Tatverdächtige

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Wenige Minuten später saßen wir alle gemeinsam um einen flachen Tisch. Während die anderen ihr Essen genossen – besonders Grey – rührten Woodley, Grimsby, Irene und ich unser Essen nicht an. Die erschienen Kopfschmerzen hatten mir meinen Hunger verdorben. Da ich eh nichts essen wollte, schob ich dem weißhaarigen Butler neben mir einfach meinen Teller hin, ohne etwas zu sagen oder ihn anzusehen.

Es herrschte schweigen, worüber ich sehr dankbar war. Irgendwelche lauten Geräusche würden mir nur noch mehr meine Laune vermiesen. Mein Blick wanderte zurück zu meinem Teller, auf dem nur noch Krümel thronten. Ob es an den neuen Erinnerungen lag, oder ob Tanaka in mir eine freundliche Seite geweckt hatte, wusste ich nicht so genau, aber ich grinste leicht amüsiert. Hatte Grey doch heute Morgen noch das Essen von Irene abgelehnt.

„Also!", begann der weißhaarige mit noch vollem Mund, bevor er schluckte. „Lassen Sie uns nach dieser kleinen Stärkung endlich die Geschehnisse rekonstruieren. Bei Fürst von Siemens trat der Tod heute Morgen gegen 1:10 Uhr ein. Und der Einzige der kein Alibi für diese Zeit hat, ist Earl Phantomhive. Als nächstes kam der Butler dran... bei ihm ist der Todeszeitpunkt ungewiss. Und Mister Phelps starb höchstwahrscheinlich heute Morgen um 2:38 Uhr... stimmt das so weit?"

„Nein.", schaltete sich Arthur ruhig ein. „Wir haben zwar die Leiche des Butlers zuerst gefunden, aber wir wissen nicht sicher, ob er oder Mister Phelps zuerst getötet wurde."

„Ah! Stimmt...", meinte der Butler der König, was mich stutzig machte.

„Aber dem Zustand der Leichen nach zu schließen, sind seit dem Tod der beiden mehrere Stunden vergangen.", fuhr Arthur sachlich fort. „Und in diesem Stadium der Ermittlungen wissen wir nur, dass der Earl und ich es nicht getan haben können, da wir bis zum Morgen aneinander gekettet waren."

Grey zog eine leichte Schnute als er sich zurück lehnte, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt. Ich musterte ihn aus meinem Augenwinkel. Das war merkwürdig verdächtig gewesen.

„Als der Earl und ich gegen zwei Uhr zu Bett gingen, hatte Sebastian Mister Phelps nach eigenen Angaben bereits ins Schlafzimmer des Earls gebracht.", schilderte der Braunhaarige. „Und um ca. 2:38 Uhr wurde Phelps dann ermordet..."

„Wer hat den Butler denn dann als letzter lebend gesehen?", wollte Lau wissen.

„Das waren wahrscheinlich wir beide...", gestand Arthur. „Aber da es dunkel war und die Uhr weit weg, kann ich nicht genau sagen, wann das war..."

„Ah!", meldete sich Finny zu Worte. „Sebastian war heute Nacht bei uns in der Küche!"

„Bei mir war er auch.", stimmte Mey-Rin mit ein.

„Um wie viel Uhr war das?", wollte Arthur wissen.

„Etwa zehn vor drei!", antwortete der blondhaarige Junge.

„Mit anderen Worten.", setzte der braunhaarige an. „Sebastian war der Letzte, der getötet wurde. Und was wollte er von euch?"

Während die drei von ihren zugeteilten Aufgaben berichteten, griff ich zu meiner Tasse und trank leise ein paar Schlucke daraus. Meine Kopfschmerzen machten mir immer noch zu schaffen, aber wenigstens verschlimmerten sie sich nicht. Noch nicht. Doch die Tatsache, dass mir der Tod von Woodley und das merkwürdige Verhalten Greys an mir zu nagen begannen, ließ mich nur abwarten, wann es schlimmer werden würde.

„Vielleicht hat der Butler die zwei ja im Auftrag eines anderen getötet und wurde von diesem dann bei einem Streit ums Honorar mundtot gemacht.", vermutete Lau mit einem Lächeln und führte seine Tasse zu seinem Mund.

„...Möglich wäre es.", meinte der junge Earl. „In diesem Fall muss es irgendjemand geben, der aus dem Tod der ersten beiden Opfer einen Profit zieht."

„Bestimmt.", stimmte ihm der Chinese zu. „Auf der Welt geht es immer ums Geld. Mister Phelps war immerhin der Sohn des Präsidenten des Schiffbauunternehmens Blue Star Line. Und auch wenn er etwas scheu wirkte, muss er als Leiter der Außenhandelsabteilung, die gerade in Asien expandiert, durchaus fähig und tüchtig gewesen sein."

„Lau! Er war ein Geschäftsrivale von euch, richtig?!", bemerkte Phantomhive und deutete auf den schwarzhaarigen.

Dieser sah ihn nur kurz überrascht an, jedoch blieb sein altbekanntes Lächeln nicht lange von seinen Zügen, als er von seiner Tasse nippte.

„...hm...", machte er. „Richtig, das war er."

„Und Ihr tragt in euren weiten Ärmel immer eine Nadel mit euch herum, nicht wahr?", fuhr Phantomhive weiter fort.

Lau grinste nur und meinte, als er besagte Nadel aus seinem Ärmel zog: „Ja, das tue ich. Allerdings eine von denen, die man in der chinesischen Medizin benutzt."

Sofort war der halbe Raum in Aufruhe und wieder wurde mit wilden Beschuldigungen um sich geworfen. Lau ließ sich davon jedoch nicht beirren. Genervt fasste ich mir an die Schläfen und begann diese zu massieren. Wieso müssen die immer so laut sein? Es ist ja nicht so, als ob schon wieder jemand gestorben wäre...

„Und vor allem habe ich für den Mord an Siemens ein Alibi.", beendete Lau seine eigene Verteidigung. „Du bist wirklich ein kleines Biest, Earl, dass du dich in so einem Moment rächst!"

„Das sagt ausgerechnet Ihr, der Ihr vorgeschlagen habt, mich einzusperren?", murmelte Phantomhive, fuhr aber etwas lauter fort: „Wie auch immer, selbst in Komplizenschaft mit Sebastian kann keiner von uns alle drei getötet haben. Ich wollte Euch nur ärgern."

Ein leichtes Grinsen stahl sich auf meine Lippen. Diese Art war mir sehr von Nora und Yuri bekannt. Die beiden hatten sich auch immer auf der Schippe. Meine Augen weiteten sich. Wer sind Nora und Yuri? ... richtig... Meine Bodyguards, welche ich abgehängt hatte. Wollte ich doch nicht die ganze Zeit wie ein Kind zwischen seinen Eltern stehen.

Arthur hatte währenddessen eine Alibi-Liste erstellt, um jedem aufzuzeigen, in wie fern er oder sie verdächtig war. Wie es aussah, war ich auch eine Verdächtige im Falle Sebastians. Während Woodley und Grimsby ihre Nerven verloren, begann es in meiner Vorstellung erst amüsant zu werden.

Irene schaffte es ihren Freund zu beruhigen, während Arthur bei Woodley scheiterte. Dieser begann sich noch mehr aufzuführen und begann Ciel zu beschuldigen. Der junge Earl wolle uns ja alle mundtot machen, da er ja der Wachhund der Königin sei, und all das. Welch ein Witz. Der Butler der Königin sitzt direkt am anderen Ende des Tisches. Hätte man doch nur aufgepasst, nicht wahr?

Als Woodley gegenüber dem jungen Earl handgreiflich werden wollte, schaltete sich Tanaka ein und beförderte den aggressiven Gast mit einem unvorhersehbaren Griff auf den Boden, wo er ihn auch fest nagelte. Stille kehrte ein. Überrascht beobachteten die Gäste die faszinierende Szene vor ihnen und auch ich konnte nicht anders, als bewundert Tanaka zu mustern. Bewerte nie ein Buch nach seinem Einband.

„Verzeiht mir bitte, Mister Woodley.", sprach der ältere Herr. „Aber auf diesem Anwesen greift niemand den jungen Herrn an. Und sollte es doch jemand wagen..." Er verstärkte seinen Griff, woraufhin Woodley vor Schmerzen aufstöhnte. „... dann kennen wir, die Bediensteten ihm gegenüber kein Pardon." Tanakas Gesicht hellte sich wieder auf, als er weiter sprach. „Bitte seid Euch dessen immer bewusst."

Arthur kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und fing an, Lau, der über die Technik von Tanaka zu wissen schien, mit Fragen zu löchern. Phantomhive gab dem grauhaarigen den Befehl, Woodley gehen zu lassen, was dieser auch sofort tat. Als sich alle wieder beruhigt hatten, wählte Phantomhive Arthur zu dem führenden Ermittler dieser Fälle. Dieser war sich zuerst unsicher, konnte sich dem Gegenüber jedoch nicht wehren und stimmte zu.

Somit begann der braunhaarige alle Anwesenden zu befragen. Zu meinem Glück verlief alles ruhig und meine Kopfschmerzen gingen zurück. Viel gab es von mir nicht zu sagen, als Arthur bei mir ankam. Ich schilderte ihm sachlich und kurz gebunden, was ich bis zu dem Moment meines Einschlafens gemacht habe. Weiter brachte es jedoch niemanden.


Book of a Maid and ButlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt