassade, den großen weißen Fensterrahmen und dem eleganten Springbrunnen davor in den Fokus rückten, spürte ich, dass ich zuhause angekommen war. Doch da war kein warmes, wohliges Gefühl von Geborgenheit. Mein Gefühl von zuhause war Anspannung und Missmut. Jeder Muskel und jede Faser in meinem Körper schrieen Vorsicht. Dieses Haus und diese Familie waren mein, doch egal wie sehr ich sie liebte, ich würde nie meine Hand dafür ins Feuer legen am Ende des Tages kein Messer im Rücken zu haben. Metapher oder nicht.

Ich hatte noch nicht einmal den Zündschlüssel komplett abgezogen, da stürmten auch schon zwei Hausmädchen und unser Butler Harry aus der massiven hölzernen Eingangstür. Harry hatte bereits meinen Koffer in der Hand als ich aus meinem Auto stieg.

"Sie müssen das nicht tun. Ich bin dazu sehr gut selbst im Stand und außerdem habe ich doch garnicht so viel Gepäck." Rief ich ihm bittend zu.

"Willkommen zurück Sir. Wir werden das
Gepäck auf Ihr Zimmer bringen." Ignorierte er mich. "Ihre Eltern erwarten Sie bereits im Grünen Salon." Informierte mich der ältere Mann. Seit dem letzten Mal hatte er mehr graue Haare, die Falten auf seiner Stirn waren tiefer und der Gesichtsausdruck war etwas grimmiger geworden. Nichtsdestotrotz freute ich mich Harry zusehen, der Mann der meine halbe Kindheit mit mir verbracht hatte. Reiten, Tennis, Verstecken, Dinge die mein Vater nie getan hatte.

Ich nickte nur beiläufig und übergab ihm meine Autoschlüssel. Bevor ich das Haus betrat strich ich meine Kleidung glatt und kämmte mir mit meiner Hand das Haar zurecht. Dabei ermahnte ich mich meinen Rücken zu strecken, die Schultern nach hinten und das Kinn hoch zunehmen. Schwäche wurde nicht gern gesehen und ich wollte meinem Vater nicht gleich eine Angriffsfläche geben. Perfektion war das Motto.

Meine Schritte hallten durch das große Foyer in dem ein kleiner Tisch mit einem gigantischen Strauß Rosen vor der großen Wendeltreppe stand. Ich war zuletzt zum Spring Break hier gewesen und schon vergessen wie absolut groß, aber dennoch erdrückend dieses Haus war.

Im Grünen Salon - Jedes Mal wenn ich das sagte, kam ich mir wie in einer Folge von Downton Abbey vor - saßen meine Mutter, meine jüngere Schwester Sutton und mein Stiefbruder Richard auf einem der dunkelgrünen Samtsofas. Mein Vater stand mit Blick zum Fenster und schwenkte dabei sein Glas, in dem sich vermutlich sehr teurer Scotch befand.

"Theodore. Wir hatten dich früher erwartet." Begrüßte mich mein Vater und wendetet sich zu mir als ich näher trat. Wie immer, kein 'Hallo', kein 'Schön, dass du da bist', nichts überflüssiges.

"Die Straßen waren sehr befahren, wegen dem Beginn der Sommerferien." Log ich, da ich einfach zu spät losgefahren war. Jemand und mit jemand meine ich Jasper, hatte sich den Scherz erlaubt, mein Nummernschild mit einem anderen zu ersetzen. Auf diesem Schild stand in Großbuchstaben 'DICK 69' geschrieben. Sehr originell und geschmackvoll. So musste ich erst das neue Schild abbauen und mein altes von ihm zurückverlangen. Er hatte sich für die Duschaktion revanchieren wollen und tat natürlich so als wüsste er von nichts. Als ich ihm aber schließlich mit Sadie drohte, rückte er sie heraus und verabschiedet sich mit den Worten "Weißt du wieso mein Sommer super wird? Weil ich dein dummes Gesicht dann nicht sehen muss." Daraufhin zeigte ich ihm nur den Mittelfinger und ging zu meinem Auto.

"Dann hättest du früher los fahren müssen. Das war doch vorherzusehen." Antwortete mein Vater und nippte an seinem Drink.

"Ja, Vater." Gab ich als einziges wieder.

"Aber jetzt bist du ja hier Schatz." Warf meine Mutter ein und stand vom Sofa auf. Sie umarmte mich so leicht und schnell, dass ich es kaum war nahm. Auch der Kuss auf meiner Wange war eher ein Lufthauch statt eine herzliche Begrüßung.

"Maggie hat dir einen Anzug rausgelegt. Du wirst auf der Gala blendend aussehen." Strahlte sie erst mich an, aber wendete dann den Blick zu meinem Vater.

"Ich hoffe du hast deine Rede geübt. Dies ist ein großer Abend für uns Junge. Blamier uns nicht." Sagte er in diesem bestimmten und gleichzeitig befehlerischen Ton, den er immer an den Tag legte.

"Du kannst dich auf mich verlassen." Gab ich gehorchend zurück.

Auch wenn er es annahm, ich hatte keine Angst vor ihm. Schon lange nicht mehr. Er sollte sich in Sicherheit wiegen, denken, dass er die Oberhand hatte und ich alles tat was er wollte. Doch irgendwann würde die Zeit reif sein und ich würde zuschnappen wie eine Venusfliegenfalle und sobald er es merken würde, wäre es zu spät.

Aber ich brauchte noch etwas Geduld.

Hopeless Hearts (menxmen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt