Das Ende eines Traums

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Bäume flogen an uns vorbei. Ihre Schemen artigen Gestalten ließen den Wald leer und finster erscheinen. Ein perfektes Spiel aus Mysterium und Bedrohlichkeit waberte aus ihm, wie der Gestank aus einer von Maden zerfressenen Leiche. Es wäre die perfekte Kulisse, wäre es nicht für das Klacken und Schnauben der Pferde, welche an meine Ohren drangen und zusammen mit den Geräuschen der Räder die hallende Stille der Nacht verdrängten. Ganz zu schweigen von dem Jammern von Woodley, welches uns seit geraumer Zeit ebenfalls auf die Nerven fiel. Wieso ist der eigentlich noch nicht tot...?

„Dieser Mistkerl hat mich benutzt...", jammerte der ehemalige Diamantenschleifer. „Ich... Ich gehöre nicht in diese Kutsche... Ich..."

„Halt's Maul!", unterbrach ihn eine genervte Stimme und der leblose Körper Woodleys fiel zu Boden.

Blut sickerte aus den zwei Stichwunden in seinem Kopf, während Grey seine Waffe schwang und sich das Blut im Winde verteilte. Auch wenn wir wussten, dass Woodley sterben würde, wurde uns für einen Moment ganz anderes. Unsere Gedanken kreisten um den Schwur, den wir uns selbst gegeben hatten. Würde er sich in diesem Sturm überhaupt halten können, oder würde er sich ihm ergeben, sobald wir uns vor der Queen verneigten?

„Hach, verdammt...", seufzte Grey und steckte seinen nun wieder blutfreien Degen zurück. „Ich hätte dem kleinen Mistkerl zu gerne die Nase gebrochen!"

„Tja, dann denk nach bevor du handelst!", kam es ungerührt von einem der beiden anderen Männer. Verwirrt sahen wir zwischen den drei hin und her.

„Spar dir die Gardinenpredigt, Phipps!", entgegnete Grey als er sich zwischen den zwei fallen ließ. „Was denkt Ihre Majestät sich eigentlich?"

„Tja...", antwortete der Mann namens Phipps. „Als ihre Butler hat uns das nicht zu interessieren."

...Oh. Langsam dämmerte es uns  und unsere Gedanken streiften weiter. Also wieder ein Handeln ohne Fragen zu stellen, was? Na, was hatten wir auch anderes erwartet? Wenn es auf der anderen Seite des Planeten schon so ist, wieso sollte es hier anders sein? Wenigstens haben wir schon ein bisschen Übung darin...

Unser Blick schweifte zurück zu den drei Männern. Würden wir wirklich in naher Zukunft mit ihnen arbeiten? Grey meinte, die Queen würde uns entgegen kommen, erwähnte aber nicht, in wie weit wir darin ein Wort hatten... Es gibt nur zwei Wege das heraus zu finden.

Auch wenn wir hätten aufstehen und problemlos auf der fahrenden Kutsche stehen und laufen können, krabbelten wir lieber zu den drei und steckte unseren Kopf zwischen Greys und Phipps' bevor wir ohne Akzent fragten: „Wie ist es so, für Ihre Majestät zu arbeiten?"

Grey zog eine Schnute, während er uns aus dem Augenwinkel ansah. Phipps hingegen schloss kurz die Augen, bevor er sagte: „Kein Tag ist wie der andere. Einige mögen sich ähneln, aber Ihre Majestät ist sehr bedacht und achtet darauf, dass wir sowohl Freude an unser täglichen Arbeit finden, als auch vorbereitet sind, sollte es unsere Aufgabe sein, eine Mission zu erfüllen."

Leicht unterdrückten wir einen Seufzer. Wüssten wir es nicht besser, hätten wir gesagt, die Frau habe ihm das Gehirn gewaschen. Stattdessen nickten wir interessiert und sahen zu Grey. Geduldig warteten wir auf seine Antwort, doch er bewegte nur seine Hand, als wollte er eine Fliege verscheuchen und sagte: „Dem gibt es nichts mehr hinzu zu fügen."

Bevor wir jedoch die dritte Person fragen konnten, richtete Phipps eine Frage an uns: „Wie war es für Sie, für Ihren Herren zu arbeiten?"

Für einen Moment hielten wir inne. Sollen wir ehrlich sein? Vielleicht erhalten wir dadurch ein paar brownie points, wenn wir uns ordentlich anstellen. „...Es hatte nicht viel gefehlt, bevor alle wahnsinnig in diesem Haus geworden wären.", antworteten wir, was Phipps zu überraschen schien, denn er sah uns an. „Er hatte keinerlei Einsicht. Ein Dickkopf, der sich nicht um das Wohlbefinden seiner Leute kümmert. Eintönig und arrogant. Von außen das prächtige Leben selbst, von innen verwehst und gräulich. Wenn mich meine Intuition nicht täuscht, sind sie nicht weit von einer Revolution entfernt."

„Ist das der Grund, weshalb Ihr Euch entschieden habt, Ihre Majestät zu unterstützen?", schlussfolgerte Phipps und wir nickten knapp.

„Unter anderem.", gestanden wir und setzten uns gerade auf. „Ich bewundere schon seit langem die Taten Ihrer Majestät, Queen Victoria. Schon als Kind habe ich nur Gutes über sie erfahren. Auch wenn es mir nicht leicht fällt, mein Land zurück zu lassen, ist es für einen besseren Zweck. Nicht, dass ich weiß, was die Zukunft bringt, doch ich würde das Leben der Menschen lieber in den Händen Ihrer Majestät sehen, als in den Händen dieses Tyrannen."

Vielleicht hatten wir ein bisschen zu dick aufgetragen. Das würde uns doch niemand glauben. Phipps Gesichtszüge kräuselten sich zu einem leichten Lächeln, bevor er sein Blick wieder auf den Weg vor uns richtete. Grey hatte seine Augen geschlossen und wirkte weniger an unserem Gespräch interessiert. Der dritte Mann sagte noch immer kein Wort. Wir konnten nichts weiter aus ihren Gesichtszügen lesen. Langsam lehnten wir uns zurück. Jetzt hieß es wohl nur abwarten und hoffen, dass wir uns nicht selbst in den Rücken gestochen hatten.

Der Rest der Fahrt war ruhig. Unsere Gedanken hatten wir wandern lassen. Von unserer Umgebung, von der wir uns Notizen machten, bis hin in die Zukunft, wie wir der Queen gegenüber treten wollten. Zwar konnten wir uns beliebig anders kleiden, jedoch sollten wir dies erstmal unterlassen. Solch eine Aufmerksamkeit konnten wir nicht gebrauchen. Also mussten wir mit unserem Charakter überzeugen.

Die Gänge waren lang aber keineswegs dunkel, als wir Phipps durch den Palast folgten. Grey hatte sich mit den Worten, dass er noch den Bericht schreiben müsse, verabschiedet. Der dritte Mann, dessen Name John Brown zu sein schien, kümmerte sich um die Pferde und vermutlich auch um die Leiche.

Phipps hatte uns zu einem Zimmer geführt, welches von nun an unser Zimmer sein sollte und berichtete, dass wir am Morgen mit „Ihrer Majestät" sprechen würden, bevor auch er sich für die Nacht empfahl. 

Book of a Maid and ButlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt