Traum der Toten

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     War dies... ein Traum?

Drei Leichen hingen vor mir kopfüber aus gähnender Schwärze. Der erste Leichnam war ein älterer Herr mit grauen Haaren und Bart. Blut tropfte aus einer tiefen Stichwunde in seiner Brust. Der zweite Leichnam war von einem mager wirkenden Mann mit blondem Haar. An seinem Hals waren zwei Einstichstellen, als hätte ihn dort eine Schlange gebissen. Der dritte Körper war ebenfalls von einem älteren Herrn mit dunklen Haaren und Bart, die jedoch auszubleichen begannen. Blut tropfte von zwei Einstichstellen in seinem Kopf, als hätte ihn jemand mit einer langen Klinge, wie die eines Schwertes, erstochen.

Als ich die drei Körper genauer untersuchen wollte, verlor ich plötzlich den Halt unter meinen Füßen und fiel hinab, während die Leichen von der Leere verschlungen wurden.

Wohin falle ich, und wieso? Ich blieb ruhig. Es fühlte sich nicht an, als wäre ich in Gefahr. Nein. Es fühlte sich eher an, als würde ich gerade aus einem Traum erwachen.

Plötzlich saß ich auf etwas hartem. Es bewegte sich, und ich mit ihm. Das Gefühl des Fallens war verschwunden. Das Klacken von Pferdehufen und das Wiehern und Schnauben genau dieser Tiere drangen an meine Ohren und ich öffnete die Augen. Glatt lackiertes Holz, gepolsterte Sitze, zusammengebundene Vorhänge links und rechts von mir. Eine Kutsche?

Ich sah aus dem Fenster. Bäume und Sträucher zogen vorbei. Am Himmel konnte ich graue Wolken erkennen. Sie verdeckten alles. Den Sonnenschein, den darauf folgenden Himmel und vielleicht auch die gute Laune einiger Personen. Wohin ging es nur?

Von dem Bild außerhalb, richtete ich den Blick auf meines im Glas. Meine verschlafenen und zugleich verwirrten Augen sahen mir entgegen. Etwas fiel aus meiner Hand und landete leise auf dem Boden. Noch leicht in Trance wanderten meine Augen wie von selbst zu dem Objekt. Langsam beugte ich mich vor und hob es auf. Es war ein Brief.

„... Ciel Phantomhive?", las ich auf dem Umschlag. Ich ihn öffnete ihn, oder zumindest wollte ich das. Wenn er nicht schon offen wäre.

Dem Brief entnahm ich, dass ich eine Adlige bin, welche einen guten Draht zu dem Herrscher eines fernen Landes hat. Deshalb wurde ich bei den Phantomhives zu einem Abendempfang eingeladen, um mit dessen guter Verbindung zur Queen, eine Partnerschaft zwischen Großbritannien und dem fernen Land aufzubauen.

Noch immer verwirrt faltete ich den Brief zusammen und verstaute ihn sicher. All das, was dort drinnen stand, war neu für mich. Mein Name war mir zwar bekannt, jedoch war der Rest... undeutlich... Wie bin ich überhaupt in die Kutsche gekommen? Ich schüttelte jedoch den Kopf, als ich die Bilder aus meinem Traum wieder wach rief. Das ist jetzt nicht wichtig. Was mache ich jedoch mit diesem Traum? Her hat eine Bedeutung, dass weiß ich, doch welche?

Ich atmete tief durch, als die Gedanken begannen mich auseinander zu nehmen, und beruhigte mich. Plötzlich hielt die Kutsche. Wir waren wohl angekommen. Mit eisernem Blick öffnete ich die Tür, den Kutscher, der sie gerade für mich öffnen wollte ignorierend, und trat einige Schritte von dem beweglichen Gestell weg.

Da stand sie. Direkt vor mir in all ihrer Größe und Schönheit. Die dunklen, tief hängenden Wolken gaben ihr einen mysteriösen und bedrohlichen Glanz. Das Anwesen der Phantomhives.

Mit schnellen Schritten war ich vor den Türen zum Anwesen angekommen. Noch bevor ich eine Hand heben konnte um anzuklopfen, öffnete ein alter, grauhaariger Mann lächelnd die Tür und verneigte sich höflich.

„Willkommen in dem Hause Phantomhive.", begrüßte mich der älterer Herr und ließ mich eintreten. „Mein Name lautet Tanaka, wenn Ihr etwas benötigt, ruft einfach nach mir."
Kurz neigte ich den Kopf, als Zeichen meines Dankes und trat ein. In einer unscheinbaren Ecke blieb ich stehen und ließ mein Blick über die anwesenden Gäste gleiten. Eine junge Frau mit platinblondem Haar und lavendel farbenen Kleid unterhielt sich mit einem Mann mit blond-roten Haaren und merkwürdiger Fliege um den Hals. Nicht weit entfernt stand ein anderer Mann mit schwarzem Haar und eine Frau, ebenfalls mit schwarzem Haar, welche sich mit einem Mann mit braunen Haaren unterhielt.

Alle wirkten sehr unscheinbar und mein Blick wanderte weiter. Meine Augen weiteten sich, als ich die zwei Männer erkannte, die sich zusammen über die Diamantringe unterhielten, welche einer von ihnen trug. Sie würden sterben. Etwas in mir schrie, dies um jeden Preis zu verhindern, doch eine zweite, lautere Stimme, ließ die erste verstummen. Sie würden so oder so sterben, selbst wenn ich es versuchen würde zu verhindern.

Ich entspannte mich wieder und sah weiter durch den Raum. Nicht weit von mir entfernt stand eine Maid und Tanaka. Da ich sonst niemanden sah, oder interessant genug fand, ließ ich meinen Blick stattdessen über die Bilder um mich herum schweifen. Ein kleiner Zeitvertreib...

„Würdet Ihr bitte aufhören meine Gäste zu belästigen?!", ertönte plötzlich eine leicht genervte Stimme und riss mich von dem dunklen, verzierten Holz an der Wand.

Ich drehte mich zu der großen Treppe und erblickte einen Jungen, vielleicht gerade Mal ein Teenager, in einem sehr edel wirkendem Gewand. Hinter ihm stand ein Butler mit schwarzem Haar und einer ominösen Aura. Meine Augen weiteten sich. Dieser Mann... ist kein Mensch.

„Hä...? Ein... Kind?", murmelte der braunhaarige Mann erstaunt und sah mit großen Augen zu dem Jungen hinauf.

„Dieser winzige Bursche ist Earl Phantomhive.", meinte der schwarzhaarige Mann neben ihm lässig.

„Meine Körpergröße tut hier nichts zur Sache!", schimpfte der junge Phantomhive.

„Sehen Sie", wandte sich der Chinese wieder an den Engländer. „Schon ist er wütend."
Der blauäugige Junge war am untere Ende der Treppe angelangt und räusperte sich, ehe er seine Stimme erhob und sich an alle seiner Gäste richtete: „Vielen Dank, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind! Ich bin Ciel Phantomhive, der Herr dieses Hauses. Verehrte Gäste! Es ist mir eine Ehre, Sie alle in meinem Haus willkommen zu heißen und ich freue mich, bei dieser Gelegenheit nicht nur alte Bekannte, sondern auch Herrschaften begrüßen zu dürfen, mit denen ich bisher noch nicht das Vergnügen hatte."

Er sah sich in den Reihen um und flüsterte seinem Butler etwas zu, was ich nicht verstehen konnte. Meine Aufmerksamkeit wanderte zu den Fenstern, an denen außerhalb das Wasser herunter lief. Es hatte angefangen zu Regnen. Eine Tür öffnete sich und die Maid kam herbei geeilt.

„Der verehrte Gast ist eingetroffen!!", berichtete sie und verbeugte sich. Wir alle richteten unsere Blicke auf die zwei Personen, die geradewegs auf uns zu liefen. Ich hielt inne.

„Georg von Siemens! Freut mich sehr, Eure Bekanntschaft zu machen.", stellte sich der größere von beiden vor. „Und vielen Dank für die Einladung." Er war der dritte. Die dritte Person, der heute, oder in den nächsten Tagen sterben würde. 

„Hallo!", kündigte der Mann in monochrom seine Anwesenheit an. „Ist alles für die Party vorbereitet?"

„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.", entschuldigte sich Siemens und gab dem Jungen die Hand.

„Nicht doch", meinte dieser nur. „Ich danke Euch, dass ihr den weiten Weg auf Euch genommen habt."

In dem Moment fing ich den Blick des Butlers auf, das Lächeln nicht von seinem Gesicht weichend. Alarmiert sah ich zurück und konnte seine dämonischen Augen aufleuchten sehen. Ein Schauer jagte mir über den Rücken.

„Ich werde Euch später den anderen Gästen vorstellen.", fuhr Ciel fort. „Zunächst möchte ich Euch an unser Buffet führen, wo wir ungezwungen Plaudern können. Hierentlang bitte."

Während Phantomhive Siemens und den Mann in weiß aus dem Raum führte trat der Dämon einen Schritt vor und sagte: „Verehrte Gäste! Ich rufe sie nun der Reihe nach auf, um Sie ins Esszimmer geleiten zulassen. Also..."

Einer nach dem anderen wurde auf gerufen, bis ich zuletzt an der Reihe war. Ich begab mich schon auf den Weg zum Esszimmer, um mich schnell der Gegenwart des Dämons zu entziehen. Schon jetzt war ich damit beschäftigt, mir einen Plan zu schmieden, wie ich in seiner Anwesenheit mit ihm umgehen sollte. Jedoch wurde ich aber vom besagtem Dämon zurück gehalten.

„Mein Junger Herr wird sich am morgigen Tag, zusammen mit Earl Grey, über den Grund Ihrer Einladung unterhalten. Genießen Sie solange den heutigen Abend.", berichtete er mir mit einem zuckersüßen Lächeln, welches alles andere als süß war.

Ein weiteres Mal neigte ich den Kopf und setzte meinen Weg fort. Die Gelassenheit dabei viel mir nicht schwer. Auch wenn ich seinen Blick in meinem Rücken brennen spürte.

Book of a Maid and ButlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt