Alex - böses Erwachen

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Ein Vorschlaghammer dröhnte in meinem Kopf. Alles war so laut ... wo war ich bloß? Ich tastete mich mit meiner rechten Hand etwas voran. Da war ein Bauchnabel, ein flacher warmer Bauch, Nippel ... Scheiße ich riss meine Augen. „Ohhh Gott ...", konnte ich mein Stöhnen nicht unterdrücken. Tageslicht konnte so grausam sein! Aber zurück zu den Tatsachen, da lag ein Kerl in meinem Bett! In meinem Bett! Da ich meine Augen, nach dieser grausamen Lichtattacke so schnell wie möglich wieder zugekniffen hatte, blieb keine Zeit, das Gesicht meiner Eroberung zu sehen. Verdammt, was war nur los mit mir! Ich hatte meine Prinzipien! Was war denn so schwer daran, keinen Mann mit nach Hause zunehmen? Halt, Stopp ... vielleicht war ich ja gar nicht zu Hause und lag hier in einer fremden Wohnung, an einem fremden Kerl gekuschelt? Jetzt wurde mir auch noch schlecht und diese Kopfschmerzen ...

Aber da musste ich jetzt durch. Langsam öffnete ich ein Auge und blinzelte gegen das Tageslicht. So hell war es gar nicht. Eher trüb. Also wagte ich es, auch das zweite Auge zu öffnen und in das Gesicht des Kerls, auf dem ich immer noch lag, zu sehen. Kein Gesicht ... nur ein Buch ... Chemie des Todes. So ein Zufall, das las ich auch gerade. Oder doch kein Zufall, ich wagte einen Blick in beide Richtungen. Erleichterung durchflutete meinen Körper! Ich war zu Haus! Halb so wild. Ich würde den Kerl einfach rauswerfen und gut war.

„Morgen ..." verdammt auch, klang meine Stimme rau. Was für Zeug hatte ich mir gestern bloß reingepfiffen? Das Buch senkte sich und gab den Blick frei. Überraschung, Erleichterung und Verwunderung darüber, Elias in meinem Bett zu sehen, überschlugen sich förmlich. „Guten Morgen, Großer!", begrüßte mich dieser und lächelte sogar.
„Wie hab ich dich, in mein Bett bekommen?" Allein an dieser Frage merkte man sehr deutlich, dass ich bei weitem noch nicht Herr meiner Sinne war. Ich meine klar, war die Frage berechtigt, aber vielleicht nicht grade als Erstes? „Na ja, du hast mir deine Liebe gestanden und gefragt, ob ich dich heirate. Und da du nicht mehr warten willst, wolltest du heute Morgen die Tickets nach Vegas kauf. Du wolltest Elvis sein, ich Cobain.", klärte mich Elias mit völlig erster Stimme auf. Entsetzt klappte ich den Mund auf. Was sollte ich darauf bitte schön auch sagen? Meine Stimme versagte, also räusperte ich mich und krächzte grade noch ein: „Was?", heraus. „Ja ich weiß, ich habe Stunden gebraucht dir den Elvis auszureden, aber du bist nun mal so stur, Schatz!", erläuterte Elias weiter.
Bevor ich mich aber noch weiter mit diesen Gedanken auseinandersetzen konnte, fingen seine Mundwinkel an zu zucken. „Sorry! Ich konnte nicht anders! Hör auf, so entsetzt zu schauen! Nichts davon hast du gesagt oder getan!", versicherte er.
„Lustig ...", entkam es mir noch immer total entsetzt. Tja, warum war ich wohl so entsetzt? Nicht, weil er zu solch Späßen im Stande war, nein, ich traute mir das wirklich zu. Panik ergriff mich. Jetzt mal rein hypothetisch gesehen ... wenn ich mir selber zutraute, Elias einen Heiratsantrag zu machen, musste mein Unterbewusstsein sich zu mindestens schon mal mehr damit auseinandergesetzt haben, als mir bewusst war. Ich sollte bei Gelegenheit ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. „Es tut mir wirklich leid, Großer! Aber so eine Gelegenheit bekomm ich nie wieder ...", seufze er traurig, bevor er weiter sprach: „Dir ging es gestern nicht sehr gut, weil du schlechte Nachrichten erfahren hast ... dann ... dann hab ich dich vor meiner Tür gefunden, oder besser gesagt Lila ... du warst pitschnass und durchgefroren und besoffen. Hab dich dann heimgefahren, kurzerhand unter die Dusche und dann ins Bett gesteckt ...", redete er ohne Punkt und Komma auf mich ein. Mein Kopf ...
„Kommt irgendwann noch der Teil, in dem ich auf einem Hamster kaue und mir den Schädel einrenne?", stöhnte ich und griff mir an meine schmerzende Birne.
„Was?", aus seinem Redeschwall gerissen sah er mich überrumpelt an. „Schon gut Elias. Vergiss es, ich fühl mich grad nur so."
„Na wenigstens hast du schlafen können. An mich hat sich so ein Klammeraffe gepresst und ließ mir keine ruhige Minute. Will ja keinen dabei ansehen ..." Und sah mir direkt in Augen.
„Klammeraffe?" Mein Hirn hatte sich beim Hochfahren bestimmt aufgehängt. Da deutete er mit seiner Hand von meinem Kopf bis hinunter zu den Beinen. Erst jetzt wurde ich mir wieder seines Körpers bewusst. Das Blut schoss mir in die Wangen. Wo war das Loch, in dem ich mich verkriechen konnte? Jetzt wurde ich auch noch rot! Zum Davonlaufen war es mit diesem Elias. Leider musste ich ihm zu Gute halten, dass er im Recht war. Schließlich war mein Fuß mit seinen verknotet und ich lag mit Hüfte und Oberkörper zur Hälfte auf ihm drauf. „Sorry", flüsterte ich verlegen und mit rosa Wangen, wie eine Jungfrau vor ihrer Hochzeitsnacht und löste mich langsam von seinem Körper. Schade eigentlich, irgendwie hatte ich mich so geborgen gefühlt.

„Aber jetzt mal im Ernst, was weißt du noch von gestern?", fragte mich Sherlock. Irgendwelche Alarmglocken in meinem Unterbewusstsein läuteten gerade Amok, als wollte sie mich daran hindern, nachzudenken. Aber auch wenn es weh tat, strengte ich mich an und rekonstruierte den Abend. Elias beobachtete mich mit besorgtem Blick.

Ja genau, ich war in der Arbeit ... da war diese nervige Kundin, die zum x-ten Mal versuchte ihre Scheidung aufzuhalten, obwohl der liebe Göttergatte, bereits ein Kind mit seiner 20 Jahre jüngeren Arbeitskollegin erwartete und ein schickes Häuschen einrichtete. Die Einladung zu dieser Hochzeit lag bereits in meinem Postfach. Ständig bekam ich Einladungen von Mandanten, dass die aus ihren Fehlern nicht lernten? Aber ich schweifte ab ... Zurück zur Kundin. Die ging und ich bestellte mir einen Kaffee. Emily, unsere Sekretärin kam mit dem Kaffee ... nein sie kam ohne Kaffee ... ich hatte mich innerlich noch darüber aufgeregt, weil ich ganz dringen einen gebraucht hatte. Sie richtete mir aus, mein Vater würde mich dringend erwarten. Fluchend ging ich in sein Büro. Meinen Vater, auf Koffeinentzug zu ertragen, war eine Herausforderung für sich, die ich regelmäßig verlor. Alles in mir sträubte sich, weiter nachzudenken. Ich tat es trotzdem und bereute es ihm nächsten Augenblick. Unwissenheit war ein Segen ... Im Büro saß mein Vater, blätterte ein paar Unterlagen durch und sah nicht einmal auf, als ich den Raum betrat. „Junge, grade bekam ich den Anruf, dass deine Großmutter tot ist." Worte, die immer wieder durch meinen Kopf kreisten. Mich verhöhnten. So unreal waren.
Und dann, er hatte nicht einmal aufgesehen. Er saß da und erzählte mir die schlimmste Nachricht meines Lebens, als würden wir einen Plausch über das Wetter halten. Wut und Verzweiflung schlugen gleichzeitig auf mich ein und ich verließ im Laufschritt zuerst sein Büro und dann die Kanzlei. Hauptsache weg von ihm und ganz weit weg von der Realität.

„Granny ...", entkam es mir gepresst. Die Verzweiflung von gestern stürzte über mich ein. Elias rappelte sich auf und schloss mich wortlos in die Arme. Und dafür war ich ihm mehr als dankbar. Was hätten Worte schon ausgerichtet?

Ich weiß nicht, wie lange wir so saßen, da läutete es an der Tür. Einmal, zweimal, dreimal ... da ich keine Anstalten machte, mich zu bewegen, strich mir Elias noch mal übers Haar und erhob sich. All meine Gedanken und Gefühle so gut wie möglich verdrängend, ließ ich mich nach hinten fallen und schloss die Augen. Eine kleine Ewigkeit später hörte ich die Stimmen von Luigi und Mike im Gang. Konnten die nicht einfach verschwinden. Ich wollte doch nur meine Ruhe ... Da kamen sie auch schon ins Zimmer und setzen sich zu mir aufs Bett. „Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein ..." rügte mich Mike rechts von mir sanft. „Wieso bist du nicht zu uns gekommen? Wir sind doch immer für dich da, das weißt du doch ...", war es nun Lu, der zu mir sprach.
„Ja ..." Zu mehr konnte ich mich nicht wirklich motivieren. Was sollte ich da schon drauf antworten? Der Einzige, den ich bei mir haben wollte, war Elias. Wo steckte er eigentlich? Schließlich öffnete ich doch die Augen und sah mich nun im Raum um. Kein Elias ... Panik ergriff mich ... „Er ist im Bad und zieht sich um.", beantwortete Luigi meine nicht gestellte Frage. Da kam Elias auch schon fertig angezogen ins Schlafzimmer.

„Ich werde dann mal ... du hast ja jetzt Besuch."

Nein... schrie alles in mir ... Geh nicht ... verlass mich nicht auch noch ... aber ich sagte nichts davon, schloss bloß wieder die Augen und murmelte ein „Danke".

„Nicht dafür!" Zuerst herrschte Stille, dann entfernten sich leise Schritte von meinem Zimmer, kurz drauf fiel die Tür ins Schloss. Er war weg ... wer weiß, vielleicht dieses Mal für immer. Eine schier erdrückende Trostlosigkeit überfiel mich ...

Schmeiß die Cupcakes an die Wand (Capcakes 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt