Elias - Perfektionist

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„Das sieht doch scheiße aus!"
„Mensch, Alex!", seufzte ich. „Das ist dein erster Cupcake. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen." Tröstete ich das Riesenbaby neben mir, weil es sein Häubchen mit dem meinem verglich und nicht die gleiche Perfektion erreicht hatte.

Nachdem ich endlich wieder fit war, und Alex in einer Tour davon jammerte, dass seine Großmutter mich nun viel lieber hätte als ihn, hatte ich ihm vorgeschlagen, ihr doch selber was zu backen. Welche Omi würde sich denn nicht über Schokokuchen von ihrem allerliebsten Enkel freuen? Dass er den Vorschlag so verstand, dass ich ihm dabei helfen sollte, konnte ich doch nicht ahnen. Und so standen wir, Sonntag Abend, in meiner Küche und ich half ihm dabei Cupcakes für seine geliebte Granny zu backen.

Beim Teig zusammen mischen, hatte er sich gar nicht mal so dumm angestellt. Hatte ganz brav alle Anweisungen befolgt, so dass ich fast gar nicht eingreifen musste. Und während die Muffins im Backofen ausharrten, hatten wir uns es am Küchentisch, mit Pizza und Bier, gemütlich gemacht. Er erzählte sehr lebhaft von seiner Oma und ich hörte ihm einfach gerne zu. Mit jedem Wort spürte man seine Liebe und Zuneigung zu ihr. Auch wenn er sich in einer Tour beschwerte, dass sie ihn ständig in die Mangel nahm, lächelte er dabei. Er liebte die Kabbeleien mit ihr, auch wenn er es nicht offen zugeben wollte. Und ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie diese alte Frau ihn um ihren Finger wickelte.
„Ihr habt aber ein sehr enges Verhältnis zu einander ...", hatte ich festgestellt, nach dem er seinen Schilderungen beendet hatte. Ein wenig beneidete ich ihn darum. Ich hätte gerne mehr Familie gehabt. Aber sowohl meine Großeltern, als auch meine Eltern, waren bereits verstorben. Aber wenigstens hatte ich Anna. „Ja ...", seufzte er schwer. „ ... sie ist alles, was ich habe!" Und dann erzählte er mir, dass seine Mutter früh gestorben war und sein Vater nicht mit ihm klar kam. Weswegen er auch seine Kindheit und Jugend im Internat verbrachte. Wo er auch Lu, Mike und Sandro kennen gelernt hatte. Und in all der Zeit war Granny für ihn da. Und er nun für sie.

Er war seit ein paar Tagen so ganz anders, als ich ihn kennen gelernt hatte. Nett und zuvorkommend, statt überheblich und nervtötend. Und vor allem, er baggerte mich nicht mehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit an. Ich hatte fast das Gefühl, er wollte tatsächlich Zeit mit mir verbringen, statt mich nur ins Bett zu bringen.

„Jaha ...", stöhnte er und betrachtete immer noch die zwei Cupcakes, die neben einander standen. „Aber bei dir sah es so leicht aus."
„Ja, aber nur, weil ich bestimmt schon Tausende gemacht habe.", erwiderte ich augenrollend. Mein Perfektionist ... der nicht damit klar kam, etwas nicht auf Anhieb zu können. „Wir probieren es einfach nochmal, okay?", bot ich an und trat näher zu ihm. Hob den Spritzbeutel vom Tisch und rückte näher an ihn ran. „Hier. Gleich nochmal.", forderte ich ihn auf und reichte es ihm. „Nein ... schau oben eindrehen. Du brauchst Druck, um perfekt spritzen zu können." Sein Seitenblick traf mich und seine Mundwinkel zuckten. „Du wirst es nicht glauben, aber das ergibt tatsächlich Sinn! Ohne Druck lässt es sich in der Tat schlecht abspritzen ..." Seine Mundwinkel zuckten und er würde wohl jeden Augenblick zu lachen beginnen. „Wie alt bist du?", fragte ich streng nach und musste erneut mit den Augen rollen. „Alt genug für ..." Doch als er meinen genervten Blick sah, prustete er los, statt weiter zu sprechen. „Alles klar!", genervt nahm ich ihm den Spritzbeutel aus der Hand, der bereits tropfte und meine Küche einsaute. „Du schenkst deiner Omi einfach dieses hässliche Ding und ich bleibe weiter ihr Liebling."
Augenblicklich verstummte sein Lachen und ein entrüsteter Blick traf mich. „Du findest meinen Cupcake hässlich?", fragte er entrüstet und zog ein zutiefst verletztes Gesicht.
„Ja, und jetzt heul nicht rum, sondern übe weiter!", kommentierte ich seine Schnute und nahm mir einen Muffin. „Sieh nochmal her ... Oben zudrehen ... Ansetzten ... Drücken ... mit Gefühl ...", erklärte ich ihm jeden Schritt meines Tuns. „... zuerst in der Mitte ... siehst du ... dann außen herum ... schön enganliegend ..." Kaum, dass ich fertig war, reichte ich ihm den Spritzbeutel zurück.
„Okay ... ich versuchs. So ...", begann er und drückte viel zu fest drauf. Natürlich lief die Creme von allen Seiten den Kuchen herunter. „Oh ja, ich sehe schon ... ein Schnellspritzer.", rügte ich vernichtend seinen kläglichen Versuch. Fassungslos und mit offenem Mund starrte er mich an. „Ich helfe dir!", sagte ich kopfschüttelnd. Drückte sein Kinn nach oben und trat hinter ihn. „Wir machen den nächsten zusammen. Von dem richtigen Gefühl scheinst du keine Ahnung zu haben ...", schimpfte ich weiter. „Hey ...", ertönte es geknickt von meinem Lehrling. „Das war jetzt echt gemein!" „Dann verpetz mich doch bei deiner Granny!", erwiderte ich wenig beeindruckt und begann mit ihm zusammen das Topping aufzuspritzen. „Du weißt schon, wenn du dich weiterhin so an mich anschmiegst ...", riss er mich aus unserem Handeln: „Dann verspreche ich dir, dass ich mich für immer blöd anstellen werde!"
„Alex!", stöhnte ich genervt und ließ von ihm ab. Sollte er sehen, wie er das alleine hinbekam. Vorhin hatte ich noch gedacht, dass er sich verändert hatte, grade konnte ich das eigentlich nur noch dementieren. Er konnte ab und an so nervig sein.
„Schon gut!", ruderte er zurück. „Ein bisschen Spaß darf doch sein!"
„Erst die Arbeit, dann kannst du Spaß haben! Sonst lass ich dich meine Küche, mit der Zahnbürste schrubben!"
„Aye aye sir!", salutierte mein Gegenüber und ich kämpfte innerlich damit ihn nicht mit dem Nudelholz zu erschlagen.
„Auf geht's!", befahl ich und drückte ihm erneut den Beutel in die Hand.

Er nahm mir diesen aus der Hand und begann mit der Arbeit. Dieses Mal ganz konzentriert, hielt die Luft an und biss sich sogar auf die Unterlippe. Fehlte nur noch, dass ihm ein einzelner Schweißtropfen von der Stirn lief. Ich musste zugeben, so hochkonzentriert und vor allem die Klappe haltend, sah er in meiner Küche zum Anbeißen aus. Was man alles mit dem Schoko-Frosting wohl anstellen könnte, schoss es mir durch den Kopf, aber ich konnte mich nicht lange an diesem Gedanken weiden, denn Alex riss mich mit einem lauten Ausruf aus meiner Phantasie.
„Fertig!", verkündete er. „Und ... und ... und? Dabei strahlte er mich wie ein Kleinkind an, dass gerade die Lösung für den Weltfrieden gefunden hatte. Der Cupcake sah immer noch beschissen aus. Aber ich lächelte trotzdem. Konnte nicht anders. „Das hast du sehr, sehr gut gemacht!", lobte ich ihn ernst. „Er sieht schon viel besser aus.", fügte ich hinzu.
Doch, statt sich zu freuen, ließ er die Schultern sinken. „Im Vergleich zu deinen immer noch die reinste Katastrophe." Geknickt verglich er erneut seine beiden Werke mit dem meinen. Also schnappte ich meinen und biss hinein, nur um ihn anschließend wieder dazu zustellen. „Jetzt nicht mehr!", verkündete ich kauend. Wieder zuckten seine Mundwinkel. „Du hast da was ...!" Und bevor ich mir selbst an meinen Mundwinkel greifen konnte, war er schon da und fuhr mit seinem Daumen darüber. Nur um ihn anschließend sich selbst in den Mund zu stecken. Fasziniert war ich seinem Handeln gefolgt. Er hatte schöne Finger, schöne Lippen. Wie gerne hätte ich ihn wieder geküsst. Nicht so wild und hart wie unser erster und einziger Kuss. Eher langsam, zärtlich und einnehmend.
„Will ich wissen, was du gerade denkst?", fragte er schmunzelnd, als könnte er meine Gedanken lesen. „Ich probiere es nochmal!", fügte er an, statt dieses Gespräch weiter zu verfolgen.
„Hier ...", sagte ich und reichte ihm einen neuen Cupcake. Und das Trauerspiel begann von vorne.

Schmeiß die Cupcakes an die Wand (Capcakes 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt