𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝟺 - 𝙳𝚒𝚎 𝙴𝚛𝚗𝚝𝚎𝚣𝚎𝚛𝚎𝚖𝚘𝚗𝚒𝚎

89 8 2
                                    

In weiche Bettlacken gehüllt drehe ich mich auf die Seite und seufze in meine mit Entenfedern gefüllte Daunendecke. Sonderlich viel konnte ich in der Nacht an Schlaf nicht finden, weswegen ich meine schweren Augenlider geschlossen halte.  Der leichte Geruch von nassem Asphalt gelangt in meine Nase und kündigt für den heutigen Tag trübe Wetterverhältnisse an. Passend zu der wahrscheinlich herrschenden Stimmung in dem Dorf der Sieger. 

Seit der Verkündung der Jubiläumskarte haben wir anstehenden Tribute für die 75. Hungerspiele aus Distrikt zehn einen entscheidenden Fehler gemacht. Wir haben uns an manchen Abenden getroffen und ein großes Essen bei dem wechselnden Gastgeber veranstaltet. An einem Abend huschten die Enkelkinder von Phox um uns herum, an einem anderen redete Jackson auf uns ein, welche Waffe er in der Arena nehmen würde. Ich war auch an einem Abend als Gastgeber dran und konnte die mitleidigen Blicke der Bewohner auf dem Marktplatz am eigenen Leid spüren. 

Die Menschen sind froh, da ihre Kinder nicht ausgelost und in den Tod geführt werden, aber dennoch schenken sie uns ihren letzten Hauch Freundlichkeit anstatt ihre Erleichterung offen zur Schau zu stellen. 

Heute ist es soweit, heute ist die Ernte. Gestern haben wir das letzte Mal zusammen gespeist und während Phox Erinnerungen an ihre Kinder erzählt hat, hat Jackson Witze darüber gemacht was heute geschehen wird. Alle haben mich aus Humor danach gefragt, wie die Chancen stehen wer in die Arena kommt und welche Gewinnchancen sie haben, doch sie versuchten nur die Panik in sich zu nehmen.

Die Hälfte von uns wird zum Kapitol zur Mittagsstunde aufbrechen, und leider werde ich dazuzählen. Sollte das Schicksal es gut mit mir meinen und ich werde nicht als weiblicher Tribut ausgelost, ist es meine Pflicht als jüngste Siegerin die Rolle der Mentorin zu übernehmen. Normalerweise trete ich dieser Aufgabe streng und gleichgültig gegenüber, doch dieses Mal wird es anders sein. Ich nehme mich nicht unwissenden und ängstlichen Teenagern an, welche mit großen Augen das opulente Essen oder die wertvollen Kleidungen betrachten. Dieses Mal sind es Tribute, welche der Armut durch den Tod von dreiundzwanzig anderen Jugendlichen entkommen sind. Währenddessen wird der weibliche Tribut dieses Jahr auch meinen möglichen Platz an ihrer Stelle einnehmen. 

Ein kaum hörbares, knisterndes Geräusch lässt meine Ohren aufmerksam zucken und neugierig richte ich mich auf, um gehörgeleitet zu einem marineblauen Designersessel in der Raumecke neben meinem großen Bett zu sehen. Verwundert ziehe ich eine Augenbraue nach oben und betrachte die aufgefaltete Kapitolzeitung, hinter welcher sich jemand verbirgt und interessiert einen Artikel durchließt. Anhand seiner Statur und Kleidung stelle ich schnell fest um wen es sich handelt und schließe ihn als Bedrohung aus. 

"Reginald Coventry", bemerke ich mit kalter Stimme und setze mich auf wobei ich nicht verhindern kann, dass ein kurzes Lächeln über meine Lippen huscht, als mein Stylist die Zeitung sinken lässt und strahlend zu mir herübersieht. Beschwichtigend und spaßeshalber abwehrend hebt er unschuldig seine Hände und lehnt sich in dem Sessel nach hinten. "Wie lange bist du schon hier?"

"Wir sind vor ungefähr einer Stunde am Bahnhof angekommen, aber ich wollte dich schlafen lassen. Ich habe den anderen geraten sich im Wohnzimmer zu beschäftigen und alles bereitzumachen", antwortet er höflich und ich nicke nur dankend. 

"Wie lange haben wir Zeit für die Vorbereitungen?", bemühe ich mich ein Seufzen auszulassen und starre mit strengem Gesichtsausdruck an die Wand mit gegenüber. Für einen Galgengang muss man in Panem als ehemaliger Sieger schließlich makellos, ja schon festlich angezogen sein. Die Nägel gefeilt, das lange Haar gelockt und die Haut glatt wie ein Seidentuch. 

"Die Friedenswächter haben noch nicht mit dem Zusammentreiben der Menschen in Distrikt zehn begonnen, aber der Hauptplatz ist schon fertig aufgebaut", sagt er und im Augenwinkel erkenne ich, wie sich auch seine Züge verhärten. "Manche der Stylisten haben schon angefangen, die anderen Sieger zurecht zu machen, aber wir haben noch Zeit wenn du sie brauchst."

ɔıε тяıвυтε νσп ραпεм  - ɔεя ƨρσтттöʟρεʟ υпɔ ɔıε пαcнтıɢαʟʟWo Geschichten leben. Entdecke jetzt