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Nelio - nun komm schon, ... lass uns zurück nach Hause! Es war abgemacht, dass wir nur etwas frische Luft schnappen und uns die Beine vertreten - Pfoten -.
Elian Rice seufzte leidend bei dem Gedanken daran, wie viele Räume es noch galt zu putzen, und die Gästezimmer, welche er für morgen noch herrichten sollte.
Es gibt nur wieder Ärger, wenn wir so lange wegbleiben und ich nicht fertig werde!
Elians Appell an seine tierische Seite schien jedoch nicht das Geringste zu bewirken. Die fließenden langen Schritte des dunkelbraunen zierlichen Wolfes, mit seinen eisblauen Augen, dessen Fell im Licht der untergehenden Sonne leicht rötlich schimmerte, wurden dadurch nicht einmal eine Spur langsamer. Es schien Nelio eher noch anzuspornen, mehr Distanz zwischen sich und ihrem kleinen Dorf, welches sich gut verborgen inmitten der unzähligen Bäume nahe des Upper Lake befand, zu bringen.
Elian war ein Wesen, welches zwei Seelen besaß, die zu zwei unterschiedlichen Körpern gehörten. Zwischen denen sie hin und her wechseln konnten, wie sie wollten. Ebenso wie sie dazu in der Lage waren, sich telepathisch miteinander zu unterhalten, egal, wer von ihnen in diesem Moment die Oberhand besaß.
Er war ein Lykaner, Lupus oder Werwolf, wie die Menschen sie in ihren Geschichten und Mythen bezeichneten. Der korrekte Begriff war allerdings Lugaru oder Wolfswandler. Nelio war der selbstständig denkende wölfische Teil seiner selbst. Er, Elian, war der typisch Menschliche. Nun ja - in Elians Fall war ‚normal' nicht unbedingt der passende Begriff, da er selbst unter seinesgleichen eine Anomalie war.
Ein Lugaru wurde schon bei der Geburt mit einer bestimmten Stellung unter seinesgleichen geboren. Was das Leben innerhalb eines Rudels, welches über den sogenannten Mind-Link verbunden war und über den sie kommunizieren konnten, enorm vereinfachte. Es gab die Alphas, Betas, Deltas und Omegas. Wobei Erstere und Letztere am seltensten vorkamen. Die Alphas unter ihnen waren die geborenen Anführer, welche durch ihre enorme Stärke und Größe - nicht nur in ihrer Wolfsform - herausstachen. Ihnen zur Seite standen die Betas.
Wolfswandler, welche den Alphas in puncto Kraft, Schnelligkeit und kämpferischem Geschick nahezu ebenbürtig waren. Ihren Rudelführern meist als rechte Hand und Vertreter zur Seite standen, und zudem für den Schutz des Rudels verantwortlich waren. Deltas konnten wiederum mit der normalen Bevölkerung verglichen werden. Wohingegen Omegas, obwohl sie ebenso selten wie die Alphas waren, in der Hierarchie an letzter Stelle standen. Sie waren zierlich. Hassten es regelrecht, zu kämpfen - wofür ihnen auch jegliches Geschick fehlte. Wurden schnell krank und ihre Verletzungen verheilten deutlich langsamer. Weshalb sie den Schutz des Rudels oder den ihres Gefährten benötigten. Omegas waren meist weiblich. In sehr seltenen Fällen kam es jedoch vor, dass ein männlicher Omega zur Welt kam. Wie in Elians Fall. Und wären all diese Nachteile dieses Ranges nicht schon genug Demütigung für einen seiner Art, kam erschwerend hinzu, dass männliche Omegas in der Lage waren, während ihrer sogenannten Hitze, schwanger zu werden.

Die Heat war eine Zeit von vier bis sieben Tagen, in welcher der Omega fruchtbar war und in einen Zustand fiel, in dem er fast ununterbrochen nach Sex verlangte. Und diesen sogar benötigte, um keine Schmerzen zu empfinden und etwas zur Ruhe zu kommen. Zumindest für eine kurze Zeit, bis das brennende Verlangen erneut aufflammte. Eine überaus kräftezehrende und ohne Gefährte auch schmerzvolle, wenn nicht gar gefährliche Zeit, wie Elian seit seinem 17. Geburtstag zirka alle drei Monate am eigenen Leib erfahren musste. Da hilfreiche Spielzeuge in diesem Fall leider nur bedingt den dominanten Part ersetzten. Welcher bei einem Omega - egal, ob männlich oder weiblich - ausnahmslos ein Mann war, und er zudem noch dazu gezwungen war, sich so gut es ging, selbst zu versorgen. Etwas, das im Normalfall der Gefährte übernahm, welcher seinem Omega in dieser Zeit nicht von der Seite wich. Ihn beschützte und sich um ihn kümmerte. Außerdem war es allein der männliche Omega, welcher in Heat ging, da die weiblichen sie naturgemäß nicht benötigten. Etwas, wofür ihn viele seiner Artgenossen schief, wenn nicht sogar angewidert, ansahen und die jüngeren Rudelmitglieder verspotteten. Und das, obwohl er nicht einmal einen Einfluss darauf hatte, was mit ihm geschah. Geschweige denn, dass er es sich ausgesucht hatte.
Was eventuell anders wäre, wenn Silvan, der Sohn des Oberhauptes, noch mit ihm befreundet wäre. Doch der junge Alpha hatte sich nach dem Tod seiner Mutter immer weiter von ihm distanziert und ihm letztlich die Freundschaft gekündigt, und das, obwohl er nicht das Geringste für den Tod der Luna konnte. Sie alle schienen zu vergessen, dass auch er an diesem Tag beide Elternteile verlor. Doch er hatte es längst aufgegeben und akzeptiert, wie es nun war. Ändern konnte er es schließlich so oder so nicht.

Nur gut, dass keiner dieser Idioten unser Gefährte ist!

Nelio knurrte und sprang über einen umgefallenen Baumstamm.

Stell dir bloß mal vor, es wäre Silvan.

Elian seufzte.

Es gab eine Zeit, da hätte ich mich gefreut, wenn es so gewesen wäre. Doch jetzt -

Nur gut, dass er als Omega seinen Gefährten bereits ab seinem 17. Lebensjahr erkennen konnte, und nicht wie die anderen mit achtzehn. Eines der wenigen positiven Dinge und mit einer der Gründe, warum er nicht schon lange abgehauen war. So konnte er sich zumindest sicher sein, dass ihn keine böse Überraschung erwartete.

Wir werden morgen schon sehen, wer es mit ihm aushalten muss - zumindest, wenn sie sich in unserem Rudel befindet. Was mich wieder zurück zum Thema bringt -. Wir sollten schleunigst heim. Shay flippt aus, wenn morgen am Tag von Silvans Geburtstag nicht alles perfekt ist.

Nur noch ein bisschen, Eli -

Die Schritte des braunen Wolfes wurden langsamer, als sie einen kleinen sauberen Teich weitab der Wanderwege erreichten, und trottete gemütlich darauf zu.

Du bekommst seinen Frust doch eh ab, egal, ob du alles richtig machst oder nicht. Dann können wir unseren kleinen Ausflug doch auch noch ein wenig genießen, findest du nicht? Außerdem habe ich Durst - und ich will unbedingt einmal um den Teich laufen -!

- Und dann läufst du zurück! Elian seufzte geschlagen. Ich bin es, der heute Nacht um drei Uhr tot in sein Bett fällt -. Nicht du!

***

Ravyn Ise erhob sich mit einem lauten aufgebrachten Knurren abrupt von seinem Schreibtischstuhl. Schlug mit beiden Handflächen auf das dunkle Holz der Schreibtischoberfläche und starrte seinen Sekretär mit wütend funkelnden Augen an. „Langsam reicht es mir mit diesen Wölfen! Wie können sie es wagen, das nächste meiner Etablissements zu überfallen, zu verwüsten und meine Leute anzugreifen! Die Stadt gehört nicht ihnen allein!"

Luc Durand, ein aus Frankreich stammender Vampir der dritten Generation und Sekretär Ravyns', verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und erwiderte den Blick seines Bosses mit einem kalten Ausdruck in den braunen Augen. „Mir kommt es ganz so vor, als sehe Nox das anders!"

„Nox - dieser Bastard -!" Der großgewachsene blonde Vampir und GEN2 - was dafür stand, dass er ein Vampir der zweiten Generation war - und Anführer des Gerlari-Syndikats aus Atlanta, schnaubte und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. „Ich habe schon Igarashi auf der letzten Pet-Auktion hier in Atlanta gesagt, dass ich dem Alpha keine weiteren Warnungen mehr zukommen lasse. Und das gedenke ich einzuhalten.
Er zerstört nicht nur mein Geschäft, und damit meine ich nicht nur das Gebäude - auch mein Ruf leidet, wenn ich mir das noch länger gefallen lasse!"

„Und was hast du jetzt vor?" Lucs' Blick war ununterbrochen auf das Gesicht des Älteren gerichtet, der sich in diesem Moment schmunzelnd und mit einem Ausdruck in den grünen durchdringenden Augen zurückgelehnte, welcher nichts Gutes versprach. „Finde heraus, wo Nox lebt. Es wird Zeit, dem Alpha einen Besuch abzustatten und ihnen zu zeigen, was passiert, wenn man meine Warnungen nicht ernst nimmt."
Der GEN3 nickte zustimmend und sah auf seine Armbanduhr. „Soll ich deinem Bruder Bescheid geben?" Doch Ravyn schüttelte nur leicht den Kopf, stützte sich mit seinem Ellenbogen auf der Lehne ab und legte einen Moment lang nachdenklich den Zeigefinger an seine Lippen. „Nein. Elric soll sich erst einmal um die Sicherheit des dunklen Hortes hier in Atlanta kümmern. Schließlich ist Enno Alarich, der Leiter, einer seiner besten Freunde, und die Angriffe der Jäger nehmen zu.
Ich weiß, dass Elric es sich nicht verzeihen würde, wenn ihm, den Vampiren und ihren Familien dort, etwas zustößt. Sobald du in Erfahrung gebracht hast, wo das Rudel lebt, möchte ich, dass genügend Wagen und Männer bereitstehen. Hast du verstanden?" Woraufhin der GEN3 lediglich nickte und mit ernster Miene das Büro Ravyns' verließ.

Two Hearts - Seelenbund-Trilogie Band 2 (BoyxMan) [Leseprobe] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt