Alex - you are not my destiny

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Eigentlich hatte ich vor, längst im Bett zu sein, stattdessen stand ich mit Luigi an der Bar im ‚Heaven'.
Ich hasste es, den Montagmorgen übermüdet anzutreten. Vor allem dann, wenn in der Früh Kundengespräche anstanden. Das Scheidungsgeschäft boomte. Die Kanzlei meines Vaters wurde geradezu überrannt, was nicht zuletzt an meinem Ruf lag. Noch ein paar Jahre, dann würde die Kanzlei vollends mir gehören.

Aber zurück zu Luigi. Ständig schleppte er mich mit ins ‚Heaven'. Aktuell der angesagteste Club für Schwule und das, obwohl Luigi eigentlich eine eingefleischte Hete war. Zur Zeit zweifelte ich immer mehr an dieser Tatsache. Aber wir waren ja nur wegen Sandro hier, dem Besitzer dieses Clubs, und sehr gutem Freund von Luigi und nicht wegen der ganzen heißen Kerle, wie mir der kleine Italiener immer wieder versicherte. Na ja, ich war eher wegen der heißen Kerle, als wegen Sandro hier. Ich konnte einfach nichts mit ihm anfangen, er sah aus, als wäre er dem Film „Der Pate" entsprungen. Immer im Anzug, einen Schnauzer und ein Bärtchen, als wolle er Will Turner in Fluch der Karibik, Konkurrenz machen, sowie nach hinten gegelte Locken. Wenn seine Türsteher um ihn standen, wirkte er wie ein Bilderbuch Mafiaboss. Seine ganze Ausstrahlung sagte: „Ich bin was Besseres!" Und ansonsten war er arrogant und kalt wie ein Fisch. Und nein, er ähnelte mir ganz gewiss nicht, auch wenn mir durch aus bewusst war, dass ich hin und wieder etwas arrogant rüberkommen konnte. Berufskrankheit, ich konnte da wirklich nichts dafür.

So saßen wir, mit unseren Getränken in der Hand, an der Bar und unterhielten uns mit Sandro. Der seit Stunden unlustige Anekdoten aus seinem Berufsalltag zum Besten gab. Und Lu klebte ihm an den Lippen. Der DJ spielte gerade Godsmack's Straight Out of Line, ein Lichtblick im finsteren Tunnel, worauf ich mich voller wohne darauf konzentrierte und den Text vor mich hin sang. „ I Don't know you ... So Don't Freak on me. I can't control you. You're not my destiny..."
Völlig im Lied versunken fuhr ich zusammen, als mich der Ellbogen von Luigi in die Seite traf. „Ist das nicht der Kerl von der Hochzeit?" Dabei deutete er in die Menge. „Welcher ..." Weiter kam ich nicht, da erblickte ich auch schon Elias in der Menge, der von einem blonden Kerl durch die tanzende Meute gezogen wurde. In Blondie erkannte ich den Kellner aus dem Café. Aja ... so viel zum Thema da lief nichts. An der Bar angekommen bestellte Blondie die Getränke und Elias besah sich das Frischfleisch auf der Tanzfläche. Er hatte die Haare offen, und vereinzelte Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Es war so finster, dass ich nur hin und wieder einen Blick auf sein Gesicht erhaschen konnte, wenn eines der Lichtblitze die Bar erhellte. Er sah gut aus, wie er da an dem Tresen lehnte, immer wieder über die Worte von Tom lachte und sich dabei hin und wieder durch die Haare fuhr. Irgendetwas in mir drin kratzte an meiner Geduld. „Willst du ihn weiter aus der Fernen anschmachten, oder gehst du endlich rüber?, riss mich Luigi etwas irritiert aus meiner Betrachtung. „Er ist in Begleitung ...", wiegelte ich ab. Meine eh schon angegriffene Laune, sank rasch bergab. Das er ihn, mir vorzog?!
„Hat dich das jemals davon abgehalten?", gab Lu keinen Ruhe und zog dabei seine Augenbraue skeptisch in die Höhe. „Außerdem dachte ich, es gäbe eine Wette zu gewinnen!"
„Woher...", da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Mike!", knurrte ich. „Hey er ist auch mein bester Freund! Wir drei haben doch keine Geheimnisse!", verteidigte Luigi tapfer unseren Freund. „Außer das du auf diesen Sandro stehst, nicht wahr?", provozierte ich ihn bissig. Ja, es war nicht fair und sicherlich gemein, zumal selbiger Mafiosi keinen Meter von uns entfern saß und nun skeptisch zwischen uns hin und her blickte. Aber in mir drin braute sich gerade eine unheimliche und für mich völlig fremde Unruhe, sowie Wut zusammen, mit der ich total überfordert war. Ich wusste in diesem Moment einfach nicht wohin damit, nur dass ich sie, dringen loswerden musste. „Arschloch", kam es von meinem Gegenüber, gefolgt von einem Hieb in meine Rippen. „Hör nicht auf sein Geschwafel. Er ist ja nur mies drauf, dass sich mal ein Kerl nicht sofort für ihn bückte.", raunte Lu aufgebracht Sandro zu. Den Rest bekam ich gar nicht mehr mit, denn in diesem Augenblick schlug ein langsames Lied an und der kleine Pisser zog einfach so meinen Elias auf die Tanzfläche. Eng umschlungen tanzten die beiden. Ich schluckte, irgendwie war mir grade richtig zum Kotzen, aber den Blick konnte ich auch nicht abwenden. Wie bei einem Unfall, man musste einfach nur drauf starren. Wenigstens hatte der Typ die Arme oben, würde er seine Pfoten auf „meinen" Arsch legen, ich könnt für nichts mehr garantieren.

Was dachte ich mir da? Was zum Teufel interessierte mich das eigentlich? Gab es hier nicht genügend andere Kerle, die viel heißer waren und sich verdammt gerne für mich Bücken würden? Was hatte genau dieser Arsch nur an sich? Wie sang Godsmack grade eben noch? „I'll confess this... you're my tragedy" wie passend. Aber Gott sei Dank hatten auch diese drei beschissen lange Minuten ein Ende. Elias löste sich von Blondie und verschwand in Richtung der Klos. Wehmütig sah ich ihm nach. Ich musste ganz dringend dafür sorgend, dass er endlich in meinem Bett landete, damit ich ihn aus meinem beschissenen Hirn vögeln konnte. Grade wollte ich schauen, was der Kellner trieb, da zuckte ich auch schon überrascht zurück. Denn dieser Stand, in seiner vollen Pracht und mit verschränkten Armen vor mir. „Na, hast du schon dein Date?", zog er mich mit einem bösen, aber dennoch schiefen Grinsen auf. Diese Frage war mir nun wirklich keine Antwort wert, schließlich wusste er am besten, dass mich Elias abblitzen hatte lassen. „Also ich weiß nicht, was du hast, aber ich hab meines sofort bekommen. Wird wohl an dir liegen! Also lass ihn einfach in Ruhe, er hat was Besseres wie ‚DICH' verdient!"

Das „dich" spukte Blondie mir nahezu entgegen. Ich musste hier dringend weg, sonst würde meine Faust direkt und ziemlich hart in diesem niedlichen Gesicht landen. „Fick dich!", zischte ich ihm zu, stieß ihn zur Seite und lief los. Bis ich bemerkte, wohin mein Unterbewusstsein mich führte, stand ich auch schon vor den Sanitätsräumen. Wieder kroch die Wut durch meine Adern. Übernahm die Kontrolle über mich. Ich war eindeutig nicht mehr Herr meiner Sinne.

Nur eine Tür trennte mich von Elias. Diese schlug ich auf und sah den Mann meiner Begierde am Waschbecken zusammenfahren und sich nach mir umblicken. Eine Mischung aus Erschrecken und Überraschung spiegelte sich in seinem Gesicht und dann hauchte er auch noch meinen Namen. Verdammt aber auch, wieso wurden meine Knie auf einmal weich? Diese großen, grünen Augen ... In mir tobte das Chaos. Im Sekundentakt wechselte sich das Verlangen, ihn in meine Arme zu reißen oder ihm wahlweise den Hals umzudrehen, ab. Ich musste mich ganz dringend von mir selbst ablenken. „Na, amüsierst du dich gut?", versuchte ich, so normal wie möglich zu klingen. Seit wann stellte ich mich eigentlich so beschissen an? Lächerlich! Wieso brachte dieser Kerl mich nur so durcheinander?!

„Ganz nett hier.", kam es ziemlich gelassen von Elias. Wieso zum Teufel fiel ihm das so einfach? Stand hier ganz cool rum und sagt Sachen wie „ganz nett hier". Fuck! Wieder übernahm Wut die Führung.
„Ah ja ... Und wie läuft dein Date?" Ich musterte ihn intensive, um ja keine Regung zu verpassen, und schlich dabei, wie ein Raubtier auf der Suche nach seiner Beute, auf ihn zu. Wieder weiteten sich seine Augen vor Überraschung und er wich automatisch von mir zurück. Keine zwei Schritte und er stand mit dem Rücken zur Wand.
„Woher ..." Weiter kam er nicht, da stützte ich mich schon an den Fliesen ab und kam seinem Gesicht unbewusst gefährlich nah. Er hatte so ein schönes Gesicht. Nicht makellos, nicht perfekt und trotzdem schön. Unterhalb seines rechten Auges befand sich sogar eine kleine Narbe, zu gerne hätte ich sie berührt, gefragt, was ihm da passiert war. Großer Gott, was waren das nur für Gedanken? Das ging mich doch einen Scheißdreck an.

Mit leicht geöffneten Lippen starrte er mich völlig paralysiert an. Diese Lippen, in diesem herrlichen Rot, die untere Lippe etwas voller, zogen mich nahezu magisch an. Ich hatte noch nie, wirklich noch nie, so ein Verlangen nach Lippen verspürt. Küssen hielt doch eh nur auf. Warum lange rummachen, wenn man eigentlich nur seinen Schwanz versenken wollte? Reine Zeitverschwendung! „Ich dachte, ihr seid nur Freunde?", stellte ich ihm, meine Gedanken von seinen Lippen lösend, die Frage, die mich die ganze Zeit schon wurmte. Dieses beschissene Date hätten wir beide heute haben sollen, aber nein dieser Mistkerl zog doch tatsächlich dieses Blondchen vor!

„Bist du sauer, das ich dich Abblitzen hab lassen, oder etwa eifersüchtig auf Tom?", zischte er mir ziemlich sauer entgegen. Da spürte ich auch schon den Druck seiner Hände auf meinem Oberkörper. Der Versuch, mich wegzudrücken, blieb zwecklos, zu Gut war das Gefühl seiner Hände auf mir. Die Kälte seiner Finger drang durch mein Oberteil und augenblicklich überzog eine Gänsehaut die darunter liegende Haut. Es dauerte etwas, bis seine Worte in mein Bewusstsein drangen, doch dafür mit Karacho. Was bildete sich dieser ....rrrrhhh... eigentlich ein. „Ich und eifersüchtig? Das ich nicht lache!", knurrte ich ihm zwischen zusammen gebissenen Zähnen entgegen und kam seinem Gesicht immer näher. Wie Bambi im Scheinwerferlicht blickte Elias zu mir auf, unser Blickduell dennoch aufrechterhaltend. Alle Geräusche rückten in weite Ferne, die Welt schien plötzlich still zu stehen. Nur noch seine Augen, die in meine sahen, sein Atem auf meiner Haut, seine Hände auf meinem Oberkörper existierten. Ich war verloren... es ging nicht mehr. So griff ich in seinen Nacken, überbrückte die letzten Zentimeter und drücke meine Lippen hart auf seine. Bei dieser Berührung verstummten zuletzt auch noch all meine Gedanken. Es war auf einmal scheißegal, was war, was noch sein würde. In diesem Moment zählte nur noch der Mann vor mir. Und dieser erwiderte meinen Kuss. Genauso hart, genauso sehnsüchtig. Da machte es Boom... in meinem Kopf, in meinem Herz, in meinem ganzen Körper! Ich wusste es nicht. Meine Welt schien aus den Fugen zu geraten ... Panik kroch langsam durch meine Eingeweide. Plötzlich war alles, was in so weite Ferne gerückt war, wieder da. Alle Geräusche, Gerüche und Gedanken schlugen mit erbarmungsloser Gewalt auf mich ein. Das war zu viel... Ich musste weg... Sofort weg hier! Weg von ihm ...

So stieß ich mich von der Wand ab und lief, wie ein Feigling davon. Weg von Elias, weg von dem Chaos, in welches dieser Scheißkerl mich stürzte. Und vor allem, weg vor mir selbst.

Ohne mich von Luigi und Sandro zu verabschieden steuerte ich unverzüglich den Weg nach draußen an und verließ das ‚Heaven'. Eigentlich recht witzig, dass der Club diesen Namen trug, zumal ich mich eher fühlte, als hätte mich die Hölle höchstpersönlich ausgespuckt, nach dem sie zuvor genüsslich auf mir rumgekaut hatte. Draußen umfing mich herrliche Kälte. Welch Wohltat, da mein Körper immer noch brannte, ja geradezu in Flammen stand und meine Gedanken sich weiterhin fröhlich überschlugen und Amok liefen. Und nun? Ich musste weg hier, dringend weg ...

„Scheiße Alex ... wieso rennst du so panisch rum?" Gehetzt sah ich mich um und entdeckte Luigi. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Das Letzte, was ich jetzt brauchte, war ein Zeuge, der dabei zu sah, wie ich auf der Flucht vor einem Kerl den Club verließ. „Ich ...", stotterte ich. Ja, was ich? Was bitte schön sollte ich ihm sagen, wenn ich selbst nicht genau wusste, was grad schief bei mir lief. Aber wenigstens trug die frische Luft dazu bei, dass sich mein Herzschlag langsam aber stetig beruhigte. Dennoch kein Grund zur Freude, denn eine bleischwere Müdigkeit befiel meinen Körper. Alle Lebensgeister schienen mich verlassen zu haben. Mein Bett schrie.
„Ich will heim.", flüsterte ich mit erstickter Stimme. Selbst das Reden kostete zu viel Kraft. Scheinbar fühlte ich mich nicht nur so, sondern sah auch noch beschissen aus. Luigi, mein treuer Freund, kam nämlich immer näher und sah mich sehr besorgt an. Hätte ich noch die Kraft dazu gehabt, hätte ich ihm erzählt, wohin er sich sein Mitleid hätte überall hin stecken können. Aber nichts in der Welt konnte mich gerade dazu motivieren. „Mensch, Alex! Alles klar? Ich bring dich nach Hause!", kam es verwirrt und gleichzeitig mitfühlend von dem kleinen Italiener. Was ging denn bei dem jetzt ab? Wo war der Großkotz, den ich eigentlich als meinen Freund kannte? „Auch wenn ich dich für die Aktion vorhin, nach Hause laufen lassen sollte." Konnte sich dieser den Seitenhieb scheinbar dann doch nicht verkneifen. Da war er wieder, der Großkotz! Ein kleines Stückchen Beständigkeit und so wohltuend im Augenblick.

Eine halbe Stunde später, ließ mich Luigi an meinem Apartment aussteigen. Kaum, dass ich mich ausgezogen hatte, fiel ich ins Bett und schlief ein.

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