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„Vater -! Nein -! Lasst mich verdammt noch mal los, ihr Bastarde!"

Elian stöhnte leise vor Schmerz und zwang seine Augenlider dazu, sich etwas zu heben, als die aufgebrachten, panischen Rufe Silvans wie durch Watte zu ihm durchdrangen und stetig lauter wurden. Er lag immer noch auf dem Boden, wie er schnell feststellte. Doch der Kampf schien mittlerweile ein Ende gefunden zu haben - zugunsten der Vampire, wie es aussah.
Elian schluckte, als seine Augen das Szenario erblickten, welches sich fast direkt vor ihm abspielte. Ein großgewachsener, breitgebauter Vampir mit stufig geschnittenen, blonden Haaren stand vollkommen gelassen, mit einer Hand in seiner Anzughose, inmitten des Platzes, zwischen all den Toten und seinen Begleitern. Zu seinen Füßen der regungslose Körper Shay Nox', wie Elian mit Schrecken feststellte, und sah ununterbrochen zu seinen zwei Leuten. Die soeben einen wild um sich schlagenden und knurrenden Silvan Nox in dessen Richtung bugsierten.

Ein Schauer, als hätte man ihn soeben mit eiskaltem Wasser übergossen, ließ seinen Körper erzittern. War Shay tot? Würde der Mann jetzt auch Silvan umbringen - und was war mit den Frauen und Kindern, welche sich zuvor versteckt hatten? - Warum hatten sie überhaupt angegriffen? Eli kniff einen Moment lang seine Augen fest zusammen und bemühte sich darum, keine verräterischen Laute von sich zu geben, währenddessen er hinterher verzweifelt seine aufkommenden Tränen wegzublinzeln versuchte.
Er war nur ein Omega - ein schwächlicher, wertloser Omega! Aber er konnte Silvan doch nicht einfach sterben lassen! Doch andererseits, was konnte er schon ausrichten?! Wenn nicht einmal Nox und die Krieger des Rudels eine Chance gegen diese Gegner hatten. - Nein! Sie hatten es nicht verdient, dass er seine Kraft dafür einsetzte, den blonden Vampir anzugreifen. Welcher ihm vermutlich längst mit einem Lächeln im Gesicht die Kehle herausgerissen hätte, noch bevor es ihm überhaupt gelungen war, diesem auch nur einen einzigen Kratzer zuzufügen.

„Na-na, ... so spricht aber kein Anführer eines Rudels!" Elian biss sich auf seine Unterlippe, als er dem Vampir dabei zusah, wie dieser über die ausgestreckten Beine des am Boden liegenden Alphas stieg, und den Kopf Silvans mit zwei Fingern unter dessen Kinn wenige Zentimeter anhob. Der weiterhin unnachgiebig von den zwei Hünen an Ort und Stelle gehalten wurde. „Du bist also sein Sohn. Weißt du, dein Vater hat meine Geduld lange auf eine harte Probe gestellt und mich herausgefordert! Was ihm - wie du siehst - nun teuer zu stehen kommt. Ich hoffe wirklich für dich, und für den Rest eures Rudels, dass du schlauer bist!"
„Du scheiß Vampir!" Der junge Omega schloss gequält seine Augen, als er sah, wie Silvan dem Mann mit vor Wut verzerrter Miene vor die Füße spuckte und seinen Kopf wegdrehte, und krallte seine Finger in die Erde. Was natürlich nicht verhinderte, dass das dunkle Knurren des Vampirs an seine Ohren drang.

Er wird diesen Idioten töten, Eli. Silvan ist viel zu impulsiv, um zu verstehen, dass er soeben eine Chance erhalten hat, sein Überleben und das des restlichen Rudels zu sichern. Los, ... lass uns von hier verschwinden, das ist unsere Chance! Wir können nichts ausrichten -! Doch wenn wir schnell genug sind - vielleicht ist es ihnen egal!

Nelio hatte recht. Elian leckte sich über seine trockenen Lippen und schielte zu den Vampiren, welche ihm derzeit keinerlei Beachtung schenkten. Seine Kopf- und Gliederschmerzen waren zwar so grauenvoll, dass er am liebsten einfach hier liegen geblieben wäre. Vor allem seine Kopfschmerzen - vermutlich war er, als der Vampir ihn zur Seite geschleudert hatte, mit diesem auf einem Stein aufgeschlagen, was auch erklären würde, weshalb er kurz ohnmächtig war, doch er musste es wenigstens versuchen. Schließlich bestand wirklich die Chance, dass sie ihn einfach laufen ließen - nicht wahr?! Nun, da sie den Kampf eindeutig für sich entschieden hatten. Hier an Ort und Stelle, Nelio die Oberhand zu überlassen, würde sie allerdings zu viel Zeit kosten und die Aufmerksamkeit ihrer Angreifer erst recht auf ihn lenken -.

Es wäre am besten, wenn wir es so versuchen wie zuvor. Sobald du einige Meter weg bist, übernehme ich.

Eli schluckte erneut. Sein Hals war staubtrocken und sein Herz fühlte sich an, als wäre es zugeschnürt, ganz abgesehen von seiner Angst, welche ihm schwer auf den Magen schlug.

Jetzt, Eli - lauf!

Und das tat er. So schnell er konnte, rappelte sich Elian auf und rannte auf die nicht weit entfernt stehenden Bäume zu. Doch ihr Plan schien nicht aufzugehen. Denn Eli hatte noch nicht einmal die erste Baumreihe erreicht, da spürte er, wie er nach hinten gerissen wurde. Die Hand des Vampirs umschloss mühelos fast gänzlich seinen schlanken Hals und drückte ihm die Luft ab, während seine Füße den Kontakt zum Boden verloren.
„Wo wollen wir denn hin, Wölfchen?!" Eine Gänsehaut überzog Elians Körper, als der warme Atem des Vampirs sein Ohr streifte. Verzweifelt strampelte er wie ein Fisch auf dem Trockenen und versuchte, nach Atem ringend und wimmernd, die Finger, welche wie ein Schraubstock um seine Kehle lagen und ihm die Luft abdrückten, zu lösen. Nur zu deutlich spürte er den muskulösen Körper in seinem Rücken, die Kraft, über welche der andere verfügte - und die scharfen Fangzähne, welche seine empfindliche Haut streiften. So glaubte er zumindest.

*

„Nicht - Nathan! Bring ihn her!" Hatte er sich also doch nicht getäuscht. Der Kleine hatte sie beobachtet und nur auf den richtigen Moment gewartet. Ravyns Mundwinkel zuckte leicht und beobachtete Nathan, einen seiner engsten Freunde, Berater und wie Luc Durand ein GEN3, dabei, wie dieser den verschüchterten Gestaltwandler nun in seine Richtung schob. Einen wahrlich bildhübschen jungen Wolf, wie er feststellte, nachdem sie sich jetzt, nur wenige Augenblicke später, gegenüberstanden.

„Was soll ich mit dem Lugaru machen, Boss?" Nathan sah von dem zitternden Jungen in seinen Armen zu Ravyn, der nur einen Augenblick später Elians Kinn mit sanfter Gewalt etwas nach oben drückte, damit dieser ihn ebenfalls ansehen musste, und musterte ihn einen Moment lang.
„Zuerst einmal lockerst du deinen Griff um unseren jungen Omega hier etwas -." Ravyn summte belustigt, als er sah, wie sich die Augen seines Gegenübers weiteten, und sprach direkt, die Lippen weiterhin zu einem Schmunzeln verzogen, an Elian gewandt. „Natürlich erkenne ich, was du bist, Kleiner. Und ich bin mir auch darüber im Klaren, wie selten ein männlicher Omega ist. Wie besonders und wertvoll dein Rang dich macht, auch wenn diese Meinung von deiner Art nicht vertreten wird. Meistens zumindest. Zudem bist du eine wahre Augenweide. Es wäre eine Schande -."
Der GEN2 schwieg einige Sekunden, dann verzogen sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln. „Nun, mein Bruder steht auf solch zarte, dunkelhaarige Geschöpfe wie du eines bist - und mir fehlt immer noch ein passendes Geschenk. Womit entschieden wäre, was Elric von mir zu seinem Geburtstag bekommt."

„I-ich bin doch kein Gegenstand, den man verschenkt! Das - das -!" Langsam ließ Ravyn seine Hand sinken und steckte sie wieder in seine Hosentasche, ohne den Blick einen Moment lang von dem Jüngeren abzuwenden, dessen leises gebrochenes Geflüster zu seinen geröteten tränennassen Augen passte, die ihn ungläubig anstarrten. „Wir leben in einer Welt, kleiner Omega, in der so etwas durchaus möglich ist und häufiger geschieht, als du denkst. Etwas, das nun einmal so real ist, wie die Gestaltwandler, Dämonen, Vampire und alle anderen Mystischen es sind, welche unter den Menschen leben. Sei ein braver, kleiner Omega, so wie es deiner Natur entspricht, und füge dich. Dann sehe ich mich auch nicht dazu gezwungen, dich grob zu behandeln, oder wie ein Objekt. Es liegt ganz an dir, ob du dich vor uns fürchten musst."
Einen Moment lang war es still. In dem Ravyn den Kampf beobachtete, welchen der junge Gestaltwandler mit sich auszufechten schien. Doch letztlich siegte wohl die Vernunft, wie er zufrieden feststellte. Denn der Junge in Nathans Armen wurde sichtlich ruhiger. Hörte auf, gegen den GEN3 anzukämpfen, und ließ seinen Kopf etwas sinken. „Was - was passiert mit den anderen?"

Ravyn Ise schnaubte. Sah mit einer gehobenen Augenbraue von Elian zu Silvan, der in der Zwischenzeit ununterbrochen versucht hatte, sich zu befreien und mit einer erstaunlichen Bandbreite an Verwünschungen und Drohungen um sich geworfen hatte, und wieder zurück zu Eli. „Du meinst mit dem Alpha, der in der ganzen Zeit nicht einmal versucht hat, uns davon zu überzeugen, dich gehen zu lassen und dir keine Schmerzen zuzufügen?! Oder die anderen, welche es wohl ebenso wenig interessiert?! Nichts -! Ich habe, was ich wollte. Shay Nox. Der Rest interessiert mich nicht. Zumindest solange mir nicht erneut jemand in die Quere kommt." Damit wandte sich der blonde GEN2 ab und sah mit einer auffordernden Geste zu Nathan. „Bring den Kleinen zu meinem Wagen und hol aus einem der Kofferräume eine Decke. Omegas frieren recht schnell und ich möchte nicht, dass er krank wird. Wir fahren!"

Two Hearts - Seelenbund-Trilogie Band 2 (BoyxMan) [Leseprobe] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt