2. Alex - Trauzeuge

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Ich hasste Hochzeiten. Dieses schnulzige Getue, diese sinnlosen und heuchlerischen Schwüre. Ganz ehrlich, wer brauchte sowas schon? Leute, die auf Liebe zählten, waren dumm und naiv! Leute, die an die Ehe glaubten, litten schlichtweg an Realitätsverlust!

Woher ich das wusste? Kann ich gerne verraten. Ich, Alexander Römer, war Scheidungsanwalt und dazu noch ein Hervorragender. Ganz ehrlich und ohne anzugeben, sie würden in der näheren Umgebung keinen Besseren finden. Wenn jemand seine oder seinen Ex in den Ruin treiben wollte, kam er zu mir. Egal ob mit, oder ohne Ehevertrag, ich knackte sie alle, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken!

Nun stand ich aber hier und war Trauzeuge! Ich?! Kaum zu glauben, dass mein bester Freund, tatsächlich heiraten wollte! Und ich hatte wirklich nichts unversucht gelassen, ihm diesen Blödsinn auszureden, diesen gottverdammten Fehler nicht zu begehen, aber es war aussichtslos. Der Trottel war blind vor Liebe, nicht einmal einen Vertrag wollte er sich von mir aufsetzen lassen. Ich sah schon kommen, wohin ihn seine Dummheit führen würde. Spätestens wenn ihn seine Holde in zwei Jahren bluten ließe, wer müsste ihm dann wohl aus der Patsche helfen? Natürlich ich! Dann würde er mit Tränen in den Augen und einem kleinen Vermögen weniger an meine Worte zurückdenken.

Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel. Was aber gar nicht nötig gewesen wäre, denn ich wusste nur zu gut, dass ich heiß aussah. Kurz zupfe ich an einer Strähne des dunkelbraunen Haares und zwinkere meinem Spiegelbild zu. Dieser maßgeschneiderte Anzug stand mir aber auch verdammt gut. Das Jackett betonte die trainierten Oberarme sowie die breiten Schultern perfekt. Dass ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio ging, sollte man ruhig sehen. Das weinrote Hemd und die schwarze Krawatte runden das perfekte Bild ab. Wenn ich könnte, ich würd mich glatt selbst ficken.

Ein Klopfen riss mich aus meiner Betrachtung und keinen Augenblick später wurde die Tür aufgerissen.

„Scheiße, Alex, wird's bald? Du benötigst länger Zeit, um dich hübsch zu machen, als die Braut!" Michael, der werte Bräutigam, lehnte in Türrahmen und sah ungeduldig zu mir rüber.

„Egal wie lange Monika braucht, ich werde sowieso immer besser aussehen!", versicherte ich und zwinkerte ihm zu. Sofort verfinsterte sich sein Blick und schon schallte ein schneidendes „Alex!" durch den Raum.

Berührte mich nicht im mindesten. Ich zuckte lediglich kurz mit den Schultern, Michael kannte mich seit dem Kindergarten, er wusste, wie ich tickte!

„Alex, du weißt, ich liebe dich wie meinen eigenen Bruder, aber wenn du mir die Hochzeit ruinierst, bring' ich dich um! Ich schwör' es und Luigi entsorgt deine Leiche im Fluss!", wurde mir mit erhobenem Zeigefinger prophezeit.
„Na, na, Mike! Beruhige dich! Du kennst mich doch! Ich werde lieb, nett und charmant sein wie immer."
„Und genau das ist meine größte Sorge!"

Jetzt musste ich wirklich herzhaft lachen. Ging zu meinem besten Freund rüber und klopfte ihm auf die Schulter.

„Lass uns gehen, dein Henker wartet!" Ich hatte die Worte kaum ausgesprochen, schon spürte ich das Klatschen seiner Hand auf meinem Hinterkopf.
„Du ruinierst meine Frisur!", empörte ich mich und wich einem weiteren Angriff aus.

Lachend gingen wir in den Garten und gesellten uns zu dem Geistlichen, der scheinbar auf uns gewartet hatte.

Fasziniert sah mich um und konnte mir ein Schnauben nicht verkneifen.

„Was ist jetzt schon wieder?", zischte Michael neben mir.
„Wie viele Urwälder hat deine Holde für dieses Theater geplündert?", wollte ich raunend wissen. Der ganze Schlossgarten schien mit riesigen Kübeln voller Orchideen dekoriert zu sein.
„Was hast du nochmal gesagt, was dich dieser Spaß kostet?", setzte ich noch einen darauf, obwohl ich mir in der Tat ein ganz gutes Bild von der Summe machen konnte. Im Endeffekt wurden mir bei einer Scheidung nicht selten die Rechnungen von Hochzeiten vorgelegt.
„Alex, halt endlich die Klappe, oder du bekommst vor allen Leuten eine geklatscht!", zischte mein Freund sichtlich aufgebracht. Seine Coolness schien ihm regelrecht abhandengekommen zu sein.

Schmeiß die Cupcakes an die Wand (Capcakes 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt