𝙴𝚙𝚒𝚕𝚘𝚐 𝟸 - 𝙳𝚊𝚜 𝙴𝚗𝚍𝚎 𝚍𝚎𝚛 𝟽𝟺. 𝙷𝚞𝚗𝚐𝚎𝚛𝚜𝚙𝚒𝚎𝚕𝚎

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Gewöhnlich gibt es zwischen dem Ende des Wettkampfes und der Präsentation des Siegers eine mehrtägige Pause, damit der ausgehungerte und verletzte Tribut wieder kameratauglich gemacht werden kann. Einige der anderen Mentoren wurden schon in den Zug gesetzt und in ihr Heimatdistrikt zurückgefahren, doch die Siegeszeremonie steht bevor und Präsident Snow möchte, dass ich zu Beginn der Feier singe. Wie könnte ich ihm einen solchen Wunsch abschlagen, nachdem die diesjährigen Gewinner des Arenakampfes das Kapitol und seine Macht herausgefordert haben?

Seit Tagen warte ich angespannt in unserer Suite auf Ebene zehn und bereite mich für den Auftritt vor, denn mir darf kein einziger Fehler unterlaufen. Ein schlecht gekünsteltes Lächeln in die Kamera, ein falsches Wort zu Caesar Flickerman oder ein schiefer Ton bei meinem Auftritt könnten mich das Leben kosten. Noch liegt die Wut des Präsidenten auf den beiden Überlebenden aus Distrikt zwölf, doch wenn ich nicht perfekt meine Show abziehe, bin ich nur ein Dorn in den Augen des Kapitols. Ein Dorn, den man abschneidet damit er einem nicht ins Fleisch schneidet.

Zitternd atme ich aus um die Nervosität zu verdrängen und betrete den Fahlstuhl zum Trainingscenter, während ich den Stoff meines goldenen Kleides glattstreiche. Meine langen blonden Haare wurden mit Bienenwachs nach hinten gegelt und zu einem strengen Zopf zusammengebunden, welcher mich am Rücken kitzelt. Da ganz Panem der Siegeskrönung entgegenfiebert, hat das Kapitol mein Kleid vorgegeben und der schimmernde goldene Stoff soll meiner Vermutung nach den Triumph symbolisieren.

Ich bemerke durch die Spiegelung der Glaswand vor mir Reginalds kritischen Blick auf das Kleid. Es ist bestimmt seltsam für ihn, als Stylist an meiner Seite aufzutreten mit einem Kleid, welches er nicht eigenhändig entworfen hat. Doch anhand seines Augenbrauenzuckens und dem gesenkten Blick verstehe ich, dass er nicht nur aus diesem Grund einen besorgten Gesichtsausdruck aufgesetzt hat. Nach zwei Jahren an meiner Seite ist ihm bewusst, in welchen Kleidern ich mich wohl fühle und versucht seine Inspirationen und Entwürfe an mein Wohlgefühl anzupassen. Doch das ausgewählte Kleid des Kapitols liegt deutlich außerhalb meiner Komfortzone:

Der goldene und hauchdünne Stoff des Kleides liegt eng an meinem Oberkörper und mein Stylisten-Team musste Massen an Kleber verwenden, damit das Kleid nicht unpassend verrutscht. Der weitgehende Ausschnitt reicht tiefer als mir lieb ist und an den Innenseiten kann man die nackten Wölbungen meiner Brüste betrachten. Hinzu kommt, dass in den fließend übergehenden Unterteil ein Schlitz eingearbeitet wurde, welcher beim Laufen einen Großteil meines Oberschenkels freilegt. Zusammengefasst präsentiert mich das Kapitol als ein Fleischstück, welches gleich vor eine Meute hungriger Löwen treten muss. Begehrenswert und Fügsam werde ich mich nicht vor den ekelhaften Blicken der Kapitols-Menschen verschonen können und ihren pervertierten Fantasien mit einem zuvorkommenden Lächeln begegnen. Doch zu einer bestimmten Taktik habe ich mich noch nicht entschlossen. Entweder ich werde die geiernden Sponsoren und begeisterten Fans gänzlich ausblenden, oder ich stelle mir vor ich würde ihnen mit einem meiner Wurfmesser die Kehle durchschneiden.

Natürlich hat man Reginald nicht die wahren Gründe für den vorgegebenen Dresscode genannt. Anstatt einen Kontrollverlust mit überkompensierten Vorschriften auszugleichen, hat das Kapitol anlässlich der Premiere von zwei lebenden Siegern behauptet, die Garderobe der Gastauftritte zu spendieren und somit ein solch großes Ereignis gebührend zu feiern. Das der Sprecher des Kapitols sich nicht an seinen eigenen Worten verschluckt hat war wirklich verwunderlich.

"Bist du bereit?", dringt die angenehm tiefe Stimme meines Begleiters in meine Ohren. Sobald sich die Türen des Aufzuges öffnen, werde ich augenblicklich zur Bühne geführt. Das Programm sieht vor, dass ich die Zeremonie eröffnen soll und nach ein paar freundlichen Worten mit Caesar Flickerman sowie einer selbst gesungenen Version der Hymne von Panem im Hintergrund Platz nehme und der Siegerkrönung beiwohne.

ɔıε тяıвυтε νσп ραпεм  - ɔεя ƨρσтттöʟρεʟ υпɔ ɔıε пαcнтıɢαʟʟWo Geschichten leben. Entdecke jetzt