Der Keller

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„Nachdem ich Sie alle ausführlich befragt habe, ist mir schon einiges klarer geworden.", sagte Arthur und ich zog leicht interessiert meine Augenbraue hoch. „Und die Frage, die mich momentan am meisten beschäftigt, ist die nach dem verblieb des Schlüssels zum Schlafzimmer des Earls. Denn nach jetzigem Wissensstand kommt nur Sebastian für den Mord an Mister Phelps in Frage, weil er als einziger einen Schlüssel hatte. Sollte allerdings ein Dritter in den Besitz des Schlüssels gekommen sein, sähe die Sache schon anders aus."

„Mit anderen Worten.", schaltete sich Phantomhive ein. „Wenn irgendjemand jetzt, nachdem Sebastian ermordet wurde, den Schlüssel hat, dann ist er der Mörder?"

Arthur stimmte den Worten zu, bevor sich Grey entschied, an der Konversation teilzunehmen: „Dann sollten wir als erstes nach sehen, ob Sebastian den Schlüssel hat. Denn falls er ihn hat, kommen wir auf der Spur nicht weiter und stehen wieder am Anfang."

„Das stimmt...", sagte Arthur. „Außerdem bin ich dafür, dass wir von jetzt an nur noch in Gruppen agieren. Da der Anblick von Leichen nichts für Damen ist schlage ich vor, dass Miss Irene und Mister Grimsby hier bleiben... und Mister Woodley auch..."

Letzterer grummelte nur irgendetwas, nickte aber.

„Ich und Ran-Mao bleiben auch hier und machen es uns mit einem Tee gemütlich.", verkündete Lau und Ran-Mao nickte.

„Ich komme mit!", rief Grey und erhob sich. „Hier langweile ich mich nur..."

„Dem würde ich mich gerne anschließen.", fügte ich mich auch in die Gruppe.

Arthur schien kurz zu überlegen, nickte aber und wandte sich wieder dem jungen Earl zu.„Verzeihen Sie, Earl, aber könnten Sie uns durch die Villa führen?"

„Ja, aber im Kellergeschoss kennen sich meine Bediensteten besser aus, deshalb lasse ich sie vorgehen.", meinte Phantomhive und sah zu Finny und dem größeren blonden. „Ihr beide führt uns!"

„Ja, Herr.", kam es einstimmig von den beiden.

„Und Tanaka und Mey-Rin, ihr bleibt hier und kümmert euch um unsere Gäste."

„Sehr wohl, Herr.", waren ihre synchronen Worte und verneigten sich.

„Also dann, gehen wir!"


Dämmerlicht umschloss unsere Gruppe, als die Tür hinter uns zu fiel. Die einzigen Lichtquellen waren die Kerzen an den Wänden und die Lampe, welche Bardroy in den Händen hielt. Kälte kroch aus allen Nischen. Aufsteigender Modergeruch fand seinen Weg in meine Nase und breitete sich aus. Die Schritte der Gruppe auf den Treppenstufen sorgten für eine schaurige Geräuschkulisse. Als ob zu jeder Zeit ein Mörder sich unbemerkt zu uns schleichen könnte. Ein leichter Schauer wanderte mir über den Rücken, als ich die Atmosphäre mit vollen Zügen extrahierte. Ein wundervolles Gefühl!

Mein Blick wanderte zu dem jungen Earl, der direkt vor mir lief. Es war merkwürdig. Diese kalten Wände, welche von Geschichten nur schon zu schreien schienen, passten perfekt zu ihm. Als wäre es ihm vorherbestimmt, diesen Gang hinab in das Grauen zu schreiten. 

„Ich fühle mich, als würde jeden Moment ein Geist um die Ecke kommen.", durchbrach Arthur die eiserne Stille. Seine Stimme hallte in dem spiralförmigen Gang wieder. Eine perfekte Geräuschkulisse.

„Reden Sie keinen Unsinn!", rief Grey merklich panisch aus und ehe ich mich versah, besaß ich eine weiße Klette an meinem Arm. „So etwas wie Geister gibt es nicht! Ich jedenfalls glaube nur an Dinge, die ich mit meinem Schwert töten kann."

Danach sieht es aber nicht aus. Du bist ein miserabel schlechter Lügner, was solche Sachen angeht. Ich verkniff mir diese Worte und starrte den weißhaarigen leicht genervt an. Den schien das jedoch nicht zu stören. War er doch viel zu sehr damit beschäftigt, nach Geistern Ausschau zu halten. Wieso ich?

„Wir sind da, Herrschaften.", verkündete Bard und öffnete langsam die Pforten in den Weinkeller.

Zumindest roch es sehr danach. Es roch schrecklich. Schnell hielt ich mir eine Hand vor die Nase, schritt aber unbeirrt hinter den anderen in die Leichenkammer für drei. Als ich mich jedoch umsah, kam ich zu dem Entschluss, wie unausweichlich das Atmen in dieser Situation sein würde und senkte meine Hand wieder. Da Grey immer noch nicht von mir abgelassen hatte, drehte ich meinen Kopf wieder zu dem Butler der Königin und begann ihn auffällig anzustarren. Nun erwiderte auch er meinen Blick. Zuerst wirkte er leicht verwirrt. Dann ließ er ruckartig von mir ab.

„Tragen Sie diese Handschuhe, wenn Sie die Leiche berühren.", meinte Bard und begann weiße Handschuhe zu verteilen.

„Danke! Sie sind wirklich gut vorbereitet.", bedankte sich Arthur und ergriff gleich ein Paar.

Auch ich stellte mich in die Reihe. Immerhin wollte ich es dem Dämon ein bisschen heimzahlen, dafür, dass er meinem verwirrten Ich solch eine Angst eingejagt hat. Jedoch schien der blondhaarige nicht so angetan von der Sache.

„Verzeihung", entschuldigte er sich. „Aber hier sollten Sie sich noch einmal zurück halten."

„Wozu bin ich sonst hier?", fragte ich ihn und zog eine Augenbraue hoch. „Denken Sie, ich sei mitgekommen ohne zu wissen, was mich erwartet? Selbst wenn wir bis unter die Klamotten suchen müssen, wäre er nicht die erste Leiche, die ich unbekleidet sehen würden."

Bard sah mich leicht entgeistert an. Ich steckte ihm fordernd meine Hand entgegen.

„Gib ihr die Handschuhe.", kam es von Phantomhive. „Sie wird wissen, was sie tut."

Widerwillig legte er ein Paar Handschuhe in meine Hand. Woher dieses plötzliche Verhalten kam, wusste ich nicht. War ich schon immer so? Es fühlt sich jedenfalls natürlich an.

Arthur war bereits zu der ‚Leiche' von Sebastian gegangen und entfernte das weiße Laken.

„Er ist Nass?!", erkannte der braunhaarige überrascht.

„Offenbar regnet es hier durch!", bemerkte Bard und sah zur Decke.

„Der arme Sebastian!", rief Finny entsetzt. „Sollen wir ihn nicht lieber woanders hinlegen?"

„Das wird das Beste sein.", stimmte ihm Arthur mit ruhiger Stimme zu. „Feuchtigkeit beschleunigt den Verwesungsprozess nur."

Nach diesen Worten begann Finny leicht zu zittern und die nächsten Worte des Schreiberlings brachten für den blondhaarigen das Fass zum überlaufen. „Ihn zu untersuchen wird nicht leicht, da wir ihn aufgrund der Leichenstarre nur schlecht entkleiden können. Drehen wir ihn erst einmal auf den Bauch!"

„Aufhören!", rief Finny wütend und stellte sich zwischen Arthur und den vermeintlichen Leichnam von Sebastian. „Behandeln Sie Sebastian gefälligst nicht wie ein Ding! Sie haben ja keine Ahnung, wie wichtig Sebastian für uns..."

„Finny!", unterbrach Phantomhive den aufgebrachten Jungen streng. „Halt den Mund oder geh raus! Du störst." Somit wandte er sich von dem blondhaarigen ab und kniete sich neben Sebastian. „Suchen wir erst ein nach dem Schlüssel, bevor wir ihn bewegen." Er zog die Taschenuhr des schwarzhaarigen hervor. „An der Uhrkette... ist er nicht."

Ich warf Finny einen kurzen mitfühlenden Blick zu, ehe ich mich zu den anderen bei Sebastian gesellte. Das hämische Grinsen des jungen Earls bekam ich dennoch mit.


Book of a Maid and ButlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt